Am 23. Juni sollen die Gelder für die nächste Projektphase des „Future Combat Air Systems“ (FCAS) vom Bundestag freigegeben werden. Dabei handelt es sich um das aktuell wohl wichtigste europäische Rüstungsvorhaben, bei dem ein Kampfflugzeug im Zentrum steht, das von bewaffneten und unbewaffneten Drohnenschwärmen begleitet werden soll. Neben Deutschland sind auch Frankreich und (als Juniorpartner) Spanien an dem Projekt beteiligt, dessen Gesamtkosten – je nach Schätzung – zwischen 100 Mrd. und bis zu 300 Mrd. Euro beziffert werden. Der Erstflug ist für 2035 und die Erstauslieferung sogar erst für 2040 vorgesehen. Zuvor geht es nun aber um die Freigabe der Gelder für die Projektphase 1B (bis 2024) und Phase 2, die bis zur F
se 2, die bis zur Fertigstellung eines Prototyps („Demonstrator“) 2027 gehen sollen.Derzeit handelt es sich beim FCAS wie erwähnt zwar noch um ein Projekt dreier Staaten, perspektivisch sollen aber möglichst viele weitere Länder mit ins Boot geholt und das Luftkampfsystem offiziell unter EU-Fahne verfolgt werden. Dies dürfte wohl über eine Aufnahme in die sogenannte „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (engl. PESCO) geschehen, ein relativ neuer Mechanismus, der unter anderem der Anbahnung länderübergreifender EU-Rüstungsprogramme dient. Dabei dürfte auch der Europäische Verteidigungsfonds (EVF) ins Spiel kommen, der offiziell am 30. Juni 2021 mit knapp 8 Milliarden Euro bis 2027 an den Start geht. Der EVF finanziert die Erforschung und Entwicklung länderübergreifender EU-Rüstungsprojekte, wobei PESCO-Projekte bevorzugt behandelt werden. Dadurch ist er also fast maßgeschneidert für Großprojekte wie das FCAS.Eines der mannigfaltigen Probleme, vor denen das Projekt steht, ist aber dennoch seine Finanzierung. Ursprünglich wurden die Kosten bis zur Fertigstellung des Prototyps im Jahr 2027 auf 9 Milliarden Euro geschätzt. Wie bei Großprojekten inzwischen allerdings üblich, wurde dieser Rahmen aber schon jetzt deutlich überschritten: Mitte Juni wurde gemeldet, der Betrag würde wohl auf 13 Milliarden Euro steigen. Der deutsche Anteil daran beläuft sich auf rund 4,5 Milliarden Euro, was auch der Betrag ist, den die Bundestagsabgeordneten am 23, Juni allein für das FCAS freigeben sollen. Allerdings ist das Verteidigungsministerium nicht der Auffassung, dass dieses Geld auch aus seinem Haushalt stammen soll.Die Abgeordneten wissen nicht, worüber sie entscheidenVor diesem Hintergrund scheint es dem Verteidigungsministerium in teils äußerst ruppigen Auseinandersetzungen gelungen zu sein, trotz der üppigen Etatsteigerungen der letzten Jahre unter Verweis auf das FCAS (und weitere Großprojekte) nochmal mehrere Milliarden zusätzlich herauszuschinden. Über was genau die Bundestagsabgeordneten übrigens am 23. Juni abstimmen werden, wissen sie selbst nicht: Wie der Bundesrechnungshof Mitte Juni kritisierte, sollen die Parlamentarier über die Phase 1B entscheiden, obwohl „weder die Konzeptstudie noch die Phase 1A bisher beendet werden konnten und abschließende Ergebnisse insofern nicht vorliegen.“ Ferner könnten die Abgeordneten die Risiken in keiner Weise beurteilen, schließlich konnte „dem Parlament noch kein endverhandeltes Vertragswerk vorgelegt werden“, so der Bundesrechnungshof weiter. Auch aus der Bundeswehr selbst kommt teils Kritik an dem Projekt. So wurde Anfang Juni über ein internes Bundeswehr-Papier berichtet, das zu dem vernichtenden Urteil gelangte, der aktuell in Verhandlung befindliche Vertrag sei „nicht zeichnungsreif“. Er sei „nicht im deutschen Interesse“, da er fast ausschließlich „französischen Positionen genügen“ würde.Die Bundestagsabgeordneten können dies nicht beurteilen, da ihnen das Vertragswerk nicht vorliegt – allein das sollte bereits genügen, um dem Projekt die Zustimmung zu verweigern. Es steht allerdings zu befürchten, dass alle Bedenken von den Abgeordneten einmal mehr weggewischt werden, weil es sich hier um eine Art Pilotprojekt handelt, dem von politischer Seite immense Bedeutung zugemessen wird. In der aktuellen Ausgabe der Internationalen Politik, dem Zentralorgan des außenpolitischen Establishments im Lande, heißt es dazu: „Strategisch gesehen wird das Luftkampfsystem der Zukunft der Testfall schlechthin für eine europäische Sicherheitspolitik sein. […] Der Druck auf die deutsche Regierung also ist immens, denn in diesem Sommer tritt FCAS in die entscheidende Planungsphase. […] FCAS war von Beginn an eher ein politisches denn ein militärisches Konzept, und vielleicht liegt darin ein Geburtsfehler. […] FCAS ist keine freiwillige Industriekooperation, sondern ein Projekt der politischen Machtzentren in Paris und Berlin.“So scheint es erforderlich, Druck auf die Abgeordneten auszuüben, damit sie das tun, was eigentlich auf der Hand liegen sollte: das FCAS zu versenken. Hierfür hat das Netzwerk Friedenskooperative die Kampagne „100 Milliarden Euro für neues Luftkampfsystem „FCAS“? Wir sagen NEIN und werden aktiv!“ gestartet. Sie trägt Informationen zusammen, fordert aber auch dazu auf (und bietet Hilfestellung), sich im Vorfeld der Abstimmung an seine lokalen Abgeordneten zu wenden. Der Grund ist nicht nur die Gefahr, dass hier etliche Milliarden in den Sand gesetzt werden, die anderweitig dringend benötigt werden. Denn wie das Netzwerk Friedenskooperative außerdem betont, handelt es sich beim FCAS auch um eine gefährliche Entwicklung in Richtung automatisierter KI-Kriegsführung: „FCAS soll die allerneuesten Technologien der Kriegsführung vereinen. Dazu gehören autonome Drohnen, die als Begleitflugzeuge dienen sollen, aber auch als bewaffnete Drohnen eingesetzt werden können. Dies würde bedeuten, dass der Bundeswehr bewaffnungsfähige Drohnen zur Verfügung stehen würden. FCAS ist daher ein weiterer Schritt Richtung automatisierter Kriegsführung. Zudem soll die ‚Combat Cloud‘ in ihrer Datenverarbeitung teilweise durch Künstliche Intelligenz (KI) gesteuert werden. Es bleibt lediglich zu hoffen, dass eine Welle der Vernunft durch die Reihen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages zieht und dieser Wahnsinn gestoppt wird, bevor er richtig losgeht.“