Im letzten Freitag schreibt Felix Werdermann ein Plädoyer für die Erhebung der EEG-Umlage auf Solarstrom. Auch Forderungen der Umweltbewegung dürfen und sollen natürlich kritisch hinterfragt werden. Dennoch wurde hier weit über das Ziel hinausgeschossen.
Die Auseinandersetzung geht um die Frage, ob künftig Besitzer von mittelgroßen Solaranlagen die EEG-Umlage auf selbst verbrauchten Solarstrom zahlen müssen. Sie spielt vor dem Hintergrund, dass der Ausbau der Fotovoltaik in den letzten Jahren massiv zurückgegangen ist und 2013 den niedrigsten Stand seit fünf Jahren erreicht hat. Grund hierfür sind die massiv gesunkenen Einspeisevergütungen. In den meisten Fällen sind Solaranlagen nur noch wirtschaftlich, wenn ein Teil des Stroms vom Produzenten selbst verbraucht wird.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband und Campact setzen sich gegen die Erhebung von EEG-Umlage auf selbst verbrauchten Ökostrom ein und haben für diese Forderung rund 200.000 Unterschriften gesammelt. Die Einführung eine Ökostrom-Umlage auf Ökostrom erscheint schon auf den ersten Blick als Schildbürgerstreich: Warum soll Ökostrom mit einer Abgabe belegt werden, die dazu da ist, eben diesen Ökostrom zu fördern? Das klingt wie ein schlichter Fehler der Bürokratie des Wirtschaftsministeriums. Doch die Heftigkeit mit der Gabriel und führende Politiker insbesondere der SPD die Sonnensteuer gegen Widerstände aus Zivilgesellschaft, Bundesrat und Bundestag verteidigen, macht deutlich: Das ist Absicht.
Gerade wenn eine Maßnahme wenig sinnvoll erscheint, lohnt sich die Frage “Cui Bono? - Wem nutzt es?”.
54 Cent im Jahr
Geht es um die Verbraucher? Sigmar Gabriel stellt dies als Hauptgrund der Sonnensteuer dar und zahlreiche Medien, auch der Freitag, beziehen sich darauf. Und in der Tat, wenn mehr Menschen EEG-Umlage zahlen, sinkt die EEG-Umlage für jeden einzelnen. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Gabriels Sonnensteuer-Vorschlag führt nach Berechnungen des Verbraucherzentrale Bundesverbands im Jahr 2018 zu einer Einsparung von 54 Cent für eine vierköpfige Familie. Nicht 54 Cent pro Kilowattstunde – 54 Cent im Jahr. Diese Summe ist auch deswegen so gering, da die Produzenten des Solarstroms auf die aus der EEG-Umlage subventionierte Einspeisevergütung verzichten.
Eine ganz andere Frage ist übrigens der Umgang mit fossilen Kraftwerken, die die Industrie zum Eigenverbrauch baut. Hier ist in der Tat eine Erhebung der EEG-Umlage ausgesprochen sinnvoll, da hier ja gerade versucht wird, schmutzigen Strom zu nutzen und keinen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Leider wird dies immer wieder – auch von Felix Werdermann – mit der Eigenproduktion von Ökostrom in einen Topf geworfen. Und Gabriel, das bleibt ein wenig beachteter Skandal, lässt den massiven Verbrauch von Eigenstrom in Braunkohlekraftwerken gänzlich von EEG-Umlage befreit.
Wenn es nicht um die Verbraucher allgemein geht: Sind es vielleicht die Mieter? Einen möglichen Vorteil des Eigenverbrauchs von Solaranlagen können derzeit Mieter nicht genießen. Sie sind gegenüber den sozial meist bessergestellten Eigenheimbesitzern benachteiligt. Daher fordern Campact und der Verbraucherzentrale Bundesverband genau dies zu ändern und z. B. Solarstrom von Wohnungsbaugenossenschaften genauso behandeln wie den von Eigentümern. – Auch dies eine Forderung, die die Große Koalition abgelehnt hat. Das kann also nicht ihr Anliegen sein.
Strompreis auf historischem Tief
Nein, bei der Erhebung der EEG-Umlage auf selbstgenutzten Strom geht es nicht um die Interessen der Stromkunden, das wird aus den minimalen Beträgen schon deutlich. Wer wirklich verliert durch den massenhaften Ausbau von Solaranlagen sind die großen Energieversorger. Jede Kilowattstunde Solarstrom kostet Vattenfall, RWE und Co. bares Geld, da sie ihren Kohlestrom nicht oder nur sehr billig verkaufen können. Schon heute ist der Strompreis an der Strombörse auf einem historischen Tief: die Fotovoltaik deckt die lukrativen Nachfragespitzen.
Sigmar Gabriel geht es um die Stromversorger. Ihr Geschäftsmodell steht auf dem Spiel. Deutschland ist dabei nur die Speerspitze eines weltweiten Umbruchs. Eine Studie der Schweizer Investmentbank UBS sieht die weitere Existenz der Stromversorger in ihrer gegenwärtigen Form in allen Industriestaaten gefährdet. Ihr bisheriges Geschäftsmodell besteht im Verkauf von zentral erzeugtem Strom. Doch die Senkung der Kosten für Fotovoltaik und Speichertechnologien macht aus dem Stromverbraucher auch einen Erzeuger, den “Prosumer”. Die Stromversorger müssen sich neu erfinden oder werden verschwinden.
RWE schreibt zum ersten Mal in seiner Geschichte massive Verluste. Zahlreiche SPD-geführte Kommunen halten Aktienpakete an RWE, oder ihre Stadtwerke sind mit RWE verflochten. Daher stammt das Interesse, den Zusammenbruch des Geschäftsmodells der Stromversorger noch ein wenig hinauszuzögern. Die Sonnensteuer ist demnach nichts anderes als ein Instrument, die massenhafte Unabhängigkeit von Stromnutzern von den Konzernen zu bremsen.
Bürgerenergiewende wird ausgebremst
Campact und viele andere in der Umweltbewegung teilen die Vision, mit der Stromversorgung einen zentralen Bereich unserer Gesellschaft zu demokratisieren: die Bürgerenergiewende. Die Sonnensteuer gibt der Politik das Instrument, die Bürgerenergiewende auszubremsen. Spanien ist ein warnendes Beispiel: Hier hat die Einführung einer Sonnensteuer die Bürgerenergiewende bereits weitgehend ausgebremst.
Ein weiteres Argument für die Sonnensteuer hat einen realen Kern: Ein Großteil der EEG-Umlagefällt an, um die hohen Kosten der frühen Einführung von Wind- und Solarstrom in den 2000er Jahren zu bezahlen. Diese massiven Investitionen waren sinnvoll, denn sie haben uns erst die Innovationen beschert, die Solarstrom so billig gemacht haben. Sie haben aber nichts mit den heutigen Kosten von Ökostrom zu tun: Solarstrom wird heute mit 9-13 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Die Sonnensteuer, so wird argumentiert, soll verhindern, dass sich Menschen aus der solidarischen Finanzierung dieser Innovationskosten verabschieden.
Der frühere Umweltminister und UNEP-Direktor Klaus Töpfer (CDU) hat aber eine viel elegantere Lösung dieses Problems vorgeschlagen: Die Ausgliederung dieser Kosten für die Anfangsinnovation in ein Sondervermögen, dass von allen Steuerzahlern bezahlt wird. So könnte die EEG-Umlage deutlich sinken und die Debatte um die Energiewende endlich wieder auf das gelenkt werden, worum es wirklich geht: Ohne Energiewende gibt es weder Atomausstieg noch Klimaschutz.Darüber sollte die Politik debattieren und nicht über Cent-Beträge, die Solaranlagenbetreibern aus der Tasche gezogen werden.
Dies ist eine Replik auf den Artikel "Sonnensteuer? Ja bitte!" von Felix Werdermann.
Oliver Moldenhauer ist Energiewende-Campaigner beim Kampagnen-Netzwerk Campact.
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