Mehr Lokalkolorit, bitte!

Eishockey „Berlins ältester Eishockeyverein“ will endlich zur Marke werden

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

„FASS“ - ein Kürzel für ein Sportquiz. Merkzettel raus, die Auflösung lautet: Freier Akademischer Sportverein Siegmundshof e.V. Ein Klub, der 1962 im Studentenwohnheim „Siegmundshof“ im West-Berliner Tiergarten gegründet wurde – und zwar, Klischees bestätigen sich, im Bierkeller. Und „FASS“ steht für eine kleine Lokalgeschichte des Eishockeysports...

Auftakt: Studenten-Klub

Der studentische Aufbruch von 1967/68 hinterließ auch bei FASS Spuren: der Vereinsvorstand kam aus den Reihen der studentischen Selbstverwaltung und die Sportaktivisten aus den Hörsälen diskutierten die gesellschaftspolitische Rolle des Sports im “Spätkapitalismus“. Anfangs spielten die Studenten Fußball, Tischtennis oder Basketball, aber kein Eishockey. Das kam erst später. Der Bayer Klaus Zieglmeier brachte als Diplom-Sportlehrer im Wintersemester 1970/71 den Eishockeysport an die Technische Universität Berlin. Die Studenten der TU begeisterten sich für den Eissport. Zieglmeier suchte mit seinen Mitstreitern einen Verein, dem sie sich anschließen konnten. Ihr Blick fiel auf FASS, dem sie ein neues Vereinsleben einhauchen wollten. Denn der Studentenklub lag nach der Anfangseuphorie brach – Abteilung für Abteilung wurde mangels Sportler geschlossen.

Seit Ende 1972 ist FASS ein reiner Eishockey-Klub mit einer traditionsreichen Heimstätte, dem Erika-Hess-Eisstadion im Wedding. Ein Klub, der nie höher als in einer dritten Liga spielte; ein Klub, der im Gegensatz zum Berliner Schlittschuh-Club (BSchC) oder BSC Preussen nicht durch Skandale und Insolvenzen von sich reden machte. Und ein Klub, der auf einem niedrigen Level Jahrzehntelang im Handgemenge des Berliner Eishockeysports durchgehalten hat. Deshalb treten die FASSianer mit dem Prädikat „Berlins ältester Eishockeyverein“ auf.

FASS war für höherklassige Berliner Teams immer so etwas wie ein Unterbau. Spieler, die es beim BSchC, den Preussen, aber auch bei den Eisbären sportlich nicht in die ersten Mannschaft schafften, erhielten bei FASS Wettkampfpraxis. Diese Rolle als „Vorhof“ anderer Klubs endete nicht immer glücklich. Nach zehn Jahren wurde der Kooperationsvertrag zwischen den Eisbären und FASS Mitte dieses Jahres nicht mehr verlängert. Die Eisbären-Chefs mussten feststellen, dass FASS ein Amateurverein ist, der den eigenen Nachwuchs nur unzureichend ausbilden konnte. Es war ein taktisches Ost-West-Bündnis, das nicht aufging. FASS will sich nun auf die eigenen Wurzeln besinnen. Zur Neu-Orientierung gehörte auch, eine Etage tiefer von der drittklassigen Oberliga in die viertklassige Regionalliga Ost zu gehen. Die Eisbären haben seit dieser Saison eine eigene zweite Mannschaft gemeldet, die in der fünften Liga, der Berliner Landesliga, spielt.

Wunsch: Kiez-Größe

Oliver Miethke (47) ist einer, der bewegen will. Der ehemalige Spieler beim BSC Preussen ist nach seiner Trainerstation heute Geschäftsführer bei FASS. Miethke sagt: „Vereine brauchen Identifikationsmerkmale.“ Deshalb will der Klub auch weg vom alten Studenten-Image. „Wir wollen ein Weddinger Kiez-Klub werden. Ein Team, das in einem Bezirk mit 100.000 Einwohnern bekannt und verankert ist.“ Die Charmeoffensive hat allerdings Grenzen, denn fast niemand kennt FASS – selbst im Wedding nicht. Um den Bekanntheitsgrad von FASS zu erhöhen, hat Miethke „Fan-Abende“ in einem Weddinger Etablissement initiiert. Am vergangenen Donnerstag fand bereits zum dritten Mal einer dieser Abende statt. Die laufen nach einem simplen Prinzip ab: Miethke berichtet über Klub-Neuigkeiten, Trainer und ausgewählte Spieler sekundieren. Fans und Interessierte fragen nach und bringen manchmal auch neue Ideen mit.

Miethke stellt gleich zu Beginn vor den 20 versammelten Zuhörern klar: „Mit dem Abstieg in die Regionalliga haben wir das Richtige getan.“ FASS wollte nicht mehr chancenlos sein, sondern „interessante Spiele auf Augenhöhe.“ Der FASS-Verteidiger Sebastian Pritykin sagt zur Spielstärke in der Regionalliga: „Ich dachte zuerst, ich komme in eine Hobbyliga, aber die Liga ist wesentlich stärker und professioneller geworden.“ Das Leistungsgefälle ist aber auch in der Regionalliga evident. Sie ist eine Drei-Klassengesellschaft mit insgesamt neun Vereinen: Vier Klubs, darunter FASS, werden die Meisterschaft unter sich ausmachen, zwei Mannschaften aus dem schmalen Mittelbau sorgen hin und wieder für Überraschungssiege, und die drei Teams aus dem unteren Drittel sind die Punktelieferanten, die die Torbilanz der Gegner aufbessern.

Ein sportlicher Aufstieg in die dritte Liga ist ein Wagnis – vor allem ein finanzielles. 500.000 Euro und mehr müssen von den Vereinen pro Saison aufgebracht werden, um im Mittelfeld mithalten zu können. Das merkt der Berliner Drittligist ECC Preussen, der aus dem Tabellenkeller mit seinem unterfinanzierten Kader nicht rauskommt. FASS will vorerst in der Regionalliga bleiben. Als Grund nennt Miethke: „Viele können die Spielniveaus zwischen der zweiten, dritten und vierten Liga kaum voneinander unterscheiden. Uns geht es darum, attraktives Eishockey zu spielen – auch in Liga vier.“ Er sieht sich bestätigt: „In der vergangenen Oberliga-Spielzeit hatten wir unter 100 Zuschauer, jetzt knacken wir regelmäßig die Marke von 150.“ Für Miethke ist das ein kleiner Durchbruch.

Die Regionalliga ist auch deshalb attraktiv, weil mit dem Eissport- & Schlittschuh-Club 2007 Berlin und dem EHC Blues Berlin zwei Ortsrivalen am Start sind. Zuschauermagneten sind die Stadtduelle aber nicht. Die Stimmung ist oft mau, es fehlt einfach ein lautstarker Anhang. Der FASS-Trainer Victor Proskuryakov kann am „Fan-Abend“ seine Enttäuschung kaum verbergen: „Das einzige, was man hört, ist, wenn die Schläger aneinander knallen oder der Puck neben das Tor auf die Bande trifft.“

Ziel: Berlin-Champ

Ein konkretes Saisonziel hat Miethke. Darauf wurde er und die Mannschaft von den eigenen Anhängern beim „Fan-Abend“ auch noch mal eingeschwört. Er will die informelle Berliner Meisterschaft in der Regionalliga. „Wir sind bereits die Nummer 1.“ Eine Standortbestimmung gab es am vergangenen Freitagabend beim Derby gegen die Gastgeber Berlin Blues in der Eishalle am Glockenturm in Berlin-Charlottenburg. Die Spieler erfüllten den Fan-Auftrag und gewannen die temporeiche Partie mit 6:3. Für Trainer Proskuryakov gab es die ersehnte Emotion von der Tribüne. Das Dutzend Schlachtenbummler jubilierte nach der Schlusssirene lauthals – wenn auch nur kurz.

Mit dem Auswärtserfolg gelang FASS ein Etappensieg auf dem Weg, die Nummer 1 in der Stadt zu werden – weit hinter den Eisbären versteht sich.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Oliver Rast

Freier Journalist & schreibender Aktivist

Oliver Rast

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden