"Not the billionaires"

Bernie Sanders Ein "Sozialist" will US-Präsident werden? Was vor 30 Jahren noch eine Utopie wäre, auf die nur Spott folgen könnte, kann bereits nächstes Jahr Realität werden.

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Es gibt viele Ideen, die das Politgeschäft bereichern. Zurzeit in den Medien ist Podemos stark präsent, welches zweifelsohne auf diese Liste gehört, ebenso wie die Syriza und die türkische HDP. Doch die Idee, die ich meine, ist bei weiten keine Partei, und genauso wenig ist sie europäisch, obwohl es um auch Europa und dessen Sozialstaatspolitik geht. Allerdings wenn ein 73-jähriger US-Senator ankündigt, bei den Vorwahlen für die Demokraten anzutreten, wo in den deutschen Medien Hillary Clinton als ausgemacht gilt, findet dies hierzulande medial nur ein geringes Echo.

Die Rede ist von Bernie Sanders. Selbst parteilos, gehört er im Senat der Demokratischen Fraktion an und steht der Vermont Progressive Party nahe. Diese ist - für das US-amerikanische Zweitparteiensystem ungewöhnlich - auf Staatenebene parlamentarisch vertreten und trägt eine sozialdemokratische, progressive Ausrichtung. Die Partei entstand maßgeblich aus Sanders Umfeld, als er noch Bürgermeister in der 40.000-Einwohner-Stadt Burlington war.

Seine Art als Politiker ist für US-Verhältnisse mehr als außergewöhnlich, wenn nicht einmalig. Während sich die meisten anderen Kandidaten die Politik zur Selbstinszenierung, als großes Show-Bussiness, nutzen, präsentiert sich Sanders mit seinen grauen Haaren als Vertreter der ärmeren Klassen. Auf seiner Kampagnenseite kommt man an den "Not for Billionaires"-Ausruf nicht vorbei, wenn man für seinen Wahlkampf, was in den USA eine höhere Bedeutung hat als in Deutschland, spenden möchte. Insbesondere bei den Republikanern fließen von den Millionären und Reichen erhebliche Summen in die Wahlkampffinazierung, ihr Einfluss auf die US-Politik ist dementsprechend riesig.

Sanders selbst bezeichnet sich als "demokratischen Sozialisten", für die USA eine kleine Revolution, da der Begriff des Sozialisten meist als Schimpfwort für die Demokraten genutzt wird. Mit den revolutionär-sozialistisch oder marxistisch orientierten Linken in den USA hat er aber auch kaum etwas zu tun. Er befürwortet einen Sozialstaat nach skandinavischen Vorbild, nicht etwa die Verstaatlichung der gesamten Wirtschaft oder die vollständige Enteignung der Reichen. Müsste man ihn in das deutsche Parteiensystem einordnen, so wäre er vermutlich für die SPD mit seinen Positionen gegen den Freihandel, für höhere Mindestlöhne und gegen den Einfluss der Reichen trotzdem zu weit links. Dennoch zeigt sich aber in vielerlei Hinsicht, dass er eben kein Sozialist nach dem deutschen Verständnis, sondern ein Sozialdemokrat ist. Für die USA, wo die rechtslibertäre Tea-Party-Bewegung maßgeblich von den Koch-Brüdern unterstützt wird und die Vorherrschaft des Neoliberalismus niemand anzweifelt, ist dieser kleine Fortschritt, jedoch eine große Revolution, die als Folge eine innenpolitische Diskussion über die US-Sozialpolitik bringen könnte.

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