deutsches Tagebuch 5

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Die Fahrt verlief problemlos. Sie fuhr über Straßburg und übernachtete im schönen Burgund. Am späten Nachmittag des darauffolgenden Tages erreichte sie ihr Ziel. Die Orte, die sie durchquerte, schliefen schon seit Jahrhunderten. Goldgelbe Kornfelder und knorrige Steineichenwälder mit silbrigen Stämmen säumten den Weg. In einer kleinen Stadt, ganz in der Nähe ihres "Le Paradies" hatte sie für zwei Nächte ein Zimmer gebucht. Sie war der einzige Gast in diesem Hotel. Der Hotelier, ein runder, freundlicher Mann mit einem breiten Gesicht und offenen braunen Augen, empfing sie mit einem Schwall von lebhaften Worten. Trotz ihrer aufgebesserten Französischkenntnisse verstand sie nur ein Bruchteil dessen, was da wie ein munterer Bach vor ihr hinplätscherte. Aber soviel begriff sie: es ging um ihre Person und das Wetter. Ob es ihr gut gehe und das Wetter sei viel zu kalt für die Jahreszeit, was Heidelinde nicht so sah. Sie antwortete so gut sie konnte und es hätte nicht viel gefehlt und der kleine runde Mann hätte sie auf Händen in ihr Zimmer getragen.

Mit vor Erwartung geröteten Wangen fuhr sie am nächsten Tag in das Fleckchen "Le Paradies" ein. Die Junisonne gab dem Ort ein Licht, wie sie es noch nie gesehen hatte. Hell und funkelnd glitzerte es wie pures Gold an den träumenden Mauern der alten Häuser. Langsam und geräuschlos glitt der dunkle BMW durch die schmalen Straßen, an deren Rändern sich Stockrosen aus den Asphaltrissen drängten und Hühner nach Futter suchten.

Und dann sah sie die Frau. Sie wedelte mit auffällig weißen Händen in der Luft herum und wies Heidelinde einen Parkplatz gegenüber "ihrem" Häuschen zu, so sah es jedenfalls aus. Der große Wagen versperrte fast die gesamte Straße und Heidelinde kam sich fehl am Platz vor. Sie ließ das Seitenfenster herunter, um sich zu vergewissern, dass sie stehen bleiben könne und blickte in ein sehr helles Gesicht, in dem zwei tellerförmige blaue Augen wie Seerosen auf einem Teich schwammen. Und sie hörte die ihr schon vertraute Engelstimme sagen, wie sehr sie, Magalie, sich freue Heidelinde begrüßen zu können. Heidelinde stieg aus und kam sich mitsamt ihrem schweren Wagen ungelenk und bäurisch vor. Magalie schwebte eher als das sie ging vor Heidelinde her und ihre hohen Absätze verursachten auf dem grauen Asphalt ein eintönig klickendes Geräusch.

Der Schlüssel, mit dem Magalie die schwere, von vielen Jahren Regen und Sonne verblichene Holztür aufschloss, drehte sich schwerfällig und widerspenstig um sich selbst. Voller Spannung betrat Heidelinde einen schattigen Innenhof. Grün bemooste Kieselsteine knirschten unter ihren Schuhsohlen. Sie war entzückt. Da war ein kleiner Teich, gleich links von ihr, umgeben von satten Fettgewächsen. Aus allen Ecken wucherten Oleander, Rosmarin und Thymian, betörten sie mit ihrem Duft, dazwischen leuchteten üppige rote und weiße Stockrosen, so dass Heidelinde taumelte und Halt suchte. Aber sie fing sich wieder, denn die Sonne hüllte sie mit ihren wärmenden Strahlen ein und verzaubert folgte sie der zarten Gestalt, die sie in das Haus führte.

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Geschrieben von

Novalis

lebt halb in Frankreich, halb in Deutschland, suchte die Blaue Blume, fand sie und erkannte, dass Realität Illusion ist und Illusion Realität.

Novalis

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