Die Gespräche zwischen Deutscher Bahn und der GDL sind gescheitert. Nachdem es anfangs so aussah, als würde die DB ihre Blockadehaltung gegenüber der GDL aufgeben, entpuppte sich das Angebot der Bahn als Luftnummer. Denn statt der GDL ihr Recht auf Verhandlungen auch für Zugbelgleiter zuzugestehen, fordert die Bahn weiter, dass die EVG bei Streitfragen die Führung in diesem Bereich übernehmen soll.
Bei dem seit Monaten schwelenden Konflikt zwischen DB und GDL geht es im Kern um das Recht einer Gewerkschaft, Tarifverhandlungen für alle ihre Mitglieder zu führen. In der Vergangenheit hatte die GDL bei der Bahn die Verhandlungsführerschaft für Lokführer inne, die EVG für das Zugpersonal. Doch das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Grundsatzurteil von 2010 die bisherige Praxis verworfen, nur einen Tarifvertrag für eine Berufsgruppe in einem Unternehmen gelten zu lassen, da dies dem Grundgesetz zuwiderläuft: „Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können.“ Seitdem hat die GDL das Recht, für alle ihre Mitglieder eigene Tarifabschlüsse anzustreben. Die Deutsche Bahn will diese Entscheidung allerdings nicht anerkennen und fordert für sich auch weiterhin Tarifeinheit.
Mit dem nun vorliegenden Angebot hat die DB erstmals versucht, selbst mit der GDL zu einer Lösung zu kommen. Bislang zielte die Taktik der Bahn darauf ab, die Verantwortung für die von ihr gewünschte Tarifeinheit den Gewerkschaften GDL und EVG zuzuschieben. So erklärte die Bahn, sie wolle solange nicht mit der GDL über Zugpersonal verhandeln, bis diese eine Kooperationsvereinbarung mit der EVG abgeschlossen hätte. Frei nach dem Motto: "Löst ihr das Problem für uns, danach unterschreiben wir.“ Da aber weder GDL noch EVG bereit sind, freiwillig auf ihr höchstrichterlich bestätigtes Recht zu verzichten, ist eine Einigung auf diesem Weg ausgeschlossen.
Verschärft hat die Bahn den Konflikt in den letzten Wochen noch dadurch, dass sie einseitig Tarifverhandlungen mit der EVG führte – und zwar für alle ihre Mitglieder, auch für die bislang von der GDL vertretenen Lokführer. Die Bahn gesteht der EVG also dasselbe Recht zu, das sie der GDL verweigert. Vor diesem Hintergrund hat die GDL zu Streiks aufgerufen – sie sind das einzige Mittel, das der GDL zur Durchsetzung ihres Rechts auf Tarifverhandlungen zur Verfügung steht.
In den Medien bleibt der eigentliche Konflikt zwischen DB und GDL nahezu unbeachtet. Die Darstellung konzentriert sich vielmehr auf den angeblichen Machtkampf zwischen GDL und EVG. Nach Meinung der EVG handelt es sich dabei um taktisches Kalkül der Deutsche Bahn AG. Personalchef Weber habe gezielt versucht, dieses Bild in der Öffentlichkeit zu zeichnen, um von eigenen Verantwortlichkeiten abzulenken, so EVG-Pressesprecher Uwe Reitz.
Allerdings ist die EVG selbst nicht unschuldig daran, dass diese Darstellung in den Medien breiten Anklang gefunden hat. Denn sie unterstützt die Forderung der DB nach Tarifeinheit, wohl auch weil ihr durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ein Machtverlust droht. In der Vergangenheit konnte die EVG für sich das Recht reklamieren, Tarifverhandlungen für die meisten Berufsgruppen im Alleingang mit der Bahn auszuhandeln. Bei einer Umsetzung des Urteils wäre ihr Verhandlungsanspruch auf die eigenen Mitglieder reduziert. Bislang gelten die Tarifabschlüsse der EVG für Zugbegleiter auch für die Mitglieder der GDL.
