Schwierigkeiten in der Idylle

Frankreichtagebuch Es wäre grotesk zu glauben, es gäbe keine Schwierigkeiten hier. Sie sind anders gelagert. Ich werde ein Beispiel schildern und vielleicht hilft das

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Bisher habe ich weitgehendst süßliche Geschichten über das Leben in der tiefen Provinz Frankreichs geschrieben. Sie sollten der Erbauung dienen. Heute blogge ich mal ein dickes Problem. Ich muss etwas ausholen, damit alles verständlich wird.

Da sind Aline und Klaus, die nicht weit weg von uns wohnen. Klaus ist durch einen Arbeitsunfall von der Hüfte ab an gelähmt und sitzt im Rollstuhl. Auch die Hände kann er nur mit Hilfsmitteln bewegen. Er ist komplett auf Hilfe angewiesen. Aline, seine Frau, ist Krankenschwester und um einiges jünger als er. Sie beschlossen, nach seiner Pensionierung ihr Domizil in Deutschland aufzugeben, um ganz in diese französische Provinz umzusiedeln. Sie glaubten fest daran, weil man es ihnen auch versicherte (ich weiß nicht wer), dass die Betreuung von Klaus absolut gewährleistet sei. Klaus ist ca. 1.90 groß und entsprechend schwer.

Aline wollte in der Gegend Arbeit suchen als Krankenschwester (Anästhesie). Sie hatten sich so in diese Gegend verliebt, in diese Weite und diese Ruhe. Sie konnten die Hektik einer Großstadt im Ruhrgebiet nicht mehr ertragen. Beide sprechen fließend Französisch, an Geld mangelt es auch nicht. Die Barmer zahlt einen erheblichen Betrag für die Betreuung. So what?

In der Kantonsstadt Aulnay gibt es die"CCAS", comité contonal d'action sociale. Die haben ein staatliches Pflegemonopol. Da arbeiten vorwiegend Frauen ohne jegliche Ausbildung.

Klaus und Aline erhofften sich durch die CCAS eine zuverlässige Betreuung. Das schlug völlig fehl. Die Pflegekräfte kamen unregelmäßig, ohne sich rechtzeitig abzumelden.

Einmal musste Aline wegen einer Erbschaftsangelegenheit für zwei Tage in ihre Heimatstadt nach Deutschland fahren. Sie glaubte durch die CCAS sei die Betreuung von Klaus gesichert. Eine Nachbarin rief sie mittags an, dass die Fensterläden bei ihnen noch immer geschlossen seien. Die Nachbarin schaute nach und Klaus lag hilflos im Bett und hatte selbst sein Handy nicht griffbereit, weil er sich auf die morgendliche Pflege verlassen hatte, die, ohne sich abzumelden, geschweige denn für Ersatz gesorgt hatte, weg blieb.

Aline beschwerte sich. Ohne Erfolg. Nun hat sie vielleicht die Möglichkeit in einem Krankenhaus einen Job zu bekommen. Sie hat Prüfungen machen müssen und sehr gut abgeschnitten.

Seit zwei Monaten hat die CCAS ihren Dienst bei Klaus gekündigt und Aline pflegt ihren Mann allein. Sie hat Rückenschmerzen und auch sonst geht es ihr nicht gut. Sie kann die Pflege nicht auf Dauer allein leisten. Ich fragte sie, ob sie den Umzug bereue und sie antwortete mit einem klaren:Ja.

Klaus jedoch möchte bleiben. Nun denken sie über die berühmte polnische Lösung nach. Ich persönlich glaube, dass die Pflege eines so schwer Behinderten für die unausgebildeten Frauen der CCAS drei Nummern zu groß ist. Und Verantwortung, das habe ich schon öfters erlebt, ist hier abhängig von Seilschaften und sich beugen können. Weder Klaus noch Aline können sich gut beugen. Sie sind da sehr deutsch und pochen auf ihr Recht, eine Haltung, die hier so gar nicht funktioniert. Das wiederum ist eine Erkenntnis, die ich nicht einfach so weiter geben kann.

Aber ich möchte ihnen helfen. Die CCAS, die ein Pflegemonopol haben, sind wohl nicht in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen. Gäbe es die Möglichkeit z.b. auf diese Weise für junge Leute aus Deutschland ein soziales Jahr zu machen? Es würde gut für sie gesorgt werden. An wen wendet man sich da?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Novalis

lebt halb in Frankreich, halb in Deutschland, suchte die Blaue Blume, fand sie und erkannte, dass Realität Illusion ist und Illusion Realität.

Novalis

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden