Die coolste Jüngerin von Jesus

Feministische Theologie Maria Magdalena wurde oft als „Geliebte von Jesus“ oder gar als Prostituierte abgewertet. Dabei spielt sie eine zentrale Rolle im Evangelium und ist eine Hoffnungsträgerin für Frauen weltweit
Ausgabe 15/2022
Frauen in Honduras bereiten ein Maria-Magdalena-Bildnis für eine religiöse Zeremonie vor
Frauen in Honduras bereiten ein Maria-Magdalena-Bildnis für eine religiöse Zeremonie vor

Foto: Elmer Martinez/AFP/Getty Images

Wenige biblische Personen haben so viel Aufmerksamkeit erhalten wie Maria Magdalena. Über Jahrhunderte hinweg wurde sie in der katholischen Tradition zum Prototyp der reuigen Sünderin und ehemaligen Prostituierten gemacht. Jüngere Romane und Filme sehen in ihr die Geliebte Jesu. Das biblische Zeugnis hingegen zeichnet das Bild einer starken und mutigen Frau.

Maria Magdalena stammt, wie ihr Beiname verrät, aus dem galiläischen Ort Magdala. Indem sie diesen verlässt, um Jesus als alleinstehende Frau nachzufolgen, setzt sie ihre Eigenständigkeit unter Beweis. Fortan nimmt sie im Kreis der Jüngerinnen und Jünger eine zentrale Rolle ein. Als solche scheut sie die Konfrontation mit Schmerz und Trauer nicht und geht den Weg mit Jesus bis nach Golgota. Während die Jünger Reißaus nehmen, verlässt sie ihn selbst in seinen schwersten Stunden nicht. Die Kreuzigung war für politische Aufrührer und Unruhestifter vorgesehen. Indem Maria Magdalena sich zu Jesus bekennt, bringt sie sich selbst in Gefahr. Mutig geht sie das Risiko ein.

Das Johannesevangelium erzählt von der wegweisenden Begegnung zwischen Maria Magdalena und dem auferstandenen Christus. Traurig und erschüttert über die Ereignisse der vergangenen Tage kommt sie am Ostermorgen zum Grab. Verstört entdeckt sie, dass dieses leer ist. Da erscheint ihr Jesus und überträgt ihr die Aufgabe, den Menschen seine Auferstehung zu verkündigen. Die Begegnung am Grab zeichnet Maria Magdalena als Zeugin des auferstandenen Christus wie auch als Apostelin aus.

Insbesondere für Frauen ist Maria Magdalena eine Inspiration, die persönliche Berufung zu entdecken und eigenständig ihren Weg zu gehen. Sie ermutigt dazu, die Stimme zu erheben und für das Leben einzutreten. Gleichzeitig ist sie eines der vielen biblischen Beispiele, in denen traditionelle Geschlechterrollen kontrastiert und gesellschaftliche Machtstrukturen aufgebrochen werden. Sie ermahnt deshalb bis heute dazu, gesellschaftliche und kirchliche Strukturen so zu verändern, dass Frauen sich gleichberechtigt einbringen können und Gehör finden.

Maria Magdalena ist eine Hoffnungsträgerin – für Einzelne, für die Kirche und die Gesellschaft. Sie steht für einen Glauben an die Auferstehung, der keine passive Hoffnung vermittelt, sondern mit Veränderung rechnet und dem Leben mutig entgegengeht.

Noemi Honegger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialethik ISE der Universität Luzern und hat eine Faszination für biblische Frauengestalten

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