Eine Einigung in dem Streit schien auch deshalb nicht absehbar, weil sich die Deutsche Bahn AG zuletzt ihre Nähe zum Eigentümer Bund zunutze machen konnte. So kam Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles der Forderung der DB nach, sich ihren durch das BAG-Urteil hinfällig gewordenen Anspruch auf Tarifeinheit nachträglich per Gesetz festschreiben zu lassen. Der Entwurf sieht vor, dass im Falle konkurrierender Tarifverträge diejenige Gewerkschaft federführend sein soll, die in der jeweiligen Berufsgruppe die Mehrheit der Mitglieder vertritt. Ein solcher Entwurf ist schon deshalb bemerkenswert, weil es dasselbe Prinzip wieder herstellen würde, das vom Bundesarbeitsgericht als nicht grundgesetzkonform verworfenen wurde.
Dennoch ist in der letzten Woche Bewegung in den Konflikt gekommen. Bahn und GDL trafen sich in Berlin zu Gesprächen, in denen nach Möglichkeiten gesucht wurde, wie die Tarifeinheit bei der Bahn gewahrt bleiben könnte, ohne die Rechte der GDL zu beschneiden. Dabei sah es zunächst danach aus, als würde man sich einig. Umso ernüchternder dann der Vertrag, den die DB am Sonntagabend präsentierte. Denn im Kern soll alles beim Alten bleiben: Die EVG bleibt bei Zugpersonal verhandlungsführend, die GDL darf dabeisitzen und abnicken. Mit dieser Blockadehaltung provoziert die DB nun die wohl längsten Bahnstreiks der Geschichte – auf Kosten von Zugpersonal und Bahnkunden.
Mit dem Platzen der Verhandlungen hat die DB ihren Standpunkt noch einmal bekräftigt: Tarifeinheit um jeden Preis. Damit aber rückt eine Lösung in weite Ferne. Vermutlich würde eine öffentlich Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Bahn-Forderung nach Tarifeinheit die Situation nachhaltig verändern. Denn die Argumente, die die DB bislang hervorgebracht hat, sind schnell widerlegt. Weder ist es unmöglich, zwei Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe in einem Unternehmen zu etablieren, noch ist die Tarifeinheit dazu geeignet, die soziale Ordnung bei der Bahn sicherzustellen. Die GDL weist zurecht darauf hin, dass der Bahn die unterschiedliche Behandlung derselben Beschäftigtengruppe im Unternehmen schon seit Jahren mühelos gelingt, wenn das personalpolitisch opportun ist. Außerdem zeigten unzählige Beispiele etwa bei der Vogtlandbahn oder der Albtal Verkehrsgesellschaft, dass Tarifpluralität bereits heute funktioniere. Und wie es um die soziale Ordnung bei der Bahn bestellt ist, ist den Mitarbeitern der DB noch aus dem Jahr 2007 bekannt. Damals wollte die Bahn im Verbund mit der EVG-Vorgängergewerkschaft Transnet die Einstellung 1000 neuer Lokführer zu einem Stundenlohn von 7,50 Euro über eine Zeitarbeitstochter durchsetzen. Das Vorhaben scheiterte schließlich am Widerstand der GDL.
Dieser Beitrag ist auf Demokratie Reloaded erschienen.
Kommentare 19
>>Bei der EVG kommt noch eine riesengroße Dummheit der Gewerkschaftsführer dazu, die nicht begreifen, dass die GDL eigentlich als Speerspitze auch für bessere Tarifkonditionen der EVG handelt.<<
Vielleicht bekommen sie bald einträgliche Pöstchen beim Vorstand der Bahn AG, wie ihre Vorgänger. „Dummheit“ kann ja oft durch Korruption erklärt werden.
