(Hier geht es zur Fotoreportage von Tobias Kruse.)
Oliver Gehrs: Wie bist du darauf gekommen, für unser DUMMY-Magazin in eine Behindertendisko zu fahren?
Tobias Kruse:
Ich hatte in Güstrow früher als Zivildienstleistender mit Behinderten zu tun, daher wusste ich noch, wie sehr es da abgeht.
Also ein guter Job?
Absolut. Es ging ja auch vorrangig um die Bilder. Als Fotograf will ich natürlich auch eigenständige Geschichten machen und nicht nur die Bebilderung zu Geschichten liefern. Das klappt mal besser und mal schlechter und hängt natürlich auch sehr von den Umständen ab. Ich war gerade für ein Magazin zehn Tage in Dubai: eine schrecklich langweilige Stadt, in der man sich nur jeden Abend mit dem Inhalt der Minibar abschießen kann.
Ich wollte da ein Gefängnis von außen fotografieren und plötzlich kamen Sicherheitsleute und sagten: Komm doch mal mit rein, da kannst du es dir auch mal von innen anschauen. Die haben mich und einen Autor dann ganz behutsam verhört. Am schlimmsten war eigentlich unser Dolmetscher, der immer wieder schrie: Die lassen uns hier nie wieder raus! Was totaler Quatsch war, aber sich durch seine Hysterie fast bestätigt hätte.
Wie wichtig ist denn, dass man sich gut mit dem Autoren versteht?
Wenn man ein paar Wochen gemeinsam unterwegs ist, ist es gut, wenn der Journalist cool und nicht so ängstlich ist. Ich meine jetzt nicht mal solche Situationen wie in Ägypten. Ich war mal für euch mit einer Horde hormongepeitschter Teenager an der Costa Brava. Wenn du eine Woche in einem Hotel kaserniert bist, in dessen Pool Wiener Würstchen schwimmen, musst du schon jemanden haben, mit dem du dich gut verstehst.
Wart Ihr da undercover?
Ja, wir haben uns selbst ein bisschen pubertär gegeben und aus Gründen der Tarnung schon morgens im Bus Alkopops getrunken und Lieder von den Atzen gesungen …
Du fotografierst besoffene Jugendliche in Lloret de Mar, Schwule im Bett, Behinderte beim Tanzen – alles Motive, die man in der Presse nicht so häufig sieht.
Eigentlich ist das ja der Alltag. Aber es gibt schon viele Redaktionen, die bei solchen Geschichten Angst haben, dass ihr Ruf Schaden nimmt und sich Leser aufregen. Da gibt’s viel Hasenfüßigkeit, und die macht die Blätter leider langweilig.
Da zeigt man dann lieber Hochglanzbilder von geschniegelten Teenagern …
Es herrscht ein gewisser Drang, die Welt glattzubügeln. Ich habe mal für eine Zeitung die Schauspielerin Sophie Rois fotografiert, die ja oft eine Zigarette in der Hand hat. Da wurde dann in der Redaktion diskutiert, ob sie auf dem Bild rauchen darf.
Es gibt ziemlich viele freie Fotografen, andererseits wird den Bildern in vielen Magazinen gar nicht viel Platz eingeräumt. Spürst Du einen starken Konkurrenzdruck?
Viel Platz bekommen fast immer nur berühmte Fotografen, und da ist es auch fast egal, wie die Bilder sind. Diese Promi-Hörigkeit nervt ganz schön.
Du bist ja auch auf dem Weg Karriere zu machen. Immerhin gehörst du seit Neuestem der renommierten Agentur Ostkreuz an.
Naja, erst einmal abwarten. Aber was stimmt: Seit ich bei Ostkreuz bin, wird man ernster genommen. In vielen Redaktionen denken sie, dass man dann ja was können muss. Und deswegen bekommt man wohl auch mehr Aufträge.
Für den "Freitag" bist du also gar nicht mehr bezahlbar?
Für Medien, die man mag, arbeitet man auch gern mal für weniger. Ich denk' mir mal eine Geschichte aus.
Tobias Kruse wurde 1977 in Waren an der Müritz geboren. Er arbeitet unter anderem für Dummy, Neon und das Zeit-Magazin. Einige seiner Fotostrecken sind gerade in Das große Dummy-Buch das Beste und Schlimmste aus 30 Mal Magazinmachen erschienen. Kein Aber, Zürich Berlin 2011; 24,9o
Oliver Gehrsist Mitgründer und Herausgeber desDummy-Magazins
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