Radikalismus und Pragmatismus vereinen

Flüchtlingskrise Die Lösung der gegenwärtigen Krise ist einfach; es bedarf nur radikalere Lösungen als gewöhnlich, die dabei die Zukunft der gesamten arabischen Welt bestimmen werden.

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In der gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte lassen sich drei Lager erkennen. Das nationalistische Lager um Pegida und der AfD mit Persönlichkeiten wie Viktor Orban und Horst Seehofer macht exessive Stimmung gegen Flüchtlinge; das zentrische "Regierungslager" um die SPD und die Kanzlerin Angela Merkel weiß nicht so recht, wohin es gehört und führt einen planlosen Zick-Zack-Kurs; das liberal-progressive Lager, welches sich außerhalb der Machtzentralen Europas befindet, übt Toleranz und eine Willkommenskultur aus. Eine parlamentarische Verankerung des liberal-progressiven Lagers exestiert; ist jedoch faktisch zu schwach, um den anderen beiden Lagern ernstzunehmenden Widerstand zu bieten.

Die Entscheidungsträger in der Flüchtlingskrise liegen daher in den ersten beiden, und nicht im progressiven Lager, wodurch man sagen muss, dass eine humanitäre Lösung der Flüchtlingskrise aufgrund eines starken nationalistischen Lagers nahezu ausgeschlossen ist, wenn sich die liberalen, sozialdemokratischen und christdemokratischen Regierungen Europas sich nicht dazu entschließen, tatsächlich an einer Lösung zu arbeiten und den Nationalisten nicht nachgeben. Für eine Lösung der gegenwärtigen Krise bedarf es nämlich einen radikalen Pragmatismus und keinen Revanchismus. Jeder kritisch denkende, undogmatische Mensch muss wissen, dass Abschottung – wie es parteiübergreifend vom neofaschistischen bis liberal-konservativen Lager gefordert wird – selbstverständlich keine Lösung sein wird, da sich Flüchtlingsströme aufgrund von extremer Armut und Krieg sich sicherlich nicht damit aufhalten lassen, weil das reaktionäre Gesellschaftsbild eines Wutbürgers wieder erfüllt wird.

Welche Handlungsmöglichkeiten im Bezug auf einen radikalen Pragmatismus exestieren also? Und welche Spielräume entstehen dabei für eine europäische Linke, die sich außerhalb der Regierungen Europas bewegt? Radikal-pragmatisch wäre es, wenn die Europäische Union legale Wege für eine Ausreise aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens und Nordafrikas bieten würde. Dadurch hätte nicht nur die höhere Mittel- und die Oberschicht eine Chance ein neues Leben in Europa zu finden, sondern auch die Menschen der unteren Gesellschaftsschicht, die bislang aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen gar keine Möglichkeit für eine Ausreise aus ihren Heimatländern hatten.

Die notwendigen Ressourcen für dieses Megaprojekt, hätte die EU bereits. So könnte sie ihre eigene Streitkräfte für dieses Projekt organisieren. Nimmt man die Streitkräfte aller Mitgliedstaaten zusammen, hätte man mit weit über eine Millionen erhehbliche personelle Möglichkeiten, was mit nichts aus der Vergangenheit vergleichbar wäre. Gleichzeitig wäre eine Kooperation auseinzelnen Mitgliedstaaten – wenn sich Ungarn und/oder die anderen osteuropäischen EU-Ländern sich nicht beteiligen wollen – immernoch handlungsfähig für diese Krise genug. Finanziell könnte die Europäische Union die Unternehmensbesteuerung erhöhen – aus den einfachen praktischen Grund, dass aufgrund der höheren personellen Vielfalt auf den Arbeitsmarkt, die durch die Integration und Migration von Millionen von Menschen bestehen würde, die Wirtschaft sowieso profitieren würde.

Aber langt es allein alle Flüchtlinge aufzunehmen? Es langt natürlich nicht nur, wenn man Millionen Menschen evakuiert. Man muss zusätzlich – und dass wird wahrscheinlich der größere Akt zur Lösung dieser Krise sein - langfristig den Nahen Osten sowie die restliche arabische Welt zu einen lebensfähigen Ort des 21. Jahrhunderts machen. Dies bedeutet, dass insbesondere die „erste Welt“ zukünftig Kraft aufwenden muss, um die gesamte Region umzustruktuieren. Eine Art arabischer Marshall-Plan wird benötigt, die Entwicklungshilfe muss ehrheblich erhöht werden und die westliche Destablisierungspolitik der letzten Jahrhunderte, die direkte Folge der militärischen Interventionspolitik ist, muss beendet werden. Der Aufbau von demokratischen Staaten und Stukturen muss zwar gefördert werden, jedoch muss eine stabile, aber auch möglichst säkuläre, Regierung und eine Staatsstuktur, die die Grundbedürfnisse der Menschen befridigen kann, vor diesen Vorhaben deutlichen Vorrang haben.

Eine Lösung der Flüchtingskrise erfordert also radikale Lösungen, die jedoch nicht unpragmatisch und utopisch sein müssen. Vor dem zweiten Weltkrieg war auch die Europäische Einigung, und damit das wahrscheinlich wichtigste Projekt in Europa seit diesem Weltkrieg, eine Utopie. Der radikale Pragmatismus muss daher das Zukunftskonzept in der Flüchtlingskrise sein – sowohl für die Regierenden Europas als auch für die Linken in Europa, die gegen die Nationalisten und für eine solidarische Gesellschaftskultur gemeinsam und vereint Widerstand fomieren müssen.

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