Artikel:
"Selbstgerechter Shitstorm"
Dominic Johnson, taz vom 17.06.2014
http://www.taz.de/!140468/
Was für ein unlauterer demagogischer Artikel!
„Vor 70 Jahren landeten die westlichen Alliierten im deutsch besetzten Frankreich und starteten den europäischen Zweifrontenkrieg gegen Hitler, der schließlich zum Ende des Zweiten Weltkriegs führte.“
D-Day. Da ging es, wie Johnson selber vermerkt, um "Alliierte", also um Verbündete. Im Angriffsfall den eingegangenen Bündnisverpflichtungen nachzukommen, dazu muss der Bundespräsident das Volk doch nicht eigens ermahnen. Aber wer von Deutschlands Verbündeten ist denn überhaupt akut bedroht? - Gauck hat selbstverständlich etwas anderes im Sinn.
Ich habe keine andere Quelle dafür, aber Gysi behauptet 2010 in der taz, Gauck sei für den völkerrechtswidrigen Irakkrieg gewesen. Merkel war es sowieso. Wäre es nach denen gegangen, wären unsere Soldaten damals schon im Irak gelandet. Im Afghanistankrieg dann ja sowieso. Das sind die passenden Beispiele, auch wenn sie von Johnson zurückgewiesen werden.
„Über solche Dinge muss offen diskutiert und gestritten werden. Aber das geht nur, wenn der Griff zur Waffe grundsätzlich als legitimes Mittel der Politik anerkannt wird.“
Neben dem martialischen „Griff zur Waffe“ erscheint hier nahezu wörtlich Clausewitz’ Verdikt: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Genau diese Haltung und Praxis der absolutistischen Staaten, nachdem der „gerechte Krieg“ mangels allgemein anerkannter Autoritä (des Papstes) obsolet geworden war, mündete in dem Massaker des 1. Weltkrieges, in dessen die Menschheit erschreckendem Ergebnis der Krieg überhaupt durch Völkerbund und später UN grundsätzlich geächtet und eben nicht mehr als „legitimes Mittel der Politik“ anerkannt wurde. Nur als unmittelbare Selbstverteidigung unter Anrufung des Sicherheitsrats sind ihm als "legitimes Mittel" grundsätzlich enge Grenzen gesetzt. Davon ist hier beim forschen „Griff zur Waffe“ wohlweislich nicht die Rede.
Gauck, flankiert durch Johnson, könnte ja auch für eine Wiederbelebung, Stärkung und Reform der Vereinten Nationen für die internationale Friedens- und Menschenrechtssicherung plädieren. In einem zu bildenden schlagkräftigen Militärkontingent könnten dann unsere Soldaten eine vorzügliche Rolle einnehmen.
Von den Waffenexporten hier nicht zu reden.
Aber nichts da, Johnson muss hetzen und diskriminieren. Die Sprache bringt es an den Tag: Wer Kritik als „geißeln“ geißelt oder in einem der liberalsten Länder der Welt den widersinnigen Topos vom „Denkverbot“ anführt, von dem hab’ ich so schon genug gelesen.
Sogar solcher gedanklicher Wildwuchs wie hier in der taz ist ja doch offenkundig, man ist fast geneigt „leider“ zu sagen, erlaubt.
Kommentare 7
Komisch ist das schon. Es scheint, als müsste der Ressortleiter Ausland "nachbessern".
Vor zwei Tagen erschien dieser taz-Kommentar:
Haltloses Gerede
Zitat daraus: Joachim Gauck fordert mehr Bundeswehr-Präsenz, wird aber nicht konkret. Aber wo es um Menschenleben geht, verbietet sich Schwadronieren.
Aber, bei der taz wundert mich im Moment gar nichts. Da hat einer vor kurzem noch mehr Waffenexporte besonders befürwortet.
@Oranier
Die Diskussion darüber in den Zeitungen habe ich nicht verfolgt. Danke für den interessanten Einblick was die taz betrifft. Ihre Einschätzung spricht mir aus dem Herzen.
Viele Grüße
poor on ruhr
In einem zu bildenden schlagkräftigen Militärkontingent könnten dann unsere Soldaten eine vorzügliche Rolle einnehmen.
Will heißen, dass Sie selbst den "Griff zur Waffe" nicht ausschließen. Nichts anderes hat Gauck gesagt. Die Kritik aus der politischen Ecke war, wie so oft, pure Parteienpolemik; das hat der taz - Artikel sehr gut dargestellt.
Da hat der Deutschnationale was falsch verstanden. Oranier zitiert das nicht zustimmend.
Hihi, genau. :-)
Moin Freigang!
Doch, da hast du mich durchaus falsch verstanden. Den Kausalzusammenhang habe ich so natürlich nicht gemeint. Ich habe nicht vermerkt, wodurch die Massaker des 1. Weltkriegs ursächlich begründet waren, sondern was diese in der Folge bewirkt haben. Nämlich einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel vom Krieg als Instrument der Politik zwischen gleichberechtigten souveränen Staaten (wenn auch als ultima ratio) zur grundsätzlichen Ächtung von Angriffskriegen überhaupt als illegitim. Das geschah ausdrücklich und völkerrechtlich verbindlich durch den „Briand-Kellogg-Pakt“ von 1928/1929, in dem sich insgesamt 40 Staaten zum Gewaltverzicht verpflichteten und Angriffskriege für völkerrechtswidrig erklärten.
Das wird 1945 in Art. 2 der UN-Charta dahin ausdifferenziert, dass die Mitgliedstaaten sich verpflichten, ihre internationalen Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen und jegliche Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen.
Das ist allerdings das diametrale Gegenteil vom „Griff zur Waffe“ als „legitimes Mittel der Politik“, wie Johnson es anerkannt haben möchte. Das wäre, wie ich zeigen wollte, kein Fortschritt im völkerrechtlichen Sinne, sondern ein expliziter Rückschritt zu Clausewitz.
Wobei man den instrumentellen Charakter auch dieses Paradigmas nicht als reine Willkür ansehen darf. Die neuzeitlichen Theoretiker des Kriegs- und Völkerrechts formulierten durchaus Bedingungen für die Legitimität von Kriegen. Pufendorf und Kant sahen bereits in einem supranationalen Völkerbund die Lösung für einen „ewigen Frieden“. Jedoch war ein „jus ad bellum“ (das Recht, Kriege zu führen) unter gegebenen Bedingungen im Gegensatz zum zeitgenössischen Völkerrecht ausdrücklich vorgesehen. Davon klar zu unterscheiden ist das „jus in bello“, das Recht im Kriege, dargelegt u.a. in der „Haager Landkriegsordnung“, in der der Umgang mit Kombattanten, Zivilbevölkerung, Kriegsgefangenen geregelt ist, aber tendenziell auch ein Verdikt gegen bestimmte Waffen (Landminen, Giftgas …) ausgesprochen oder angestrebt ist.
Mit „aufgeklärtem“ oder nicht aufgeklärtem Absolutismus, ja mit Konstitution oder Republik hatte das ganze wenig zu tun. Friedrich II. von Preußen, dem Kant in seiner Schrift „Was ist Aufklärung?“ ein Denkmal setzt und der sich darin gefiel, Flöte zu spielen, Bachs Sohn als Kapellmeister zu engagieren und Voltaire, den berühmtesten Philosophen der Aufklärung, an seinen Hof zu holen, war nebst der aufgeklärten Katharina II. von Russland ein ausgesprochener Kriegstreiber. Die beiden waren maßgeblich daran beteiligt, den Siebenjährigen Krieg, den eigentlichen 1. Weltkrieg, vom Zaun zu brechen und teilten zusammen mit Maria Theresia Polen unter sich auf. Das ganze war allseits durch nichts als die Erweiterung von Territorien und Macht- und Enflusssphären motiviert. Das „Gerechte“ an diesen Kriegen verkam zu formalen Prinzipien, wie, dass man einen Krieg dem Gegner ordnungsgemäß erklärt.
Dass das Prinzip des „gerechten Krieges“ dermaßen in den Hintergrund trat, hatte nicht nur mit der Reformation zu tun, durch die die Autorität des Papstes obsolet wurde, sondern auch mit dem historischen Wandel vom Feudalstaat zum Absolutismus, der sich im 16./17. Jh. vollzog. Gründete der Feudalstaat noch darauf, dass die Fürsten ihre Territorien vom Kaiser, der auch für das Schlichten von Streitigkeiten unter diesen verantwortlich war, als Lehen erhielten, diese also nicht unmittelbar durch Kriege erweitern konnten, so erlangten spätestens durch den 30-jährigen Krieg die Territorialfürsten die Souveränität über ihre Länder, die sie nun bestrebt waren zu erhalten und zu erweitern, dabei sogar z.T. gegen den Kaiser zu Felde zogen. Der 30-jährige Krieg weitete sich dergestalt vom ursprünglichen Religionskrieg der katholischen gegen die protestantische Seite zum wechselseitigen Krieg aller gegen alle um Macht und Einflusssphären aus.
Du hast also recht, die Zusammenhänge sind komplexer. Darüber wäre noch viel zu sagen, allein, es reicht erst einmal.
Ebenfalls Grüße
oranier
Danke allen für die Kommentare!