Mein Buch des Advents- und Weihnachtsmonats stelle ich in einem eigenen Blog vor.
Es gibt es auszugsweise auch als Hörbuch, begleitet von den Text kommentierenden schier überirdischen musikalischen Einlagen, zum Teil in der Metaphorik hoch erotisch:
oder auch uns Zuhörer in das kindliche Geborgenheitsgefühl versetzend, in dem wir nach dem Glauben des Evangelisten und des Komponisten, ob wir diesen nun teilen oder nicht, durch das besungene Erlösungswerk uns wärmen dürfen:
Die Bibel sowohl als die Bachsche Musik seien auch Atheisten anempfohlen. Vielleicht gibt es ja entgegen deren üblicher rationalistischer Verengung an dieser und an anderen Religionen, welchen die absolute Mehrheit der Menschheit in der einen oder anderen Weise anhängt, noch etwas anderes zu erahnen und zu entdecken als Unfreiheit und Gesinnungsterror. Mich jedenfalls lassen die jahrhundertealten schriftlichen, bildlichen und musikalischen Zeugnisse von gläubiger Ehrfurcht bei ihrer Betrachtung trotz meiner Religionsferne selbst nicht ohne ehrfürchtige Bewunderung zurück.
Die französischen Aufklärer waren, bedingt durch das entwickeltere Selbstbewusstsein des Bürgertums, die politisch und weltanschaulich radikaleren. Jedoch herrschte dort in Sachen Religion und Weltanschauung ein primitiver Atheismus vor, wie er heutzutage fröhliche Urständ feiert. Die Lichtgestalt der Aufklärung im Hinblick auf eine säkulare Gesellschaft dagegen, in welcher Menschen unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Ansichten einvernehmlich und respektvoll miteinander umzugehen hätten, ist für mich Gotthold Ephraim Lessing.
Lessing, der die christliche Orthodoxie in der Gestalt des Hamburger Hauptpastors Goeze in einer Schrift bekämpft hat, die demjenigen als das Beispiel überhaupt dienen kann, welcher sich der literarischen Form der Polemik befleißigen möchte, und die ihm ein herzogliches Publikationsverbot in theologischen Fragen einbrachte, hatte "eine zum Instinkt gewordene Besorgnis um das relative Recht, das gemeinhin auch die Meinungen und Standpunkte haben, welche aus guten Gründen den Kürzeren ziehen" (Hannah Arendt). Was zu seiner Zeit in dieser Hinsicht für atheistische und pantheistische weltanschauliche Auffassungen galt, gilt heutzutage, was den Mainstream anbetrifft, offenbar für religiöse.
Lessing selbst hat in Bezug auf das religiöse Weltverständnis keine eindeutige Stellung bezogen, sondern ist
"unwillkürlich an ihm zweifelhaft geworden, 'je bündiger mir der eine (es) beweisen wollte', und hat es unwillkürlich in seinem 'Herzen aufrecht zu erhalten' getrachtet, je mutwilliger es der andere ganz zu Boden treten wollte.'"
(Hannah Arendt in: Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten, Rede über Lessing).
Das ist gelebte Aufklärung, neben dem, was uns Kant und Schleiermacher und viele andere Aufklärer in ihren religionsphilosophischen Schriften überliefert haben. Kein Geringerer als Johann Gottfried Herder, der einer bigotten Kirchengläubigkeit so unverdächtig war wie nur irgendeiner, versieht ein Kapitel seiner "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" mit der Überschrift "Religion ist die älteste und heiligste Tradition der Erde". Wilhelm von Humboldt, der Begründer der Berliner Universität und einer der gebildetsten Menschen seiner Zeit, schreibt:
"Wenn die Idee einer Gottheit die Frucht wahrer geistiger Bildung ist, so wirkt sie schön und wohltätig auf die innere Vollkommenheit zurück. Alle Dinge erscheinen uns in veränderter Gestalt, wenn sie Geschöpfe planvoller Absicht, als wenn sie ein Werk eines vernunftlosen Zufalls sind."
Hier im oben angesprochenen Sinne noch eine Gelegenheit zum adventlichen Meditieren:
Neben der Aufnahme mit Bernarda Fink unter Sir Eliot Gardiner, der die obigen Videos entstammen, sind meine Empfehlungen zwei absolut gleichwertige Aufnahmen aus der DDR und der Bundesrepublik aus den 60er bzw. 70er Jahren:
- Martin Flämig mit Dresdener Kreuzchor, Annelies Burmeister, Peter Schreier, Theo Adam.
- Karl Richter mit Münchener Bachchor und -orchester, in dessen Aufführung mit die herausragendsten Sänger ihres Fachs aus der Bundesrepublik überhaupt aus dieser Zeit vertreten sind: Gundula Janowitz, Christa Ludwig, Fritz Wunderlich, Franz Crass.
Karl Richter war damals mein absoluter Favorit, der Lordsiegelbewahrer der Bach-Interpretation, die historisierende Aufführungspraxis von Harnoncourt erschien mir dagegen damals eher langweilig, seine neueren Interpretationen halte ich aber neben denen von Ton Coopmann für sehr empfehlenswert.
Kommentare 39
Vor einigen Jahren bin ich in Bremen mal in der Kirche am Rathaus gewesen und habe mir das oder ein Weihnachtsoratorium von Bach angehört. Es war sehr bewegend und schön (besser kann ich es gerade nicht schreiben). Vielen Dank für den Text und die Gedanken darin. Das erinnert mich ein wenig an Deinen Text aus der letzten Weihnachtszeit, der hat mich auch ein Jahr lang begleitet (bisher :-))
Das "auch" muss natürlich weg, weil ich nicht weiß, ob mich dieser Text ein Jahr begleiten wird...
Das ist jedes Jahr merkwürdig, dass in der Zeit der Besinnung, viele Menschen so Besinnungslos sind :-)
nichts gegen musik, auch nicht die von bach, gleich zu welcher jahreszeit, lieber oranier. aber das missionieren unter mündigen menschen muss nicht sein. sonst kann ich dir jean meslier empfehlen.
Missionieren? Nun ja, man kann halt nicht bei jedem Blogger die Fähigkeit zu richtigem Lesen und zur begrifflichen Differenzierung voraussetzen.
Aber dass der Herr nichts gegen Musik, selbst nichts gegen die von Bach hat, auf diese höchste aller denkbaren Lobesbekundungen wird die Musik und darauf würde gewiss auch Bach sehr stolz sein.
@ merdeister
Bitteschön und danke, dein Kommentar freut mich in jeder Hinsicht sehr und darüber könnte ich ins Erzählen kommen! "Bewegend und schön", darin ist doch prägnant all das enthalten, was die Bachschen Oratorien einem bieten können, wieso sollte man das noch besser ausdrücken wollen?
Zu diesen Weihnachten vielleicht ein Blog über Liebe und Liebesdichtung, das mir schon lange vorschwebt. wobei ich mit diesem Blog hier schon schwankend war, weil das Thema sich bei mir vor ein Blog über Entfremdung im Kapitalismus und eins über Faschismus vorgedrängelt hat. Ich habe mich aber mit Brecht gefragt:
"Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist - Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt?"
Nun, du hast DAS eine und einzige Weihnachtsoratorium von Bach erlebt, mit "der Kirche am Rathaus" bringst du mich ins Grübeln: Die stolzen Bremer Stadtbürger wollten sich seinerzeit aus der Vormundschaft des Landesherren, des Bremer Erzbischofs, befreien und bauten zum Zeichen ihrer Ebenbürtigkeit ein prachtvolles Rathaus genau zwischen zwei repräsentativen gotischen Kirchen.
Hier zwei Fotos vom Rathaus:
de.wikipedia.org/wiki/Bremer_Rathaus
Die Kirche am Rathaus auf dem ersten Bild heißt Bremer Dom (St.-Petri-Dom), auf dem zweiten Foto siehst du links einen Kirchturm das Rathausdach überragen, das ist die Liebfrauenkirche.
Weiter unten unter "Fassade" kannst du sehen, dass die Stadtbürger nicht eine Figur des Landesherrn, sondern solche des Königs und der höchsten Reichsfürsten, die ihn wählen durften (Kurfürsten von küren = wählen) dort errichteten. Das war neben dem ganzen Gebäude ein Affront gegen den Erzbischof.
Der hat denn auch einen hölzernen "Roland" nächtens abbrennen lassen, denn die Patrizier vor ihrem Rathaus haben aufstellen lassen, zm Zeichen ihres Unabhängigkeitsstrebens (Roland war ein französischer Ritter, der die Städte in ihrem Kampf gegen die lokalen aristokratischen Herrscher unterstützte).
Daraufhin errichteten die Bremer Bürger einen steinernen Roland, den der Bischof bestimmt nicht würde abbrennen können und auf den der Stabreim gemünzt ist: "Roland der Riese am Rathaus zu Bremen." (Nebenbei waren die Kniespitzen an seiner Beinrüstung eine Bremer Elle weit voneinander entfernt, so dass die Schneider daran Maß nehmen konnten.)
de.academic.ru/pictures/dewiki/98/bremen_roland.jpg
Der Kampf endete damit, dass der Erzbischof aus der Stadt vertrieben wurde, sein Bistum und sein weltliches Herzogtum dann von Bremervörde aus regierte und von der Bremischen Bürgerschaft bloß die Erlaubnis erhielt, sonntags morgens für zwei Stunden durch ein bestimmtes Stadttor herein- und mittags wieder hinauszureiten, um im Dom die Messe zu feiern.
Was nun die Oratorienkonzerte in beiden Kirchen betrifft, so sitzt man im Dom notorisch hinter einer dicken Säule, sieht nichts von Chor, Solisten und Orchester und bekommt die Musik durch Lautsprecher übertragen. Da stellt sich dann die Frage, ob man nicht besser zu Hause bleibt und das Weihnachtsoratorium oder die Matthäuspassion im Fernsehen oder von einer DVD betrachtet.
Die ergreifende Wirkung einer Aufführung in der Liebfrauenkirche ist u.a. einem ehrgeizigen Kantor geschuldet, der ältere Chorsänger, vor allem -sängerinnen, die zum Teil schon dreißig Jahre dabei sind, aus dem Chor hinausekelt, weil vor allem Frauenstimmen im Alter an Brillanz verlieren. Man sieht, dass der Qualitätsanspruch auch seine negativen sozialen Kehrseiten hat.
@ Erdmännchen
Bach steht über allen anderen, sage ich, obwohl ich auch kein "Berufener", sondern Liebhaber bin. Als solcher vertraue ich aber meiner ästhetischen Urteilskraft, will sagen meinem musikalischen Gehör und Sensus, nicht irgendwelchen Expertenmeinungen professioneller Musiker. Die sind aber in Bezug auf Bach, jedenfalls, nachdem Mendelssohn Anfang des 19. Jh. durch seine erstmalige Wiederaufführung der Matthäuspassion nach hundert Jahren eine Bach-Renaissance einlgeäutet hat, merklich einhellig.
Pablo Casals, der das Cello recht eigentlich zu einem der Geige in den Konzertsälen ebenbürtigen Instrument gemacht hat, wurde einmal von einem Reporter gefragt: "Geben Sie mir Recht, dass die Matthäuspassion von Bach das bedeutendste Werk der Musikgeschichte ist?" Casals antwortete: "Da gebe ich Ihnen tausendmal Recht". - Da gebe ich Pablo Casals tausendmal Recht, in Bezug auf die Matthäuspassion im besonderen und Bach im allgemeinen.
Danke, lieber koslowski! J
a, Denken ist immer eine prima Alternative. Mein Blogtext hat ja auch eine politische Dimension, die hier leider nicht denkend und diskutierend aufgegriffen wird. Schade!
@oranier,
es war der Bremer Dom, auf dem Foto habe ich ihn erkannt und an die Säule erinnere ich mich gut, schob es allerdings auf "die billigen Plätze".