>>…zumal der Unterschied zwischen Streik und "normalem" Bahnbetrieb für mich oftmals nicht erkenntbar ist. Heute ist mein Zug ausgefallen, nicht wegen Streik, sondern wegen "Schaden am Triebfahrzeug".<<
Daran hat eine andere Streikbewegung schuld, und die heisst: Profitgeile Aktiengesellschaft.
"Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können."
Festzuhalten ist zunächst, dass die durch diesen Satz entstandene Problematik seit 2010 bekannt ist, ohne dass es die damalige und die heutige Bundesregierung zum Anlass einer gesetzlichen Regelung genommen haben, obwohl darüber schon viel diskutiert und gut geschrieben wurde, z.B. hier:
http://www.zukunftderarbeit.eu/cms/upload/PDF/11_026_CFVWS_Monographie_einzel_geschtzt.pdf
Bevor man also der DB und/oder den Gewerkschaften vorhält, sie wollten - was jeweils ihr gutes Recht ist - ihren Standpunkt durchsetzen, hat man es mit dem Sachverhalt zu tun, dass die Merkel-Regierung das Problem schleifen ließ, obwohl der Regelungsbedarf seit 4 Jahren offensichtlich ist.
Seitdem hat die GDL das Recht, für alle ihre Mitglieder eigene Tarifabschlüsse anzustreben.
Das stimmt so nicht. Richtig ist lediglich, dass es nach der Entscheidung des BAG ein Nebeneinander von Entgelt-Tarifverträgen für Arbeitnehmergruppen im selben Betrieb geben kann - und was noch lange nicht heißt, dass die GDL das Recht hätte, im Wege des Streiks einen Entgelt-Tarif für die bei ihr organisierten Zugbegleiter zu erzwingen, obwohl sich diese Arbeitnehmergruppe mit der in der EVG organisierten Gruppe der Zugbegleiter überschneidet. Es ist m.E. völlig legitim wenn es die DB zu vermeiden sucht, Zugbegleiter unterschiedlich bezahlen zu müssen, je nachdem ob sie in der einen oder in der anderen Gewerkschaft organisiert sind. Denn dies müsste in der Tat zu einer Spaltung der Belegschaften führen, die in niemandes Intereresse liegen kann, auch nicht im Interesse der Arbeitnehmer selbst. Denn es liegt ja auf der Hand, dass die GDL für die bei ihr gleichsam auf dem Trittbrett bei den unersetzbaren Lokführer mitfahrenden, aber selbst durchaus ersetzbaren Zugbegleiter höhere Tarifabschlüsse erstreiten wird, als die EVG, die keine oder wenige unersetzbare Lokführer in ihren Reihen hat. Wenn die GDL aufgrund ihres bei den Lokführern entlehnten größeren Druckpotenzials bessere Abschlüsse für "ihre" Zugbegleiter erstreitet als die EVG für die ihren, wird dies nicht nur Unfrieden in die Belegschaft tragen, sondern auch dazu führen, dass in Zukunft noch mehr Arbeitnehmergruppen, die kein hohes Druckpotenzial haben, die Zeche dafür bezahlen müssen, dass sich die mit hohem Druckpotenzial ausgestatteten Arbeitnehmergruppen die größten Stücke aus dem zu verteilenden Kuchen reißen. Das führt vorhersehbar zu einer Entsolidariserung der Belegschaften, die niemand wollen kann.
Es ist sträflich, dass sich Merkel und die GroKo angesichts dieser Problematik bisher auf's Nichtstun beschränkt haben. Die Folgen tragen nicht nur die Tarifpartner in Form von Rechtsunsicherheit sondern v.a. die Bahnkunden. Wenn Merkel sich hinstellt und der GDL den schwarzen Peter zuschiebt, demonstriert sie einmal mehr, was sie für eine miserable Bundeskanzlerin ist: nämlich eine, die nicht nur die Schuld für eigene Versäumnisse anderen zuschiebt, sondern sich auch noch in einen dadurch entstandenen Konflikt einmischt und Partei für die Arbeitgeberseite ergreift. Schlechtere Politik geht nicht!
Könnten Sie das näher erläutern bzw. ihre Quelle angeben. Vielleicht kann die Autorin darauf eingehen. Vielen Dank für den Kommentar und den Artikel.
Dazu reicht mein eigener Sachverstand als im Arbeitsrecht nicht ganz unerfahrener RA aus. Die maßgeblichen Entscheidungen des BAG..
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2010&anz=46&pos=0&nr=14435&linked=bes
...haben zwar den Grundsatz der Tarifpluralität formuliert, aber nichts dazu gesagt, dass sich diese auch auf sonst gleiche Arbeitnehmergruppen bezieht, wenn diese - lediglich - in verschiedenen Gewerkschaften organisiert sind. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Recht bestünde, das Mittel des Streiks zur Erzwingung der Verhandlungszuständigkeit der einen oder anderen Gewerkschaft einzusetzen. Dies ist vielmehr reine Interpretation. Ich vermute aber, dass sich jedenfalls das Arbeitsgericht Frankfurt heute nachmittag nicht auf dieses im Grundsätzlichen angesiedelte Glatteis begeben wird. Es wird versuchen, einen anderen Kniff zu finden, wie z.B. hier:
http://www.rundschau-online.de/wirtschaft/arbeitsgericht-untersagt-streik-der-vorfeldmitarbeiter,15184892,11727108.html
Wäre das hier nicht auch ein gefundenes Fressen für Sie, um mal so richtig ...?^^
Nun, ich kann ihnen versichern, das Thema der Legitimität ist bei allen Beiteiligten (DB, GDL, EVG) unstreitig.
Ihr eingangs gemachter Einwand ist aber von daher berechtigt, da er das Prinzip der Tarifautonomie berührt. Zwar hat die GDL das Recht, sie muss es aber gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzen. Insofern ist das Verhalten der DB durchaus legitim. Ebenso legitim ist es natürlich für die GDL, sich dieses Recht mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln des Arbeitskampfs, frei von staatlichen oder richterlichen Eingriffen, zu erstreiten.
Ich gebe zu, Sie haben zielsicher den schwächsten Abschnitt des Artikels rausgepickt. Das Thema ist hochkomplex und ich musste den Artikel letztlich von 3000 auf 1000 Wort kürzen, um ihn "konsumierbar"zu halten. Es gäbe viele Punkte, die einer tiefergehenden Erörterung bedürften.
Der Autor. :-) Kein Problem.
Dem muss ich widersprechen. Dass die GDL "das Recht hätte", wird von keinem der Beteiligten (DB, EVG) infrage gestellt. Zumindest mit Herrn Reitz von der EVG hatte ich hierzu auch gesprochen.
Allerdings betrifft der Einwand das Prinzip der Tarifautonomie. Es besagt, dass Unternehmen und Gewerkschaft tariflich regelbare Ziele frei von staatlichen oder richterlichen Eingriffen untereinander regeln. Es ist dabei durchaus möglich, dass die Parteien "in Tarifverträgen gesetzliche Beschränkungen des Verhandlungsspielraumes überwinden". Die DB darf Tarifeinheit für ihr Unternehmen anstreben - jedoch wird sie wohl die Gewerkschaft(en) davon überzeugen müssen.
Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege ;-)
Gegen die Suffizienz der Suffizienz ist ja nix einzuwenden!
>>Denn dies müsste in der Tat zu einer Spaltung der Belegschaften führen, die in niemandes Intereresse liegen kann, auch nicht im Interesse der Arbeitnehmer selbst.<<
Wenn die streikfähige Gewerkschaft den besseren Tarif erreicht, dann werden wahrscheinlich noch mehr Zugbegleiter etc. in die GDL eintreten. Dann gäbe es diese Spaltung nicht, sondern einfach eine durchsetzungsfähige Belegschaft. Und eine einige Belegschaft, die ihre Interessen gegen den Aktionär vertreten kann liegt nicht im Interesse des Aktionärs. Das ist nicht nur bei der DB so, sondern stinknormaler Interessengegensatz.
Das sehe ich ähnlich.
Das Argument, viele Tarifpartner führten zu mehr Streiks und zu einem Wettbewerb der überzogenen Lohnforderungen, lässt sich bislang nicht belegen. Zur Erinnerung: Tarifpluralität ist bereits Realität! Weder ist die Zahl der Streiks in Deutschland seit dem Bedeutungsgewinn der Spartengewerkschaften signifikant gestiegen, noch gingen Streiks überproportional von Spartengewerkschaften aus. Die Tarifforderungen, die die GDL bislang durchgesetzt hat, waren nicht maßlos, sondern angesichts der jahrelangen Lohnzurückhaltung überaus angemessen. Auch im aktuellen Tarifstreit lässt sich nichts anderes beobachten. Die Forderungen der GDL orientieren sich an der Empfehlung, die die Bundesbank herausgegeben hat. Die Bahn blieb bei ihren Angeboten hinter diesen Empfehlungen bislang übrigens zurück.
Richtig ist: Die Tarifpluralität stärkt die Arbeitnehmerposition und schwächt die Arbeitgeber. Sie hätten nicht mehr die Möglichkeit, zwei Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen, wie das die Deutsche Bahn derzeit tut. Die Gewerkschaften wiederum wären angehalten, sich an den Interessen ihrer Mitglieder auszurichten. Dass das im Chaos enden würde, ist eher nicht anzunehmen. Diejenigen Gewerkschaften, die mit ihren Tarifabschlüssen weit hinter der Konkurrenz blieben, wären vielmehr dazu gezwungen, die Tarifverträge der führenden Gewerkschaft nachzuzeichnen, wollen sie nicht einen Mitgliederverlust riskieren. Denn andernfalls würden sich die Arbeitnehmer wohl mittelfristig an diejenige Gewerkschaft binden, die ihre Interessen in der Vergangenheit am besten vertreten hat. Vermutlich würde sich also Tarifeinheit auf ganz natürlichem Wege einstellen. Die Gesetze des Wettbewerbs behielten ihre Gültigkeit. Dass nun aber diejenigen, die sonst am lautesten für den freien Wettbewerb eintreten, nach dem regulierenden Eingriff des Staat rufen, weil ihre eigenen Interessen berührt sind, zeigt die Verlogenheit der Debatte. Frei nach Andrea Nahles: „Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.
Und wenn wir schon mal dabei sind: Wozu führt denn die Tarifeinheit nach dem Modell von Frau Nahles? Das durften wir bereits beobachten: Nämlich zu einem juristischen Wettstreit um die Mitgliederstärke in Berufsgruppen, wie ihn die EVG in ihrer medienwirksamen Diskussion um die Mehrheit beim Zugpersonal schon vorwegnommen hat. Denn während die GDL auf die Berufsgruppe des Zugpersonals verweist, in der sie die Mehrheit hat, stellen die Zahlen der EVG auf die Gruppe der Zugbegleiter und Lokrangierführer ab, für die sie eine Mehrheit für sich reklamiert. Dabei ist die Einteilung der EVG in Lokführer und Lokrangierführer natürlich ebenso willkürlich wie die der GDL. Wer die Mehrheit hat, ist also keineswegs eindeutig. Da die Einteilung aber letztlich dem Unternehmen obliegt, entscheidet dann letztlich der Arbeitgeber, mit welcher Gewerkschaft er verhandeln möchte. Weshalb unter solchen Voraussetzungen ein Gesetz zur Tarifeinheit die Arbeitnehmerposition stärken sollte, bleibt wohl Andrea Nahles Geheimnis.
