SC Riessersee am Abgrund

Eishockey Der frühere Eishockeyserienmeister verzichtet auf die Lizenz für die DEL2 und fällt in die Oberliga Süd – oder tiefer

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Udo Weisenburger, Geschäftsführer des Eishockeyklubs SC Riessersee aus dem oberbayerischen Garmisch-Partenkirchen, zog abrupt die Reißleine. In einem „Offenen Brief“ gab er am vergangenen Mittwochnachmittag den „freiwilligen Verzicht auf den Verbleib in der DEL2 und Konsolidierung im Spielbetrieb der Oberliga Süd“ hoch emotional bekannt. Grund: Finanzielle Altlasten, nicht bezahlte Spielergehälter und ungültige Sponsorenverträge. Als Hauptschuldigen für die wirtschaftliche Misere des Vereins macht er seinen Vorgänger Ralph Bader aus. Der wehrt sich unterdessen und fordert seinerseits Weisenburger in einem Rundschreiben auf, die beanstandeten Buchhaltungsunterlagen vorzulegen.

Verbitterter Geschäftsführer

Der Unternehmer Weisenburger wirkt nach drei Jahren Engagement verbittert. Er habe in der abgelaufenen Spielzeit 1,5 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen in den SCR gesteckt – „ohne jegliche Chance auf Rückentgelt.“ Freizeit, Firma und Familie habe er grob vernachlässigt, Rufmord ertragen müssen. Nun sei mit den Finanzspritzen Schluss, seine Ressourcen aufgebraucht.

Dabei lief die Saison für den früheren zehnmaligen Deutschen Eishockeymeister in der DEL2, der zweithöchsten Spielklasse, richtig gut: Erster nach der Hauptrunde und Vize-Meister nach den Play-Offs hinter den Bietigheim Steelers. Öffentliches Ansehen und Zuschauerzahlen stiegen wieder. Und nun die Hiobsbotschaft Weisenburgers, die Fans und Team offenbar kalt erwischte. Die Anteilnahme ist indes groß, von Durchhalteparolen bis Beileidsbekundungen reichen die Reaktionen von Anhängern auf der Facebook-Seite des Vereins. Und von Pro- bis Contra-Positionen für Weisenburgers „Offenen Brief“ - die SCR-Fangemeinde ist fraktioniert, hält dem Geschäftsführer unter anderem vor, die finanzielle Lage des Klubs zu lange nicht wirklich geprüft zu haben.

Team fällt auseinander

Was ist mit der Mannschaft? Laut Münchner Merkur vom 17.5.18 riet der Mitarbeiter in der SCR-Geschäftsstelle, Stefan Endraß, den Akteuren, sich nach neuen Klubs umzuschauen, zumal deren Verträge nur für die zweite Liga gelten. Damit droht ein Exodus von Spielern und Trainerstab. Einzelne Spieler, die nicht beim Kooperationspartner EHC Red Bull München unter Vertrag stehen, müssen nun bei anderen Vereinen andocken.

Apropos EHC: Vom großen Nachbarn aus Bayerns Landeshauptstadt ist keine Hilfe zu erwarten. Die Kooperation mit dem aktuellen DEL-Meister „ist erst einmal hinfällig“, zitiert der Merkur Endraß. Für die zweite Garnitur der Münchner Red Bull-Spieler, die bisher das Dress des SRC überstreiften, ist das Spielniveau in der dritten Liga zu niedrig. Wettkampfpraxis werden sich diese Spieler künftig bei der zweiten Mannschaft des Red-Bull-Muttervereins aus Salzburg in der Alps Hockey League holen, heißt es im Merkur vom 18.5.18.

Was sagen die Verantwortlichen der DEL2, die nun einen traditionsreichen Ex-Meister aus ihrem Starterfeld streichen müssen? René Rudorisch, Geschäftsführer der DEL2, hofft auf Nachfrage des Autors für Freitag Community, „dass es für den SCR Mittel und Wege gibt, damit sich der Verein in der Oberliga Süd sanieren und konsolidieren kann.“ Der „notwendige Schritt aus der DEL2“ sei für ihn „besonders bitter.“

SCR auf Liga-Suche

In den kommenden Tagen müssen Weisenburger und Endraß alle erforderlichen Lizenz-Unterlagen für die dritte Liga einreichen – und zwar fristgerecht bis zum 31. Mai. David Nolte, Pressesprecher des Deutschen Eishockeybundes (DEB), sagt hierzu gegenüber dem Autor für Freitag Community: „Bei positivem Bescheid wäre die Teilnahme in der Oberliga Süd für den SCR auch dann möglich, wenn kein Oberligist aus dem Süden den Platz in der DEL2 einnehmen würde.“ Nolte räumt bereits jetzt eine Karenzzeit ein, um Druck von den SCR-Verantwortlichen zu nehmen: „Sollte die Zeit bis zum 31.5. zu kurz sein, wird es sicherlich die Chance geben, Unterlagen nachzureichen.“

Weisenburger will laut eines Merkur-Berichts vom 19.5.18 erste „positive Signale“ von Gläubigern und Sponsoren erhalten haben, um den SRC zu retten. Ob der Traditionsverein den Spielbetrieb in der drittklassigen Oberliga Süd in der kommenden Saison tatsächlich aufnehmen wird, bleibt dennoch ungewiss. Das Ausmaß des Finanzdesasters scheint unklar, von einem „Schuldenschnitt“ ist bereits die Rede. Ein Insolvenzantrag mit anschließendem Neubeginn in der sechstklassigen Bezirksliga mit ihren vier Gruppen wäre dann die Folge.

Vor diesem Szenario haben einige Fans in den sozialen Medien keinen Horror. Schließlich habe der EV Füssen nach der Insolvenz 2015 vorgemacht, wie ein am Boden liegender Verein mit Spielern aus der Region und hohem Identifikationsfaktor wieder auf die Beine kommen kann. Aber selbst ein Gang in die sechste Spielklasse hat Hürden. Nolte vom DEB: „Die bayerischen Bezirksligen sind voll, zusätzliche Teams nicht vorgesehen. Hier weiß man erst nach Meldeschluss am 1. Juni, ob Vereine zurückziehen.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Oliver Rast

Freier Journalist & schreibender Aktivist

Oliver Rast

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