Das angeblich populistische Etablissement

Podemos Viel positives hört man von Podemos. Viel negatives hingegen nicht. Podemos ist aber längst nicht mehr dass, was es zur letzten Europawahl war

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Das angeblich populistische Etablissement

Pedro Armestre/AFP/Getty Images

Eigentlich geht es Podemos, die linke Bewegung in Spanien, gut. Zahlreiche Medien haben bislang über Pablo Iglesias Turrión, den Anführer der Bewegung, vor allem positiv berichtet und auch bei den Kommunalwahlen sicherte sich Podemos mehere Mandate.

Eigentlich. Wenn man mal hinter dem Tellerrand schaut, fällt einen jedoch vieles auf. Zu einen hat Podemos die Izquierda Unida verdrängt, die bisher dominierende Linkspartei Spaniens. Die IU steckt in einer tiefen Krise, bei den Kommunalwahlen verlor sie zahlreiche Mandate, in Madrid waren dies ganze neun Prozent, wodurch sie den Stadtratswiedereinzug deutlich verfehlte. Das Problem hiervon: Der Wähler könnte Podemos nur als Abstrafung für die etablierten Politiker nutzen und so - genauso schnell wie sie stark wurden - auch wieder unpopulär und schwach werden. So könnte langfristig die komplette spanische Linke unter Podemos leiden und sich tiefe Gräben ziehen,wovon letztendlich nur die Konservativen profitieren würden.

Gleichzeitig vertritt Iglesias einen anderen Kurs als noch zur Europawahl vor mehr als ein Jahr. Dadurch, dass stimmberechtigte Parteianhänger häufig keine Versammlungen besuchen, kann kaum ein Kandidat, der nicht Anhänger Iglesias ist, sich bei den Onlineabstimmungen zu Listenaufstellungen durchsetzen. Von Pluralität einer basisdemokratischen Bewegung lässt sich somit in der Praxis kaum etwas spüren. Außerdem veränderte Podemos ihre Politik. Von einen Grundeinkommen und der Forderung nach einen Stopp der Schuldentilgung hat man sich längst verabschiedet, stattdessen wird eine pragmatische Politik angestrebt, um als mögliche künftige Regierungspartei ja keine Wähler zu verschrecken.

Am Pragmatismus fehlt es Podemos in vielerlei Hinsicht nicht. Die Ausrichtung, die hierzulande eher als linkspopulistisch beschrieben wird, lässt zwischenzeitlich eine sozialdemokratische Orientierung erkennen. Die letzten Umfragen sehen sogar die spanische SPD-Schwesterpartei, die PSOE, wieder als zweitstärkste Partei vor Podemos. Die regierende konservative PP kann sich womöglich wieder als stärkste Partei behaupten. PSOE-Generalsekretär Pedro Sánchez öffnete sich unlängst nach der Kommunalwahl den von Podemos dominierten Bündnissen für eine Mehrheitsbildung. Statt die Fortsetzung eines linken Angriffes gegen die Auteritätspolitik kann dadurch die im Herbst stattfindende Parlamentswahl vor allem eins bringen: eine neue spanische sozialdemokratische Regierung. Dies zeigt auch, dass Podemos längst im Establishment angekommen ist.

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