Vielen Dank für die Bremer Geschichten. Den Roland habe ich mir einmal genauer angeschaut um das Bild des Krüppels zu finden, welcher der Legende nach für die Ausmaße des Bürgerparks verantwortlich sein soll.
Der Bürgerpark sollte die Fläche umspannen, die der Krüppel an einem Tag umrunden konnte. Der stellte sich wohl als recht zäh heraus und deswegen ist der Bürgerpark so groß.
Nun habe ich aber bei Wikipedia keinen Hinweis darauf gefunden und Bürgerpark und Roland haben sich wohl auch zeitlich nicht überschnitten.
Lieber merdeister,
danke für das Interesse! Ja, natürlich hast du Recht mit den billigen Plätzen, vom Mittelschiff aus kann man auf die Empore schauen, wo die Musiker sich befinden. Man sieht aber naturgemäß auch dann nur die Köpfe der Chorsänger und die fuchtelnden Arme des Dirigenten.
Richtig, der Roland ist von 1404, der Bürgerpark entstand 550 Jahre später im 19. Jh.. In der Sage geht es auch nicht im engeren Sinne um den Bürgerpark, sondern um die Allmende, die Bürgerweide im Gemeindebesitz, auf die jeder Stadtbürger sein Vieh treben durfte, auf der der Bürgerpark dann später errichtet wurde. Die Stiftung durch die Gräfin Emma aus dem 11. Jh., der Zeit, in der der Dombau begann, ist jedoch historisch nicht belegt, ebensowenig natürlich die Sage mit dem Krüppel. Die Bedeutung der entsprechenden Figur am Rolanddenkmal ist, glaube ich, ungeklärt.
Hier der Link, den du vergeblich gesucht hast:
www.buergerpark.de/historie/entstehung/emma
Ja? Habe ich zum Glück noch nie gehört. Vor allem verstehe ich nicht, was es hier soll. Sieht das hier aus wie eine Einladung zum Einstellen jeder Art von "Musik"? Das Stück hier repräsentiert ja nun wahrlich eine andere Kultur als Bach, wenn es denn Kultur repräsentiert.
@ Cassandra
"Was ist denn an oraniers Text missionarisch?" Gute Frage, aber damit konkretisierst du bloß, was ich oben kopfschüttelnd als Fähigkeit Fähigkeit zu richtigem Lesen und zur begrifflichen Differenzierung zur Frage stellte.
"Tiefsinnig", mit Verlaub, das Attribut habe ich hibou mal angeheftet. Es missfiel ihm offenbar, und nun versucht er es, wo er irgend kann, durch solche Kommentare zu widerlegen.
Ja, wunderbar, das finde ich auch, und danke, liebe Cassandra, für deine produktiven musikalischen Ergänzungen zu diesem Blog!
Natürlich ließe sich die Liste der Aufführungen, die ich für empfehlenswert halte, beliebig erweitern, und diese hier gehört, in Abweichung zu meinem Verdikt über Harnoncourt ausdrücklich dazu.
Über Peter Schreier wäre etwa noch zu reden, den Export-Evangelisten der DDR, der die Maßstäbe für den Part gesetzt hat, und über den derzeitigen Thomaskantor Georg Christoph Biller, den sechzehnten in der Nachfolge Bachs und natürlich prädestiniert für entsprechende Aufführungen und Interpretationen.
Die neue kenne ich nicht, die von 1999 oder 2000 habe ich nicht erwähnt, weil mir die Interpretation der Alt-Arien durch Yvonne Naef im Vergleich zu allen anderen hier angeführten nicht zusagt. Ganz im Gegenteil zu der von Bogna Bartosz in Billers Matthäuspassion, die ich so umwerfend finde wie weiland Julia Hamari bei Karl Richter.
Aber insgesamt sind die Unterschiede eher marginal, von den z.T. weit auseinanderliegenden Tempi abgesehen, und es ist natürlich auch viel Geschmackssache und Sympathie im spiel.
"Na ja, ich finde, da sollte man etwas offener sein."- ich nicht.
"Mache dann mal ein eigenes Blog auf - für Musik in Anführungszeichen."
- Nur zu! Ich stelle da aber bestimmt keinen Bach-"Song" ein.
@ j-ap
Nun, lieber Josef, natürlich empfehle ich die Bibel sowohl als die Bachsche Musik nur solchen Atheisten an, die beide nicht ohnehin rezipieren.
Mit deiner Anschauung stimme ich vollkommen überein, damit konkretisierst du ja im Wesentlichen meine Gedanken näher. Beethoven sagt über Bach: "Nicht Bach, Meer sollte er heißen".
Warum du über Herder schweigen möchtest, bleibt im Dunkeln, vielleicht, weil er im Ansatz den ethnischen Volksbegriff eingeführt hat? Allerdings hat er im Bereich der Sprach- und Geschichtsphilosophie für das 18. Jh. Wesentliches geleistet. Ich habe ihn hier aber neben Lessing gegen die französischen materialistischen Atheisten mit ihrer primitiven Pfaffentrug-Legende in Stellung gebracht, an der sich vielleicht noch heutige Zeitgenossen hochziehen mögen.
Lieber oranier,
Danke für die Mühe. Am Emmasee bin ich schon unzählige Male vorbeigerannt und habe einige zählbare Male an seinem Ufer gestanden.
Ich bin ja Bremenfan, und zwar nicht beim Fußball. Es wird wieder mal Zeit für einen Besuch...
"Die Bibel sowohl als die Bachsche Musik seien auch Atheisten anempfohlen. "
Nee, also wirklich...
Ansonsten: All die religiösen Huldigungen sind bei Bach auch nur Huldigungen der weltlichen Macht oder sind – wie schon geschrieben - von sehr intensiver Erotik bestimmt.
Bevor das Werk "Weihnachtsoratorium" hieß, gab es schon ein in Teilen fast gleichklingendes.
de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6net,_ihr_Pauken!_Erschallet,_Trompeten!
"Tönet Ihr Pauken, erschallet Trompeten
Bach nannte es damals die Königin-Kantate. Es entstand 1733 als Glückwunschkantate anlässlich des Geburtstags von Maria Josepha, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen.
Da preisen - im Gegensatz zum christlichen Oratorium - vier Göttinnen der antiken Mythologie - die Königin.
Ist eigentlich ein schöner Gag, dass die griechischen "Wurzeln" des Christentums in der Geschichte dieser Musik zufällig auch eine Rolle spielen.
Ob einem Jesu gehuldigt wird oder einer Königin – es ist aus der gleichen kreativen Quelle, wie es aussieht.
"Nee, also wirklich..." - eine wirklich erstaunliche Antwort, verehrte Magda. - Oder vielleicht auch nicht.
Der Satz: "Ansonsten: All die religiösen Huldigungen sind bei Bach auch nur Huldigungen der weltlichen Macht oder sind – wie schon geschrieben - von sehr intensiver Erotik bestimmt." zeugt von schlichter Eindimensionalität: entweder Huldigung weltlicher Macht bzw. Erotik, oder aber Religion. Tertium non datur. Dass die Hinwendung an das Objekt der religiösen Verehrung durchaus erotisch motiviert sein kann, übersteigt offenbar ebenso deine Vorstellungskraft wie der Tatbestand, dass Bach seinem ganzen Selbstverständnis nach eben kein Mann der gerade hereinbrechenden Aufklärung war, sondern durch und durch ein Bürger der ständischen barocken Gesellschaft, für den ungebrochen die weltliche wie die göttliche "Obrigkeit" gleichermaßen verehrungswürdig und Ehrfurcht-erheischend war.
Deshalb: die religiöse Huldigung, die aus Bachs Oratorien, Kantaten und Orgelwerken spricht, als reine Camouflage anzusehen, welche das Grundprinzip der Unterwürfigkeit unter die weltliche Herrschaft notdürftig überdecke, das ist eine völlig verfehlte Simplifizierung und künstlerisches Banausentum.
Dagegen wartest du hier mit wahren Enthüllungen auf, die Eingang in künftige Bach-Biografien verdienten: Honnecker hat das Weihnachtsoratorium nie "besucht". Was nicht stattgefunden hat, ist offenbar allemal erwähnenswerter als das, was war, z.B. dass der "sehr beliebte" Thomaskantor Hans Joachim Rotzsch ein Stasi-Spitzel war.
Dann allerdings die enthüllendste aller Enthüllungen: die "Königin-Kantate" als weltliche Form des Weihnachtsoratoriums. Ach du liebes Christuskind, habe ich da vielleicht etwas übersehen, bewusst unterschlagen gar?
"Ob einem Jesu(s) gehuldigt wird oder einer Königin – es ist aus der gleichen kreativen Quelle"?
Darauf könnte man zwar antworten: dem Reinen ist alles rein, und aus dem Sumpf heraus betrachtet, ist die ganze Welt schmutzig. Stattdessen schlage ich aber vor: vielleicht doch besser einmal die Bachsche Musik anhören und auf sie hinhören! Die Melodien von genau vier (in Worten: vier) Sätzen hat Bach aus der Kantate BWV 214 im Weihnachstoratorium verwendet, etwa 15 Minuten. Die ist aber eben eine weltliche Kantate, hat, im Zusammenhang gehört, etwas Leichtes, Barockes, Tänzerisches, das dem fröhlich-feierlichen Weihnachtsoratorium in dieser Form abgeht. Die von mir verlinkten Alt-Arien und das Orchesterstück, erst recht natürlich die Evangelisten-Rezitative und die wunder- und stimmungsvollen Choräle sind eben nicht aus dieser Quelle und geben dem Weihnachtsoratorium erst sein einmalig-besonderes Gepräge als geistliche Musik.
Die Zauberflöte und das Requiem von Mozart stammen auch aus der gleichen kreativen Quelle, die allerdings so erst ihre universelle künstlerische Dimension offenbart.
Gleichwohl: Das Weihnachtsoratorium steht der Matthäuspassion zwar musikalisch in nichts nach, dass jenes aber im Gegensatz zur originär komponierten Matthäuspassion eine Kompilation ist, ist natürlich selbst mir, aber zumal jenen Berufenen, die dieser den Vorrang vor jenem einräumen, kein Geheimnis. Und ebenfalls alles andere als ein Geheimnis ist es, dass die Mehrfachverwendung von ganzen Kompositionen oder deren Elementen in der Barockzeit allgemeiner Brauch war. Bach hatte als Thomaskantor die Aufgabe, die Thomasschüler in Latein zu unterrichten, neben der Thomaskirche auch die Nicolaikirche als Kantor zu betreuen und für jeden Sonntag im Jahr eine Kantate zu komponieren. Was Wunder, dass er seine kompositorische Arbeit auch rationalisierte?
Vivaldi wird ja ohnehin nachgesagt, er habe nur ein Konzert komponiert, das aber hundert Mal, auf jeden Fall aber benützt Händel einen schönen Menuett-Satz aus einem seiner Concerti grossi auch in der Wassermusik, und eins meiner liebsten Musikstücke überhaupt, das Orgelkonzert Op.4 Nr.5, kann einem einen Eindruck davon vermitteln, dass der in Bezug auf seine Qualität selbstbewusste, wenngleich nur regional und in Kirchenmuskikkreisen bekannte Bach über Händel, der dagegen ein weltberühmter Popstar war, sagte: "Der Händel ist der einzige, der ich sein wollte, wenn ich nicht der Bach wäre" - dieses Orgelkonzert gibt es auch als Sonate für Flöte und Basso continuo.
Hier eine Aufnahme mit Karl Richter:
www.youtube.com/watch?v=YlmSutqYnMc
(Einbettung leider deaktiviert)
Die Aufnahme besitze und schätze ich seit über dreißig Jahren, aber, was soll ich sagen: diese hier, mit kleinem Kammerensemble und Orgelpositiv und Cembalo, mit großer Innigkeit und Spielfreude vorgetragen, ergreift mein Gemüt noch mehr.
Den Blog nebst Kommentaren, sinnvollen Ergänzungen und Erwägungen gerne gelesen, geschaut und vor allem: sehr gerne gehört.
Schön, ich habe die Stücke sowohl als die Interpreten auch sehr sorgsam ausgewählt.
karlrichtermunich.blogspot.com/2007/11/julia-hamari-herzlichen-glckwunsch-zum.html
@ merdeister schrieb am 05.12.2010 um 22:22
"Kirche am Rathaus", klar, hätte ich mir ja auch denken können, in Köln gibt es ja auch so eine Kirche am Bahnhof.
www.derweg.org/deutschland/besuchen/images/koelnerdom-2_big.jpg
Ja, oranier, und Du hast als Aufklärer so ganz nebenbei Hans Joachim Rotzsch als Stasi-Spitzel enttarnt. Doch eigentlich war es die Gauck-Behörde, die damals viele Menschen, nicht nur Rotzsch, als IM eingestuft hatte.
Thomaskantor Rotzsch trat 1991 zurück, um seiner Entlassung durch die Stadt Leipzig wegen einer ihm unterstellten IM-Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit seit 1973 zuvorzukommen. Sein Rücktritt war von zahlreichen Protesten Leipziger Bürger, aktiver und ehemaliger Thomaner sowie der Eltern von Thomanern begleitet, die sich vehement für ihn einsetzten.
Im Oktober 1992 wurde Rotzsch (geboren 1919) als ordentlicher Gastprofessor für evangelische Kirchenmusik an das Mozarteum in Salzburg berufen, wo er bis 2000 wirkte.
Ich vergaß: Quelle für oben: wiki.
Verehrter oranier, (bitte schön, wie Du willst) :-))
Ich wollte Dich mit meinen Anmerkungen überhaupt nicht irgendwie "angehen", sondern nur
eine Geschichte dazu kommentieren. Aber - ich sehe, was ich auch "beitrage", Du siehst darin einen Angriff.
Dass die Hinwendung an das Objekt der religiösen Verehrung durchaus erotisch motiviert sein kann, übersteigt offenbar ebenso deine Vorstellungskraft
Nein, ich bin ja katholisch aufgewachsen und kenne auch das "Hohelied". Erotik ist in allem. Du liest Böswilliges in meine Zeilen hinein.
Du schreibst dann:
Deshalb: die religiöse Huldigung, die aus Bachs Oratorien,
Kantaten und Orgelwerken spricht, als reine Camouflage anzusehen, welche das Grundprinzip der Unterwürfigkeit unter die weltliche Herrschaft notdürftig überdecke, das ist
eine völlig verfehlte Simplifizierung und künstlerisches Banausentum.
Wenn Du meine gar nicht so grundsätzlich gemeinte Einlassung so sehen willst, na gut. Ich dachte eher an den biblischen Satz: Gebt Gott, was Gottes ist und des Kaisers was des Kaisers ist. Und manchmal ist das ein Aufwasch auch in der Musik. :-))
Es gibt ja auch ein fröhliches Banausentum. Ich glaube, ein Banause wäre ich, wenn ich mein mäßiges Klavierspiel als Virtuosität ausgeben würde.
Auch ein so gebildeter Mensch wie Du, der Vorträge von gehobenem Geist unter die Menschen streut, allerdings immer brav von den kreativen Sekundärtugenden lebt mit Geistesgrößen im Rücken, damit ihm nichts anbrennt, kann ein Banause sein, wenns ernst wird. Also sei sorgsam mit Deinen Zuschreibungen.
Überhaupt, ich gewinne diesem Wort was ab: Zum Banausentum gehört ein gewisser Mut, behaupte ich keck. Es gibt Leute, die sich auf Bewährtem, Ausgetretenen, Angelesenen und -gehörtem bräsig und besitzversessen ausruhen und selbstzufrieden vor dem wohlsortierten
Platten- oder Bücherschrank sitzen.
Von dort schwärmen sie hin und wieder aus und schwärzen die Mutigeren an, die sich auch mal vertun und verheben. Die nehmen ihre Zuflucht zu aklopfbar abgesicherten, quellenbelegten Erkenntnissen, die ein guter
Volkshochschulpädagoge auch auf der Pfanne hat,wenn er sich Mühe gibt. Nur, dass der bescheidener daherkommt und nicht auch noch ein Überlegenheitsaroma aus den Blüten der eigenen Erkenntnis saugt und Huldigungen nicht abgeneigt ist. Nicht einer, der das "Jauchzet, frohlocket", gleich an sich selbst ausprobieren will.
Darauf könnte man zwar antworten: dem Reinen ist alles rein, und aus dem Sumpf heraus betrachtet, ist die ganze Welt schmutzig.
Ja, mach mal. Wirf mal mit sekundär abgesicherten Sprüchen nach Leuten. Ich frohlocke darüber nicht, aber gestatte mir ein Grinsen. Und wandle die Bibel ab: Unselig sind die Selbstgerechten.
Dagegen wartest du hier mit wahren Enthüllungen auf, die Eingang in künftige Bach-Biografien verdienten: Honnecker hat das Weihnachtsoratorium nie "besucht". Was
nicht stattgefunden hat, ist offenbar allemal erwähnenswerter als das, was war, z.B. dass der "sehr beliebte" Thomaskantor Hans Joachim Rotzsch ein Stasi-Spitzel war.
Ich enthülle nichts. Aber Deine Sätze enthüllen die oben schon angemerkte Selbstgerechtigkeit.
Das mit Honecker war ein ironischer Scherz von mir.
Ich fand die Geschichte ganz witzig, weil er - wenn schon diese schöne triumphale Musik erklingen sollte - den weltlichen Teil zu hören bekam. Die Leute machten sich ihren Reim drauf. Aber, diese Ironie hast Du nun wieder nicht verstanden.
Die Sache mit dem Thomaskantor Rotzsch hat weinsztein behandelt. Es gab sehr viel Empörung, als er gegangen wurde, das stimmt, aber das ist eine andere Geschichte, von der Du auch nichts verstehst. Wie auch. Du bist ja so gut ausgerüstet mit Wissen, dort im tiefen Westen und mit den sekundären Informationen darüber auch gut bewaffnet. Wenn nichts mehr sticht, dann kann man noch immer Stasi rufen.
Rotzsch war bescheiden, sehr freundlich, wie mein Mann mir erzählt hat, der nebenher mal eine Reportage gemacht hat über ihn und seine Modelleisenbahnanlage.
Liebe Cassandra,
Dass Oranier daraus einen Angriff gelesen hat, seh ich auch nicht?
Vielleicht keinen Angriff, aber etwas, worein er sich anklagend verbeißen kann und eine hübsche Bezichtigung gleich anschließen.
Seine Antwort darauf ist schon ziemlich eindeutig.
Ehrlich ich erwarte immer dass am Ende mancher Sätze steht: Setzen!! Oder einen Schuleintrag: Wurde wegen ständigen Banausentums der Klasse verwiesen.
"Meinst du, dass die Bibel keinen Nährwert bietet, das schließe ich jedenfalls, weil du dazu "ne also wirklich" schreibst? "
Meine Bemerkung zur Bibel war eher ein Seufzer. Das will ich klarstellen. Es ist eine Selbstverständlichkeit und den meisten Leuten bekannt, wieviel auf der Bibel ruht.
Niemand, der halbwegs bei Sinnen ist, würde die Bedeutung der Heiligen Schrift oder die Schönheit sakraler Musik abwerten. Auch von den Atheisten nicht. Nur oranier unterstellt das.
Ich habe aber keine Lust, hier was aufzusagen zum Thema. Ich bin nicht im Seminar oder in der Schulstunde.
"Das kann man doch ausdiskutieren, bis man eine gemeinsame Verständigungsebene gefunden hat bzw zumindest nachvollziehen kann, wie der andere zu seinem Urteil gekommen "
Dazu war mir ehrlich gesagt der Stil der Antwort nicht einladend genug, vorsichtig gesprochen.
Aber, ich rede nicht gern über Abwesende, das macht der Blogautor leider gern, ich nicht. Nach Wochen finde ich manchmal in anderen Blogs Bemerkungen über mich. Sowas finde ich nicht gut, darum auch hier genug davon.
Hier habe ich gleich noch was Nettes, man muss auch mal losbellen.
Verehrte Magda (die bist du doch hier, oder etwa nicht?),
So viel kann man ja gar nicht richtigstellen, wie du hier verdrehst.
Ein Banause ist laut Wörterbuch ein "Mensch ohne Kunstverständnis" Inwiefern Mut dazugehören soll, wenn einem ein bestimmtes Verständnis abgeht, ist mir unerfindlich. Es gehört im Gegenteil zur Charakteristik von Banausen, dass sie sich für kunstverständig halten. Bescheidene Leute, die sagen: Ich verstehe nichts von Kunst, Musik usw. sind keine Banausen.
Jedoch könntest du nach so langer Zeit endlich mal rezipieren, dass ich mich jeweils auf das Geschriebene beziehe und keine verallgemeinernden Urteile über die Schreiber abgebe. Das überlasse ich anderen. So habe ich geschrieben:
"Die religiöse Huldigung, die aus Bachs Oratorien, Kantaten und Orgelwerken spricht, als reine Camouflage anzusehen (...) das ist (...) Banausentum". Damit sage ich, für jedermann überprüfbar, eben nicht: "Magda ist eine Banausin", sondern: "das bezeichnete Urteil ist banausisch". Das ist doch nicht dasselbe.
Aber dennoch bist DU es, die solche Aussagen ständig verdreht und im Gegenzug auf sachliche Kritik, und um eine solche handelt es sich hier, jeweils mit persönlichen Unterstellungen und Beleidigungen reagierst. Sachliche Argumente kann man ggf. widerlegen, aber die bekommt man nicht aus der Welt durch Schmähungen des Kontrahenten.
Setzen!
Allein hier in deinen Postings gehören dazu:
"Du liest Böswilliges in meine Zeilen hinein" - Ich lese überhaupt nichts in deine Zeilen hinein, wüsste auch nicht, wie das gehen sollte, ich lese etwas aus deinen Zeilen heraus und kritisiere deine darauf stehenden Aussagen, wo ich sie für verfehlt halte. Das ist das gängige Verfahren der Kritik. Es steht dir nicht zu, das mit moralischen Kategorien, wie "böswillig" zu diskreditieren.
"Es gibt Leute, die sich auf Bewährtem, Ausgetretenen, Angelesenen und -gehörtem bräsig und besitzversessen ausruhen und selbstzufrieden vor dem wohlsortierten
Platten- oder Bücherschrank sitzen.
Von dort schwärmen sie hin und wieder aus und schwärzen die Mutigeren an, die sich auch mal vertun und verheben."
Die nehmen ihre Zuflucht zu aklopfbar abgesicherten, quellenbelegten Erkenntnissen, die ein guter
Volkshochschulpädagoge auch auf der Pfanne hat,wenn er sich Mühe gibt. Nur, dass der bescheidener daherkommt und nicht auch noch ein Überlegenheitsaroma aus den Blüten der eigenen Erkenntnis saugt und Huldigungen nicht abgeneigt ist. Nicht einer, der das "Jauchzet, frohlocket", gleich an sich selbst ausprobieren will".
