Maßlos patent

Streit um Mais Die jüngste Rücknahme eines Patents auf ölhaltigen Mais ist zugleich ein Signal für die Gentechnik

Merklich gereizt eröffnet der Vorsitzende die Verhandlung im überfüllten Konferenzsaal des Münchener Patentamtes, denn für so viel Publikum ist der Raum gar nicht vorgesehen. Dann jedoch kommt der Belgier Bart Claes ohne weitere Umschweife zum Thema: Vertreter der mexikanischen Regierung, von Greenpeace und des katholischen Hilfswerks Misereor fechten ein Patent des US-amerikanischen Mischkonzerns DuPont auf besonders ölhaltigen Mais an. Zehn zähe Verhandlungsstunden später hat der Konzern in erster Instanz sämtliche Rechte an einem Produkt, dessen Entwicklung ihn mehrere Millionen Dollar kostete, verloren. Beglückt reichen sich Umweltschützer, Entwicklungshelfer und Interessenvertreter aus Mexiko und Peru nach der Verhandlung die Hände.

Erst später macht sich Ernüchterung breit. Zwei Tage nach der Entscheidung wird der Gentechnikexperte Christoph Then den Fall für Greenpeace nur noch als Teilerfolg werten. Sein vorläufiges Resümee klingt, als wären gar die Patentgegner gescheitert: »Um so energischer fordern wir die Bundesregierung jetzt auf, die Europäische Patentrichtlinie nicht wie angekündigt bis zum Sommer in deutsches Recht zu übernehmen. Wir fordern neue Verhandlungen auf europäischer Ebene.« Was war geschehen?

»Maiskörner und Maisprodukte mit verbessertem Ölgehalt« - der schlichte Titel des europäischen Patents EP 0744888, über dessen Rechtmäßigkeit vergangenen Mittwoch in München verhandelt wurde, klingt wenig spektakulär. Doch die ungewöhnliche Allianz der Patentgegner hat sich mit dem im August 2000 erteilten Patent ein Aufsehen erregendes Beispiel gesucht, denn die möglichen Folgen scheinen ungeheuerlich: DuPont wolle sich, so Then, mit dem in 80 Ländern beantragten Patent weitgehende Rechte an den meisten weltweit verbreiteten und vor allem in Lateinamerika angebauten Maissorten sichern. Dadurch würden, sekundiert der aus Mexiko angereiste Wirtschaftswissenschaftler Alejandro Nadal, die Mehrzahl der vom Maisanbau abhängigen Kleinbauern und große Teile der verarbeitenden Industrie Lateinamerikas zu Lizenzabgaben an DuPont gezwungen werden.

»In den Entwicklungsländern werden Kulturpflanzen seit Jahrtausenden weitergezüchtet und entwickelt«, fasste am Vorabend der Verhandlung Bernd Nilles von Misereor die Entwicklung zusammen. »Dann kommt ein Konzern wie DuPont, verändert eine Pflanze geringfügig und erhält dafür ein Patent. Am Ende müssen die Landwirte in den Herkunftsregionen für Saatgut und Produkte aus diesen Pflanzen teure Lizenzen und überhöhte Preise an die international agierenden Konzerne zahlen. Das ist für uns ein unglaubliches Missverhältnis.« Das Ölmais-Patent von DuPont sei ein klarer Fall von »Raub der biologischen Vielfalt« und »Biopiraterie«.

Ausgangspunkt der Kritik am konkreten Patent ist, dass die Produktansprüche so allgemein formuliert sind, dass nicht nur die Rechte an einer bestimmten Maissorte betroffen sind. Zwar wird darin auch ein Verfahren beschrieben, mit dem besonders ölhaltiger Mais durch Kreuzung chemisch mutierter Pflanzen herstellbar ist. Doch unabhängig davon erhebt die Patentschrift auch Anspruch auf jeglichen Mais mit einem Ölgehalt von über fünf Prozent und mehr als 55 Prozent Ölsäure - ganz gleich auf welche Weise dieser Mais entstanden ist. Dabei weist der Patentantrag selbst darauf hin, dass auch Mais aus den sortenreichen Herkunftsgebieten Lateinamerikas einen Fettsäureanteil bis zu 64 Prozent enthalten kann, ganz ohne gentechnische Veränderung.

Aus dieser Perspektive ist das Ölmais-Patent der Versuch, bereits existierende Pflanzen zu patentieren und sich die zukünftigen Rechte an den Produkten - vom hochwertigen Speiseöl bis hin zum Tierfutter - zu sichern. Deshalb hob Kläger-Anwalt Daniel Alexander immer wieder hervor, der Konzern beanspruche etwas, das nicht neu, sondern bereits vorhanden sei. Die nachgewiesene »Erfindung« ist nach den Grundlagen des Europäischen Patentrechtes aber Voraussetzung, um eine Patent zu erteilen.

Doch im gediegenen Konferenzsaal des Patentamtes kommt alles ganz anders. Während die Widerspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes (EPA) im vergangenen Juli noch zu einer ähnlichen vorläufigen Einschätzung gelangte wie die Kläger, teilen die Mitglieder der Einspruchsabteilung diese Zweifel nicht. Die Neuheit der Erfindung, so Claes, lasse sich nicht alleine mit dem Hinweis auf eine Patentschrift in Frage stellen. Zwar konzediert er, dass möglicherweise schon vor der Erteilung des Patents Mais von vergleichbarer Qualität existiert habe, doch die Einspruchsseite habe dafür keine entsprechenden Beweise vorlegen können. Die Beweislast jedoch liege nach der Europäischen Patentübereinkunft bei den Patentanfechtern. Auf den Gesichtern der Kläger zeichnet sich Resignation ab.

In den folgenden Stunden versucht der Anwalt der Klage, Daniel Alexander, mühsam, weitere Mängel der Patentschrift nachzuweisen. Am Ende folgt ihm die Widerspruchsabteilung des EPA unter anderem darin, dass die von DuPont reklamierten und patentierten Herstellungsverfahren keine Erfindung im engen Sinn darstellen, denn bei der Kreuzung chemisch veränderter Pflanzen handle es sich im Wesentlichen um biologische Vorgänge. Biologische Verfahren seien im Gegensatz zu (gen)technischen Neuerungen aber ausdrücklich von der Patentierung ausgeschlossen.

Damit scheinen die Patentgegner, die den Prozess schon verloren wähnten, am Ende doch noch Recht zu bekommen. Die Spannung der vergangenen Stunden löst sich. Lisa Convantes von Greenpeace in Mexiko kann beim eiligen Telefonat in die Heimat ihre Freude kaum im Zaume halten: »Maria, Maria wir haben es geschafft, sie haben auf ganzer Linie verloren, in allen Punkten!«, schallt es durch die Flure des Patentamtes. Erst mit Verspätung erkennen die Patentkritiker die überraschende Pointe des Urteils: Hätte DuPont sich zur Herstellung von hochölhaltigem Mais ein eindeutig gentechnisches Verfahren patentieren lassen, wäre das Patent bestätigt worden. Deshalb wertet Christoph Then die Entscheidung am Ende nur noch als Teilerfolg für die Kampagne »Kein Patent auf Leben«.

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