Wenn die streikfähige Gewerkschaft den besseren Tarif erreicht, dann werden wahrscheinlich noch mehr Zugbegleiter etc. in die GDL eintreten. Dann gäbe es diese Spaltung nicht, sondern einfach eine durchsetzungsfähige Belegschaft. Und eine einige Belegschaft, die ihre Interessen gegen den Aktionär vertreten kann liegt nicht im Interesse des Aktionärs. Das ist nicht nur bei der DB so, sondern stinknormaler Interessengegensatz.
Schön und gut. Aber das vollzieht sich ja nicht einfach so, sondern ist ein Prozess, bei dem auch unter den Kollgen viel böses Blut fließen wird. Denn die EVG-Zugbegleiter finden es ja nicht eben großartig, dass die GDL-Zugbegleiter auf dem Trittbrett bei den Lokführern bessere Abschlüsse erzielen als die EVG für sie herauszuholen in der Lage ist, eben weil sie das Druckmittel eines Streiks der Lokführer nicht hat. Jetzt kann zweierlei passieren: Entweder die EVG-Zugbegleiter strömen scharenweise in die GDL, mit der Folge, dass die EVG geschwächt wird, was nicht Sinn der gemeinsamen Sache sein kann, oder - wahrscheinlicher - die EVG verlangt dieselben Löhne für ihre Zugbegleiter wie sie von der GDL für die dort organisierten Zugbegleiter erstritten werden. Folge: Erst streiken die Lokführer der GDL für die Zugbegleiter auf ihrem Trittbrett und dann streiken die Zugbegleiter bei der EVG, damit sie dieselben Löhne kriegen wie die Trittbrettfahrer. Die Bahnkunden wird's freuen.
Tarifpluralität ist bereits Realität!
Das ist dann der Fall, wenn es einen Entgelt-Tarifvertrag für einen bestimmten Teil der Belegschaft gibt und einen weiteren Entgelt-Tarifvertrag für eine andere Arbeitnehmergruppe und sich beide Arbeitnehmergruppen nicht überschneiden. Dann bleiben beide Tarifverträge nebeneinander anwendbar. Und genau da setzt Weselsky jetzt einen drauf. Denn was er verlangt, läuft darauf hinaus, dass es künftig zwei Tarifverträge für sich überschneidende Arbeitnehmergruppen geben soll. Das wird aber nicht funktionieren.
>>Bösewicht Weselsky sich ins russische Konsulat absetzt.<<
Schon auffällig, wie plötzlich der Oberteufel Putin abgeräumt und Weselsky an seine Stelle gesetzt wurde. Bei so raschen Feindbildwechseln bleibt nur Eines: Den ganzen Schwachsinn ignorieren und sich eine eigene Meinung bilden.
>>Weshalb unter solchen Voraussetzungen ein Gesetz zur Tarifeinheit die Arbeitnehmerposition stärken sollte, bleibt wohl Andrea Nahles Geheimnis.<<
Na ja, ein Geheimnis ist es ja nicht gerade: Als Regierungsmitglied vertritt Nahles Interessen des Aktionärs. Und als Besitzer handelt die Regierung wie jeder andere Kaputtalist. Genau deswegen sind die Eisenbahner mit einer streikfähigen Gewerkschaft auf dem richtigen Weg.
>>Denn die EVG-Zugbegleiter finden es ja nicht eben großartig, dass die GDL-Zugbegleiter auf dem Trittbrett bei den Lokführern bessere Abschlüsse erzielen als die EVG für sie herauszuholen in der Lage ist, eben weil sie das Druckmittel eines Streiks der Lokführer nicht hat.<<
Nachdem die GDL sich für andere Berufsgruppen geöffnet hat, steht es ihnen frei, welcher Gewerkschaft sie sich anschliessen möchten. Zugbegleiter mit einer Pseudogewerkschaft, die für ihre Existenzsicherung ein Tarifgesetz braucht, müssen natürlich Opfer bringen für ihre freie Entscheidung, der unfähigen Gewerkschaft anzugehören.
>>Entweder die EVG-Zugbegleiter strömen scharenweise in die GDL...<<
Das wäre einfach und schlau: Dann haben sie eine durchsetzungsfähige Gewerkschaft. Übrigens geht es den GDLern nicht ums Geld: Sie wollen auch bei der Arbeitszeit einen Fortschritt erreichen.
Dass der DB-Vorstand das nicht gut findet ist ja logisch: Kein Konzernvorstand findet durchsetzungsfähige Gewerkschaften gut.
Nachdem die GDL sich für andere Berufsgruppen geöffnet hat, steht es ihnen frei, welcher Gewerkschaft sie sich anschliessen möchten.
Unbestritten. Aber es ist ein bisschen kurz gedacht. Oder meinen Sie, es würde sich noch oft wiederholen, dass die Lokführer den Zugbegleitern den Rammbock machen? Oder die Piloten den Stewardessen? Soweit reicht die Solidarität bei denen nämlich nicht.
Zugbegleiter mit einer Pseudogewerkschaft, die für ihre Existenzsicherung ein Tarifgesetz braucht, müssen natürlich Opfer bringen für ihre freie Entscheidung, der unfähigen Gewerkschaft anzugehören.
Das mag sein. Aber spätetstens in dem Moment, in dem die GDL die EVG kaputtgemacht hat, unterliegt sie denselben Zwängen wie die EVG. Was die GDL stark gemacht hat war, dass sie auf nichts und niemanden als die Lockführer Rücksicht nehmen musste, auf die die Bahn angewiesen ist. Wenn sich die GDL erst um z.B. Gleisbauer und Oberbauschweißer kümmern muss, deren Arbeitsplätze beliebig ausgelagert werden können, sieht's anders aus.
Kein Konzernvorstand findet durchsetzungsfähige Gewerkschaften gut.
Da hat die DB ihren Lernprozess schon hinter sich, teilweise jedenfalls, während er der GDL steht noch komplett bevorsteht. Denn mit Konfrontation der Marke Weselsky ist heute kein guter Betrieb mehr zu machen, der ordentlich zahlen kann. Die Logistikbranche z.B. sucht schon verstärkt nach Alternativen zur Bahn.
>>Die Logistikbranche z.B. sucht schon verstärkt nach Alternativen zur Bahn.<<
Klar, Billigsttranporte auf der Strasse. Machen sie mit oder ohne GDL. Aber es ist doch allzu schön, wenn man der Gewerkschaft die Schuld dafür zuweisen kann.
Aber die Erfahrung zeigt eben, dass es Arbeitern langzeitig noch nie einen Vorteil brachte zu kuschen.
Aber es ist doch allzu schön, wenn man der Gewerkschaft die Schuld dafür zuweisen kann.
Es geht auch nichts über eine ordentliche Opferhaltung. Sehr komfortabel.
Aber die Erfahrung zeigt eben, dass es Arbeitern langzeitig noch nie einen Vorteil brachte zu kuschen.
Nö, aber nach Kompromissen zu suchen, ist heute weitverbreitet. Da den Betonkopf zu machen, wie der Weselsky, ist nicht mehr up to date.
Sie orientieren sich bei Ihrer Beurteilung aber schon an Fakten, oder? Ja, Kompromisse sind eine feine Sache, aber dazu gehören zwei Seiten. Die Haltung der DB habe ich ja nun versucht gründlich darzulegen. Falls Sie meiner Einschätzung nicht trauen rate ich dazu, sich selbst ein Bild zu machen. Sie finden zum Verhandlungsverlauf reichlich Material im Pressebereich von DB und GDL. Vielleicht beginnen Sie hiermit:
http://www.deutschebahn.com/file/8380932/data/tarifrunde_2014_faktenblatt.pdf
http://uploads.gdl.de/Aktuell-2014/Pressemitteilung-1412600559.pdf