Das braucht man nur, wie hier, aus dem Kontext zu heben und für sich stehen zu lassen, und jeder sieht, welche üble Schmähschrift das ist. Statt irgendeiner konkreten Kritik an meinen Äußerungen, wie ich das umgekehrt pflege, nichts als verläumderische Verunglimpfungen. Und wieder das moralische Verdikt: Bei wem sollte ich hier "die Mutigeren" anschwärzen können und wollen, die sich "mal vertun und verheben"? Was soll daran mutig sein? Ich bin der Mutige, wenn ich dir in Erwartung deiner Invektiven zeige, wo du besser daran tätest, "Zuflucht zu aklopfbar abgesicherten, quellenbelegten Erkenntnissen" zu nehmen. Überhaupt erlaubt die Herabwürdigung von "aklopfbar abgesicherten, quellenbelegten Erkenntnissen" einen tiefen Einblick in das Berufsethos einer professionellen Journalistin.
Welche Blüten deine intellektuellenfeindlichen Angriffe treiben, sieht man an folgendem, zugleich, wie verlogen oder vergesslich du bist im Hinblick darauf:
"Aber, ich rede nicht gern über Abwesende, das macht der Blogautor leider gern, ich nicht".
In dem inzwischen gelöschten Blog "Das Diktat des Kapitals" heißt es jedoch:
"Magda schrieb am 23.11.2010 um 20:28
@ nemesquitte - Das ging mir auch so. Da wirft sich einer, der viele Jahre studiert hat, sicherlich viel viel älter und belesen. mit aller Wucht auf einen Blogversuch, der nicht mit der Absicht geschrieben ist, allen wissenschafltichen Kriterien standzuhalten, die der Kritiker vor sich herträgt.
Ich finde sowas kleinlich und albern. Belesenheit und Bildung hin oder her."
Da war ich jedenfalls abwesend, und einmal abgesehen davon, dass dies mal wieder eine der zielgerichteten Attacken speziell gegen oranier ist, denn ich folge hier nur j-ap, den du zuvor unkommentiert lässt, der aber bestimmt nicht weniger belesen ist als ich - wie du übrigens auch, deren Lektürehinweise und -bekundungen Legion sind - : Hier wurde von der Blogversucherin explizit die Entfremdung nach Marx ins Spiel gebracht. Darüber zu sprechen, ohne Zuflucht zu "aklopfbar abgesicherten, quellenbelegten Erkenntnissen" sprich: ohne die entsprechenden Texte von Marx zu kennen und zu zitieren oder zu referieren, das erlauben sich wohl nur die allfälligen Ignoranten, die sich nicht scheuen, in solchen Blogs den gesegnetsten Schwachsinn zu schreiben, nur um etwas zu schreiben und die sich einen Teufel darum scheren, dass sie sich dabei ggf. vertun und verheben. Nenne du das Mut, ich nenne es geistige Hochstapelei.
"Wirf mal mit sekundär abgesicherten Sprüchen nach Leuten." Wieder so eine Verunglimpfung. Die martialische Sprache verdreht "abgesicherte Sprüche", die ich jemandem in der Diskussion zu denken gebe, zu gefährlichen Wurfgeschossen.
Zusammengefasst: Denk' gefälligst mal darüber nach, was du schreibst und wie du schreibst, falls du mit deinem Sprachbewusstsein überhaupt zu einer solche Reflexion fähig bist, und wenn nicht, dann nimm wenigstens die Warnung deines Kritikers entgegen, ein wenig vorsichtiger zu sein. Deine Sprache entbirgt Abgründe deines Denkens.
Zu Rotzsch noch kurz: Deine und Weinszteins (kann der eigentlich noch was anderes als Leute zu beschimpfen und uns hier ständig eins vorzuwikipedieren?) Argumentation leuchtet mir ein, mal abgesehen davon, dass du über meine Kenntnisse und mein Verständnis über DDR und Stasi nichts, aber auch gar nichts weißt, dir hier aber statt des Arguments die pauschalierende Verhöhnung erlaubst ("Wenn nichts mehr sticht, dann kann man noch immer Stasi rufen"): Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen kennen keine Lieder, und wer eine Modelleisenbahn hatte und freundlich und bescheiden war, kann kein Stasi-Spitzel gewesen sein.
Ach weinsztein, es tut mir leid, dass du immer noch den Verlust einer Freundschaft öffentlich beklagen musst, die so von meiner Seite aus nicht bestanden hat.
Mein Ton, dein Ton, ihr Ton, jeder hat seinen eigenen, den man respektieren sollte. Was ich oben kritisch vorführe, ist nicht Magdas Ton, sondern sind ihre hasserfüllten Invektiven, mit denen sie meine Person seit je überzieht. Das ist doch keine Frage der Tonfärbung. Wenn du das in Ordnung findest, wird dir auch mein Ton als Missklang erscheinen.
Deine Wikipediererei hier, von Magda ergänzend unterstützt, muss ich da echt meinen kleinen ironischen Schwenk noch verdeutlichen? Entweder Rotzsch war ein IM oder er war keiner. Er lebte seit 1990 in einem Rechtsstaat und musste nicht aufgrund von Verdächtigungen sein Amt aufgeben, auch wenn sie von der Stadtgemeinde oder der Gauckbehörde kamen. Von dem Verdacht hätten ihn die Gerichte entlasten können, aber doch keine Proteste von Leuten, die ihn als Musiker und Lehrer schätzten. Wenn die Stasi professionell organisiert war, was ich annehme, rekrutierte sie natürlich zumal sympathische Mitarbeiter, die in ihrem Wirkungskreis Vertrauen genossen.
Worauf ich hier aber eigentlich abzielte war, statt Honnecker zu einer Witzfigur zu stilisieren, eine politische Reflexion über die Verbandelungen der Repräsentanten der altehrwürdigen Thomaskantorei - es gibt sie, lange vor Bach, jedenfalls schon seit 1518 - mit den jeweils politisch Herrschenden. Die letzten vier Kantoren vor Rotzsch (Straube, Ramin, Thomas, Mauersberger) waren alle vier mehr oder weniger belastete Mitglieder oder Liebdiener des NS und sind ebenfalls alle vier von den zuständigen Stellen der DDR entlastet worden. Um welchen Preis wohl? Wie findet man unter den Bedingungen wechselner kulturpolitischer Orientierungen einer autoritären Regierungspartei die Balance zwischen notwendiger Anpassung und möglicher relativer Autonomie ohne opportunistische Anbiederung?
lieber oranier, im teutonischen gemüt ist platz für allerhand, auch für musik. du gibst es zu erkennen.
wer aber nicht merkt, was er tut, muss besoffen sein von der eigenen gemütlichkeit. empfehle zur kur den wachen geist der französischen aufklärung. weiß aber nicht, ob es hilft, denn in teutonien hatte man es schon immer lieber um stufen dunkler, mystischer, mysteriöser, benebelter.
nun jauchze und frohlocke mal schön weiter!
nicht nur geschäftstüchtig und fleißig, lieber hibou, der alte bach soll auch nicht immer sehr menschenfreundlich mit seinen schülern umgesprungen sein.
aber, lieber hibou, was mäkelst du noch? warum jauchzest und frohlockest du nicht über den bachschen kinderprügler? wir haben doch eine so grandiose tradition!
@ TomGard schrieb am 11.12.2010 um 12:37
Wenn du Wert auf die Diskussion mit mir legst, was ich eher nicht annehme, dann beherzige bitte zunächst einmal die Attribute, die Descartes einer wahren Aussage beimisst: "clare et distincte"! Und drücke dich demgemäß doch bitte statt solchen Geschwurbels klar und deutlich aus!
Soviel ist aber sicher: dass du schreiben kannst: "das ist der Begriff - - auch der bachschen Musik" legt nahe, dass du von beidem nichts verstehst, weder vom Begriff noch von der Musik.
@ h.yuren schrieb am 10.12.2010 um 23:01
"nicht nur geschäftstüchtig und fleißig, lieber hibou, der alte bach soll auch nicht immer sehr menschenfreundlich mit seinen schülern umgesprungen sein."
Aha: "soll umgesprungen sein" - nichts Genaues weiß man nicht, wie über die Biografie und den Charakter von Bach überhaupt, über die wir leider - oder, wenn ich an den Klatsch und Tratsch denke, der über Affairen von Komponisten-Gattinnen über hundert Jahre von Philistern breitgetreten wird, Gott sei Dank - nur sehr spärlich und aus sekundären Quellen unterrichtet sind. So wird aus einer einzigen Begebenheit, einer verbürgten Strafe, die Bach als Student wegen einer Rauferei erhielt, in die er verwickelt war, von kühnen Biografen das Bild eines jähzornigen Mannes entworfen.
Gleichwohl wird aus deiner ursprünglichen Aussage "nicht immer sehr menschenfreundlich" unter der Hand der "bachsche kinderprügler" (ein falscher Wortgebrauch übrigens, es müsste schlicht heißen: der Kinderprügler Bach. Die Bachsche Musik ist die Musik von Bach, der Bachsche Kinderprügler wäre der Kinderprügler von Bach).
Aber gesetzt, die Sage sei verbürgt, so verweise ich auf Cassandras Kommentar und sage nur kopfschüttelnd: dass du dich nicht schämst!
@ h.yuren schrieb am 10.12.2010 um 22:34
"lieber oranier, im teutonischen gemüt ist platz für allerhand, auch für musik. du gibst es zu erkennen."
- In wessen Gemüt kein Platz ist für Musik, ob Teutone oder Gallier, der ist nicht einmal ein Banause, der ist ein Barbar.
@ hibou schrieb am 09.12.2010 um 14:39
Im philosophisch-psychologischen Wissen darum, dass die Menschen sich selbst am schlechtesten kennen, verzichte ich grundsätzlich auf Selbstcharakteristik und überlasse sie stattdessen anderen.
von meinem bescheidenen Musikverständnis habe ich oben eine Kostprobe gegeben, bei der Beurteilung von literarischer Kunst gehe ich vom Elementarsten aus: Wie ein Maler zu allererst mit Pinsel und Farben und ein Bildhauer mit Hammer und Meißel fachmännisch umgehen können muss, so ein Literat mit der Sprache: die benützten Wörter sowie die sprachlichen Bilder müssen stimmig sein.
Eine Kostprobe meiner sprachlich-literarischen Urteilsfähigkeit gebe ich dem Urteil des Publikums hier anheim:
www.freitag.de/community/blogs/hibou/hotel-naipaula-oben-liest-vom-select#comment-203532
@ nemequitte schrieb am 11.12.2010 um 16:47
"... natürlich zunächst einmal den Blogtexter. Es hat mich aber nicht mehr danach verlangt, noch einmal mein Wort an ihn zu richten. Ich glaube, das hat vor allem mit Humor zu tun."
- Wollen Sie in Ihrer kruden Sprache vielleicht zum Ausdruck bringen, dass Sie kein Verlangen danach verspüren, das Wort an den Blogtexter zu richten?
Darum möchte der aber auch herzlich gebeten haben, bei dem Schmu, den Sie hier schreiben und der eher wenig mit Humor zu tun hat.
@ hibou
Lieber hibou, danke, es ehrt dich, dass du dich entschuldigst, das geschieht hier viel zu selten beim unvermeidlichen Schlagabtausch.
Allerdings sind auch ein gewisser Wildwuchs und eine gewisse Ausweitung des jeweiligen Blogthemas vielfach offenbar unvermeidlich, wenn die Kommentatoren sich von ihren Assoziationen lenken lassen. Das finde ich nicht schlimm und ignoriere es entweder oder schreibe etwas mir passend erscheinendes dazu. Im Falle deines Kommentars: siehe oben!
Möge es nützen!
Freundlichst
oranier
@ Titta
"an der eigenen Argumentation zu pfeilen" ist allerdings köstlich. Will sagen: die eigene Argumentation zu einem spitzen Pfeil zurechtzufeilen, gell?
gut gebrüllt, lieber spiegel-löwe. sagte doch schon der alte mönch: wer nicht liebt wein, weib und gesang ...
und ich setze in aller demut hinzu: wem nicht wohl und warm ums herz ist beim suhlen im muff der letzten 1000 jahre und mehr, auch der bleibt ein narr sein leben lang.