Warum Deutschland Weltmeister werden darf

Fußball-WM 2014 Mein gebrochenes Verhältnis zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft - und warum ich ihr diesmal doch den Sieg gegen Argentinien gönne

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Battiston wird nach dem Angriff durch Harald Schumacher während der WM 1982 in Sevilla vom Platz getragen
Battiston wird nach dem Angriff durch Harald Schumacher während der WM 1982 in Sevilla vom Platz getragen

Foto: Steve Powell/ AFP/ Getty Images

An dieser Stelle muß ich mich outen - ich habe ein gebrochenes Verhältnis zur deutschen Fußballnationalmannschaft. Während alle jubeln, wenn Müller oder Klose Tore schießen, bin ich innerlich hin- und hergerissen. Ich kann auch ziemlich genau sagen, wann dieses gebrochene Verhältnis angefangen hat - es stammt aus dem Jahr 1982 und hat mit herausgebrochenen Zähnen des Franzosen Battiston zu tun. Am Anfang dieses Spiels war ich als damals 15jähriger klar für Deutschland (seit dem Schummel-Spiel gegen Österreich allerdings schon mit schlechtem Gewissen). Nach der Attacke von Toni Schumacher schlugen meine Sympathien allerdings um, und gönnte (von Hause aus sowieso mit frankophilem Hintergrund) den Franzosen von Herzen den Sieg, den sie dann aber ja nicht bekamen. Seit dieser Zeit konnte ich bei keiner WM den Deutschen mehr so richtig zujubeln. Natürlich ist das total ungerecht, denn spätere Spielergenerationen hatten mit 1982 gar nichts mehr zu tun - und natürlich ist auch das ein Nationalismus mit umgekehrtem Vorzeichen. Aber manchmal prägen einen solche Jugenderlebnisse für's ganze Leben.

Und die deutsche Nationalmannschaft hat es einem auch oft leicht gemacht, sie nicht zu mögen - 1990 irgendwie ins Finale gekommen, Weltmeister geworden und anschließend erklärt Kaiser Franz, dass jetzt alle anderen Nationalmannschaften getrost aufs Fußballspielen verzichten können. Oder 2002 mit Defensivfußball die herzerfrischenden Koreaner aus dem Turnier geworfen - mit Unsympath Oliver Kahn an der Spitze, dem ich dann die beiden T0rschüsse im Finale herzlich gegönnt habe.

Zugegeben - seit 2006 ist es schwieriger geworden, den deutschen Fußball nicht zu mögen. Da wurde auf einmal offensiv gespielt und "gezaubert", und beides Mal war es keine Schande, im Halbfinale gegen die späteren Weltmeister (Italien, das gegen Deutschland tatsächlich das beste Spiel des Turniers abgeliefert hatte, und Spanien, die eben auch einfach mal dran waren) zu verlieren. Trotzdem - ich war beides Mal froh, dass es eben nicht mit dem Pokal geklappt hat, vielleicht aus Angst vor deutschem Triumphalismus, oder weil mir der ganze Hype um Klinsmann, Löw und Co. einfach auf die Nerven ging.

Diesmal aber - nun, diesmal muss ich einfach neidlos anerkennen, dass die deutsche Nationalmannschaft bei dieser WM einfach den besten Fußball spielt - defensiv stark und gegen Frankreich und Brasilien auch mit dem klaren Willen, Tore zu schießen (was man zum Beispiel den Niederlanden und Argentinien im Halbfinale nicht unbedingt zusprechen kann). Und seit dem Rauswurf von Kolumbien gibt es einfach keine Mannschaft mehr, die es genauso verdient hätte, Weltmeister zu werden - also was soll's. Jetzt sollen die Deutschen halt Weltmeister werden, diese Spielergeneration ist eben auch einfach mal dran, sie haben so lange darauf gewartet. Dann ist dieses Thema auch endlich mal durch, und bei der nächsten WM kann dann wieder eine andere Mannschaft Weltmeister werden, ohne dass in Deutschland das große Heulen und Zähneklappern losgeht - ist doch auch was.

Ach, und übrigens - in 2 Jahren wird Frankreich in Frankreich Europameister.

Siehe auch: http://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/sevilla1982-deutsch-franzoesisches-gemetztel

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Geschrieben von

onkeli

weiß, männlich, Familienvater, freiberuflich tätig, kein Auto.

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