Ohne faire Löhne bleibt Journalismus Privileg

Medien Sender und Redaktionen bezahlen Jungjournalisten nichts oder zu wenig. Darunter leidet langfristig das Programm
Ausgabe 06/2020

Für lau arbeiten? Würden Sie das machen? Wenn’s um einen guten Zweck geht, dann vielleicht schon. Mal. Zwischendurch. Valide Informationen, Pluralismus und Demokratie sind doch ein guter Zweck, denken sich wohl einige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die junge Journalisten in Praktika umsonst arbeiten lassen. Seit November sorgt bei Twitter der Hashtag #unfÖR für Diskussionen. Tobias Hausdorf von der Evangelischen Journalistenschule in Berlin (EJS) stieß die Debatte mit den Worten an: „Ich wollt’s eigentlich nicht. Aber ich muss: über Geld und Journalismus reden.“ Elf der 16 Mitschüler bekämen für ihr aktuelles Praktikum im Hörfunkbereich kein Geld, schrieb er.

Aber warum fällt uns jungen Journalisten das eigentlich oft so schwer, über unsere Bezahlung zu sprechen? Eine Studie des Oxforder Reuters Institute und der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz ergibt, dass die junge Generation im Journalismus „besonders von Idealismus getrieben zu sein“ scheint. Zeigen, was schiefläuft. In einer polarisierten Öffentlichkeit für Ausgewogenheit sorgen. Da ist das Geld doch nicht so wichtig, oder?

Doch! Wichtig sind die Finanzen vor allem, wenn Medienhäuser wirklich die so gerne beschworene Diversität in ihren Redaktionen umsetzen wollen. Um die Gesellschaft besser abbilden zu können, würden Menschen mit Migrationshintergrund fehlen, junge Journalisten aus der ehemaligen DDR, aus ländlichen Regionen und jenseits der bildungsbürgerlichen Mittelschicht. Das geht nicht mit warmen Worten. Das geht unter anderem, indem man Einsteiger vernünftig bezahlt. Wie sollen sonst Menschen ihren Weg in den Beruf finden, die nicht von ihren Eltern durch die Ausbildung hindurchgesponsort werden (können)?

Während Unternehmen in anderen Branchen gezielt auf junge Menschen zugehen, haben viele Medienhäuser ihrem Nachwuchs gegenüber eine Art Konsumenten-Mentalität entwickelt: Junge Menschen sollen von sich aus kommen und im Bewerbungsverfahren Schlange stehen. Dazu kommt, dass die Voraussetzungen in Redaktionen sich konsequent in die entgegengesetzte Richtung der Wünsche und Ansprüche der Generationen Y und Z entwickeln, die gerade in die Branche eintreten. Work-Life-Balance, Flexibilität bei den Arbeitszeiten – damit winken Tech-Unternehmen und Start-ups. Über Redaktionen hört man eher: Arbeitsverdichtung, Wochenenddienste, schlechte Bezahlung, unsichere Arbeitsverhältnisse. Nicht in allen Häusern und allen Redaktionen läuft das so, aber es ist das Bild, das nach außen dringt. Chefredakteure und Journalisten in Leitungsfunktion bezeichnen laut der Studie das Ringen um Nachwuchs als eine der größten Herausforderungen für die Zukunft der Redaktionen. Eine populistische Forderung wäre, Geld bei den Intendanten-Gehältern abzuzwacken, damit junge Menschen nicht mehr für Luft und Liebe arbeiten müssen. Andersherum könnten Praktis sich kollektiv weigern, lächerlich bezahlte oder unvergütete Angebote anzunehmen. Da beißt sich allerdings die Katze in den Schwanz, denn dann würde vielen jungen Menschen ohne Netzwerk der Einstieg in die Branche wohl nicht gelingen.

Die EJS-Schüler wollen nun den Rückenwind der Twitter-Debatte nutzen. Sie rufen Berufseinsteiger dazu auf, Erfahrungen mit Praktika bei den Öffentlich-Rechtlichen zu teilen. Zu den verschiedenen Anstalten gebe es keine klaren Infos zur Bezahlung, bemängeln die jungen Journalisten. Aus den Rückmeldungen soll ein offener Brief entstehen, der Transparenz schaffen und die nicht zahlenden Anstalten unter Druck setzen soll. Hört sich an, als habe die Initiative fast Potenzial für eine Art „Skolstrejk för journalistik“.

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