Kosovo/Serbien: Die EU feiert ein Abkommen, das noch nicht unterschrieben ist

Meinung Meilen- oder Stolperstein? Die Konfliktstaaten Kosovo und Serbien haben zwar die Eckpunkte eines Kompromisses unter Brüsseler Vermittlung ausgehandelt, die Gebietskörperschaft für die serbische Minderheit im Kosovo allerdings ist fraglich
Ausgabe 10/2023
Nato-Truppen im Norden des Kosovo
Nato-Truppen im Norden des Kosovo

Foto: Marjan Vucetic/picture alliance

Da reibt man sich die Augen. „Gutnachbarschaftliche Beziehungen“ wollen Serbien und Kosovo künftig unterhalten, die beide vor zwei Monaten wieder einmal am Rand eines Krieges standen. Müssen wir unsere Vorurteile begraben?

Gemach. Was jüngst die EU als „Durchbruch“ gefeiert hat, stand bald darauf wieder in Frage. Man mag solche Rückschritte für normal halten mitten in Verhandlungen über ein Abkommen, das einen 30-jährigen kalten, zeitweise heißen Krieg beenden soll. Nur stehen die Chancen auf eine Einigung generell nicht gut. Kosovos Beitrag dazu soll sein, der serbischen Minderheit eine eigene Gebietskörperschaft zuzugestehen, mit gewählter Vertretung und eigenem Haushalt. Kosovo-Premier Albin Kurti will das nicht, seine Furcht ist nachvollziehbar, dass ein Staat im Kleinstaat entsteht, der – wie in Bosnien geschehen – den Gesamtstaat blockiert. Demagogisch dagegen ist Kurtis Beschwörung einer Bürgergesellschaft aus lauter Individuen, die keine kollektiven Rechte kennt. Das klappt nirgends im früheren Jugoslawien.

Serbien soll die Hoheitssymbole seiner einstigen Provinz anerkennen und der Präsenz des Kosovo in internationalen Organisationen nicht länger im Weg stehen. Beides ist annehmbar, aber auch ein bisschen billig: Zustimmen muss Belgrad etwa dem UN-Beitritt des Landes ohnehin nicht. Weiter blockieren kann aber Russland – und wird es tun. Der Effekt ist derselbe. Dringend gewünscht wird das Abkommen nur von der EU. Dem Kosovo können die Europäer zur Not eine Lösung oktroyieren. Wollte Kurti sich gegen den Westen stellen, würde sein Volk ihm kaum folgen.

Gegenüber Serbiens Präsident Aleksandar Vučić indes verfügen die Vermittler weder über Droh- noch Lockmittel. Würden sie im großen Stil Investitionen kappen und Vorbeitrittshilfen sperren, würde Moskau gewiss gern einspringen – gegen eine Militärbasis als Gegenleistung? Dass Serbien umgekehrt bei Wohlverhalten rasch in die EU aufgenommen würde, glaubt nur, wer Jahrzehnte auf dem Mond verbracht hat. Kommt es dennoch zur Unterschrift, muss sich nicht viel ändern. Der letzte Durchbruch in den Beziehungen ist zehn Jahre her. Seither stehen beide Seiten regungslos vor der durchbrochenen Mauer und starren sich feindselig an.

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