Von Korrespondenz und gelebter Kommunikation

Bewusstseinswechsel Jetzt jahreswechselt es sehr. All überall überantworten wir uns das Gute. Das Weise, das Starke, das Schöne. Die Kanäle senden und empfangen und wir teilen uns, zer- sims

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Von Korrespondenz und gelebter Kommunikation

Foto: Mladen Antonov/AFP/Getty Images

Gern gebe ich mal den Peter Lustig aus dem TV-Kinderprogramm meiner "Pusteblume"-Pubertät hier im Freitag-Internet, der zum Umschalten gewinnen möchte und es selbst schwer aussschalten kann.

Ein begrifflicher Unterschied von Korrespondenz und Kommunikation ist vielleicht gerade noch zu erhaschen, obwohl in der getriebenen Lebenspraxis diese Quellagenten des eigenen Bewusstseins allzuleicht alltäglich ineinander und so auseinander fließen. Ein Schwindel-Durcheinandersein. Doch der Flow des vermeintlich medialen Sozialbewusstseins ist eine fast perfekte Illusion. Es gibt kein wirkliches Bewusstsein außer das eigene. Wir können den Angelpunkt der Welt nur in unserem eigenen Bewusstsein befestigen. Alle Rattenfänger-ismen, vorgebauten "Alternativen" und ihre scheinbar ausgechorenen Vordenker ersetzen nicht das eigene Voraus- und Über-Denken: Der ureigenen Denklichkeit fehlt manchmal das Nach.

Die Geschäfte und Plattformen nehmen für sich in Anspruch, die Erlebnisse, Kommunikation und Anerkennung bereit zu ermöglichen, nach denen jeder sich sehnt. Ein Kurzfilm, sehr verbreitet von den Netzfrauen, machte im Juni 2014 Karriere und zeigte, wie sich unsere Köpfe alltäglich im Sinkflug befinden. Auch im Kino viel zu sexy: Die Hungergames kommen vom Herzen gejagt, das Synkopen erleidet beim Flow der gepumpten Verbindungsaufnahme. Intuition tastet im Dunkeln so vor sich hin, vor so viel Verstrahlung mit Scheinwerferverlockung. Hauptsache ich erscheine im richtigen Licht. Und sei es ins Schwarzlicht getaucht, es mich abbildet vor mir, vor dem Anderen. Ich fühle mich jetzt deprimiert wie ein Botho-X Strauß, der die Sorgenfalten unterfüttert bekommen hat. Das Botox wirkt. Viele Likes and Friends glätten mein Gemüt. Es weihnachtet sehr. Und überall auf den Wahrnehmungspeaks, nadelt es mich pieksig an. Das ist wunder bar jedes erhabenen Mitgefühls. Der Glaube an mein eigenes Bewusstsein ist mir heilig. Döse so weg, gleite hinab in ein Katzenfrau-Träumchen: Befinde ich mich im Jennifer-Lawrence-Tanz under The Hanging (Christmas) Tree. Released. Erlöst.

Ein Schwindel-Durcheinandersein.

Megaupload, Verbindungsfehler, schlechter Datendurchsatz und unterbrechnungsfreie Verfügbarkeit, Waren-gleich. Wie "unterbrechnungsloseFremdbewusstseinstromversorgung", Ein deutschlanges Wort von lückenloser Ausweglosigkeit. Und so wird gegoogelt, gepostet, gechattet, gesimst, gephonet, gebrieft, geemailt, gesmiled, gescannt, gezielt, geschossen, gesendet, geshared, geblendet, geglotzt, gesinglet und gekauft. Dafür ist alles schön zugerichtet, kanalisiert eingezäunt, gebündelt und geliefert. Sind alle ausgeliefert, ist keiner mehr da.

...deprimiert wie ein Botho-X Strauß, der die Sorgenfalten unterfüttert bekommen hat...

Die "sozialen Medien" des Internets und die E-Mails können uns der Korrespondenz dienen und es gibt manchmal einen Austausch mit so tollen "Briefwechseln" wie zu den Zeiten als an Telegramm, Telefon und Handy noch nicht zu denken war. Und: Ja, Freunde in der Ferne sind leichter erreichbar.

Aber die wahre Kommunikation findet statt, wenn wir uns persönlich begegnen, gemeinsame Erlebnisse wirklich erleben (keine Gelebnisse) und unsere unmittelbare Gegenwart spüren:

In echter Begegnung reichen wir uns die Hand und sagen uns das Wahrhaftige, welches wir mit Gestik, Mimik und Präsenz befördern. Das führt uns näher an ein freies Verständnis und ein gemeinsames Selbst-, Fremd- und Welterlebnis, das nicht technisch kanalisiert und von anderen vorausstrukturiert ist.

Die ureigensten Wege in der Welt laufen wir fernab von Straßen, Schienen und Flugverkehrsrouten. Das persönliche Navi in Kopf , Sinnen und Herz entscheidet, wohin die eigene Reise geht. Schön, wenn man das Glück hat, sich dabei zu begleiten und zu begegnen.

Sind alle ausgeliefert, ist keiner mehr da.

Ich wünsche mir für 2015, häufiger die kleinen Fenster und Türen zu entdeckten zu den Freiräumen, die mich vom Korrespondieren zum Kommunizieren schicken. So ähnlich wie in dem Stufen-Gedicht von Hermann Hesse. Ganz in unserer Nähe ;-)

In diesem Sinne sei allen eine schöne Zeit gewünscht, jetzt in diesem für einige heilgen Augenblick und in weitergezählter '15er Zukunft der Kalendersprüche. Mein lieber "Adoptiv-Bruder" Charlie Chaplin, ich seh Dich vor mir am Zeiger hängen auf meiner Flatscreen, wie damals in meiner Philo-Abi-Klausur. Im Bewusstsein kreuzt und kreiselt sich die Zeit schon mal. Ich bin in der Zeit. Und höre den Jobim-Song "Waters of March", der wie kein anderer für mich den Bewusstseinstrom fließen lässt. Es jahreswechselt sich schon irgendwie. Weiter so anders, wie Hesse selber spricht, vielleicht: "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben..."

Oliver Barckhan

Autor Oliver Barckhan lebt in Hamburg.
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E-Mail: Oliver.Barckhan@oliverbarckhan.com
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Oliver Barckhan

Oliver Barckhan, Hamburg.

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