Die Raute der Macht

Angela Merkel Die rautenförmige Handgeste der Bundeskanzlerin ist längst ein Kultobjekt geworden. Sie ist Ausdruck von Macht und Vertrauen zugleich. Eine Interpretation

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Unverkennbar: Ein echter Merkel
Unverkennbar: Ein echter Merkel

Foto: Sean Gallup/AFP/Getty Images

Nach nun fast 10 Jahren Merkel-Kanzlerschaft kennt sie fast jeder: Die typische Haltung der deutschen Regierungschefin. Aufrecht, locker und die Hände natürlich zu einer Raute geformt. Für Internationale Medien wie beispielsweise dem US-amerikanischen Guardian ist die Merkel-Raute daher längst zu „eine der bekanntesten Handgesten der Welt" geworden.

An den verschiedensten Orten wird die Raute parodiert oder zum Ausdruck besonderer stilistischer Ernsthaftigkeit verwendet. Dabei ist es egal ob auf dem Pausenhof, oder auf internationalem politischen Parkett. Doch woher nimmt diese Geste ihre Strahlkraft?

Die verschiedensten Medien aus aller Welt haben sich an eine Interpretation herangewagt:
Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist interpretierte die Merkel-Raute in Anspielung an Tolkiens Herr der Ringe als magischen und gefährlichen Ring: „Ein Ring sie zu knechten!" Andere Medien sehen darin eher eine Geste des Beruhigens.

„In der Raute liegt die Kraft" titelte die Welt vor einem Jahr auf der Frontseite und wies darauf hin, dass die Raute als Botschaft für sich stehe, für Ruhe und Kraft einer Bundeskanzlerin. Es bedürfe keines weiteren Texts.

Es gibt aber auch durchaus tieferblickende Einschätzungen. Die Journalistin Silke Burmester deutete die Merkel-Raute beispielsweise als Zeichen dafür, dass Merkel – die eine Naturwissenschaftlerin und keine Ausdruckstänzerin sei – die Energie durch das Schließen eines Kreislaufs nach innen durch ihren Körper fließen lasse. Doch was sagt Merkel eigentlich selbst dazu?

Zu beginn ihrer ersten Amtsperiode im Jahr 2005 sagte sie einmal: „Es birgt eine gewisse Symmetrie" und fügte ihrer alten Aussage fünf Jahre später hinzu: „Die Raute hilft mir, den Rücken gerade zu halten."

Doch ist das wirklich alles? Ist die berühmte Rautenform nicht längst ein stilistisches Mittel geworden, mit dem potentielle Wähler und internationale Kontrahenten ganz konkrete Aussagen verbinden?

Auch Wissenschaftler haben versucht diese Frage zu beantworten. Körpersprachenforscher sprechen vom Merkel-Dach. Also ein Symbol für Brücken und für Nachbarschaft. Demzufolge bekommen nur Menschen die Raute zu Gesicht, zu denen sie Vertrauen aufbauen möchte und denen gegenüber sie freundschaftlich wirken will.

Das sind vor allem Wähler und internationale Partner. So soll US-Präsident Barack Obama die berühmte Geste besonders häufig zu Gesicht bekommen haben, während der russische Staatspräsident Waldimir Putin meist leer ausging. Also eiskaltes Kalkül?

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Merkel versucht ihren Politikstil in Symbolform auszustrahlen. Eine „Alles im grünen Bereich" Mentalität also. Die Raute eignet sich dafür perfekt. Diese Deutung würde wohl am ehesten dem merkelschen Polit-Stil entsprechen: Nicht zuviel Pathos, dafür aber Bodenständigkeit und sehr viel Vertrauen.

Letztendlich bleibt dennoch viel Platz für Interpretation jener Geste, die längst auch internationale Politiker wie der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan oder der ehemalige britische Premierminister Gordon Brown adaptiert haben. Am Ende ist es auch jedem selbst überlassen, welche unterschwellige Botschaft er von Angela Merkel empfangen möchte.

Anmerkung

Dieser Artikel ist zuerst auf der Huffington Post erschienen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Oliver Weber

Freier Journalist, Student.

Oliver Weber

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