Französische Provinz

weit weg wirklich nichts Weltbewegendes und doch bemerkenswert, weil im Kleinen passiert oft mehr als man denkt.

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Da bekamen wir also einen Rundbrief von unserem Bürgermeister, wir, in unserem kleinen französischen Dorf in der tiefen Provinz der Charente-Maritime, wo die Fensterläden der Häuser immer geschlossen sind und Kinder eine absolute Seltenheit. Unser Dorf besteht zu 50% aus englischen Rentnern, der Rest aus Franzosen, die so alt sind, dass sie ihre Häuser nicht mehr verlassen können. Wir als Deutsche sind so Tänzer mitten drin. Aber zurück zum Brief des Bürgermeisters.

Zum ersten möchte er, dass der Müll erst am Vorabend der Abholung an der Straße deponiert wird und nicht schon Tage vorher, denn Ratten und Katzen finden so Müll ganz toll. Dann erzählt er in dem Brief von den vielen leer stehenden Gebäuden im Dorf und ob nicht Jemand eine Idee hätte, was man damit anfangen könne. Und außerdem könne man sein Geld auch bei der Gemeinde anlegen, mit 0% Zinsen, aber das sei ja mehr oder weniger ohnehin üblich bei den Banken und für das Dorf sei das Geld doch gut angelegt. Außerdem sei da noch ein alter Gebäudekomplex mitten im Dorf und die ganze Gemeinde könne gemeinsam darüber nachdenken, was man damit machen könne. Und da wir nur noch 150 Leute sind in dieser Gemeinde, davon vielleicht 50 die noch aufrecht stehen können, davon 25, die anständig französisch sprechen können, es bleibt also ein überschaubarer Kreis, der sich mit diesem Projekt beschäftigen könnte.

Ej, dabei hat diese Gegend ein Riesen-Potential: Diese Ruhe - dieser weite Himmel, diese göttlichen Farben der Landschaft und der Steine, mit denen diese Häuser gebaut sind, diese Dörfer, die die Grimmschen Märchen widerspiegeln, jede Menge alter verlassener Häuser ... . Da ist zb die alte Grundschule aus dem 19ten Jahrhundert, frei, verlassen, wir können dort machen, was wir wollen. Wir, dh die, die in diesem Dorf übrig geblieben sind. ( Noch in den 70ger Jahren wohnten hier über 2000 Menschen) Und da sind noch mehr Möglichkeiten, wo wir, die Dörfler entscheiden, was wir mit dem Dorf machen. Das ist alles ganz nah und ich bin gespannt, was daraus wird. Es ist erstaunlich, was in so kleinen Systemen möglich ist.

Ich kann mir gut vorstellen, dass für die Flüchtlinge dieser Welt hier viel, viel Platz wäre , ist.

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Geschrieben von

Novalis

lebt halb in Frankreich, halb in Deutschland, suchte die Blaue Blume, fand sie und erkannte, dass Realität Illusion ist und Illusion Realität.

Novalis

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