Apache 207 mit „Gartenstadt“: Discokugel-Rap ohne neue Ideen

Hip Hop Apache liefert auf seinem neuen Album „Gartenstadt“ jede Menge tanzbare Beats, erzählt von früher, hadert mit dem Ruhm. Nur eins tut er nicht: sich etwas Neues einfallen lassen
Ausgabe 24/2023
Rapper Apache 207: So erfolgreich, dass ihm langsam langweilig wird
Rapper Apache 207: So erfolgreich, dass ihm langsam langweilig wird

Foto: picture alliance/Jazz Archiv/Rainer Merkel

Am Tag, bevor sein neues Album erscheint, hat Apache gute Laune. Jedenfalls, wenn man seiner Instagram-Story glaubt. Da sitzt er auf dem Beifahrersitz eines BMW und zoomt auf die Landkarte im Navigationsgerät: Gartenstadt. Nach dem Ludwigshafener Stadtteil, in dem der 25-jährige aufgewachsen ist, benannte er sein drittes Studioalbum. Im Vorfeld keine Interviews, keine Promoaktionen, selbst an ein Presseexemplar zur Rezension war kein Herankommen. Die Blicke ins Innere des Apache-Imperiums bleiben rar. Versinnbildlicht wird das durch die dunkle Sonnenbrille, die der Rapper bei jedem öffentlichen Auftritt trägt. Schließlich seien die Augen das Tor zur Seele, erklärte er in einem Amazon-Dokufilm über sein Leben. Von der solle man nur sehen, was er bereit sei, zu offenbaren.

Auf „Gartenstadt“ ist das mal wieder wenig. Routiniert erzählt er von seinem Weg aus den ärmlichen Verhältnissen des heimischen Plattenbaus auf den Gipfel des Musik-Olymps. Kennt man. Einem, der Whams „Last Christmas“ als am längsten chartende Single der deutschen Musikgeschichte vom Thron gestoßen hat, glaubt man gern, dass ihm langsam langweilig wird. Zwischen den Millionen habe er sich verloren, die Flure seiner Villa finden kein Ende, nicht mehr seine eigene, sondern anderer Leute Mütter putzen jetzt Toiletten. Während sie als Kinder noch gemeinsam das Treppenhaus vollqualmten, raucht er heute allein, „der Qualm schafft's nicht mehr bis zur Decke rauf“. Die akustische Version der denkwürdigen Szene in der Doku, als er in einem barocken Schlosssaal unter einem Deckenfresko sitzt und versichert, früher sei sein Leben schöner gewesen.

Poppige Beats unterlegt mit einer Prise Klassenkitsch

Unterlegt ist die Story des nachdenklichen Aufsteigers aber nicht nur mit einer guten Prise Klassenkitsch, sondern vor allem mit launigen, poppigen Beats, die an längst vergangene Sommer erinnern. Der tanzbare 80s-Sound gehört schließlich mindestens so sehr zu Apaches Markenzeichen wie die langen Haare oder das weiße Tanktop. Spaß macht es schon, wenn er wie in „Breaking your heart“ oder „Ein letztes Mal“ mit rauer Stimme über die Synthesizer brettert. Aber sich musikalisch so richtig was einfallen lassen hat er nicht. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier nach altbewährtem Rezept gekocht wurde.

Das besagt im Übrigen auch: auf jedes Deutschrap-Album gehört ein Liebessong, am besten aus Herzensbrecherperspektive, man ist schließlich ein Star. Auf „Gefunden“ heißt es also: „Wann sahen wir uns das letzte Mal? Ich weiß nicht mehr/ Denn Sex ist Sex für uns, das heißt, nicht mehr/ Doch manchmal frag ich mich, wie's gemeinsam wär/ Doch Baby, ich weiß nicht mal, ob ich dreißig werd“. Rock'n'Roll, gewissermaßen. Als einziger Featuregast ist standesgemäß Udo Lindenberg vertreten. Im Duett „Komet“ lässt Apache wissen: „Wenn ich geh, dann so wie ich gekommen bin, wie ein Komet“. Die Metapher passt. Gerade einmal fünf Jahre ist die Debütsingle „Kleine Hure“ her, nach der sich alle Augen auf Apache richten. Seitdem 25 Gold-, sieben Platin- und eine Diamantschallplatte, zwei Milliarden Streams, fünf Awards, eine in Minuten ausverkaufte Tour.

Im nächsten Post in der Instagram-Story, einen Tag vor Veröffentlichung von „Gartenstadt“, sitzt er breit grinsend an einem Frisiertisch. Seine Mutter, anonymisiert durch ein Königin-Emoji, flicht ihm die Haare. „Kurzer Boxenstopp“, Herzchen. Vielleicht auch Inspiration tanken für das vierte Album, neue Geschichten erleben, mehr Sound-Experimente wagen? Man kann es nur hoffen.

Apache 207 Gartenstadt, TwoSides 2023

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Geschrieben von

Özge İnan

Redakteurin, Social Media

Özge İnan hat in Berlin Jura studiert. Währenddessen begann sie, eine Kolumne für die Seenotrettungsorganisation Mission Lifeline zu schreiben. Nach ihrem ersten juristischen Staatsexamen folgten Stationen beim ZDF Magazin Royale und im Investigativressort der Süddeutschen Zeitung. Ihre Themenschwerpunkte sind Rechtspolitik, Verteilungsfragen, Geschlechtergerechtigkeit und die Türkei.

Foto: Léonardo Kahn

Özge İnan

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