Wie feiert man den Tag der Befreiung? Den Tag, an dem das Großdeutsche Reich mit seinem Krieg gegen die ganze Welt, mit seiner industriellen Massenvernichtung von Menschen sein Ende nahm? Natürlich so wie Horst Köhler, der Präsident des Nachfolgestaates: »Unser Land hält Maß und hat Gewicht. Wir werden in der Welt geachtet und gebraucht. Die Bundeswehr hilft weltweit, den Frieden zu sichern und die Menschenrechte durchzusetzen.«
Ja? Die maßgebende Zeitung für Deutschland, hat von Frankfurt aus ihr Gewicht in die Debatte geworfen, damit aller Welt klar wird, wie der 8. Mai hierzulande zu begehen ist, wie wir Deutschen der wie sie schreibt »kurzen Rede von der Befreiung« entgegenzutreten haben. Energisch, denn so meint diese Frankfurter Allgemeine ein »Tag der Befreiung« war es nur für die vom Nationalsozialismus Verfolgten, für die Juden. Unsere Aufgabe am 8. Mai aber ist es, »den eigenen Gefallenen, Vermißten, zur Zwangsarbeit Verschleppten und bei der Vertreibung Umgekommenen ein würdiges Andenken zu bereiten«.
Zwei Bücher empfiehlt darum die FAZ gleichermaßen: den im Teamwork von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher und Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust produzierten Sammelband mit Interviews zum Kriegsende und den Band Die Besiegten, den der Göttinger Gymnasiallehrer Karlheinz Weißmann herausgegeben hat. »Beide zusammen«, so die FAZ »ergeben ein gutes, manchmal ergreifendes Bild der Epoche.«
Vor zehn Jahren war dieser »Göttinger Gymnasiallehrer« laut FAZ noch der Lieferant eines »Kuckuckseis« im Nest des angesehenen Propyläen-Verlages, dessen Cheflektorat der revisionistische Historiker Rainer Zitelmann damals in der Hand hatte. Der versorgte Gleichgesinnte und übertrug Weißmann die Abfassung des Bandes der Propyläen- Weltgeschichte über die NS-Zeit. Hans Mommsen, der ursprünglich den Band schreiben sollte, wurde vor die Tür gesetzt. Damals noch war die FAZ über diesen »Geschichtsskandal« entsetzt, der schleunigst rückgängig gemacht wurde. Heute rühmt das gleiche Blatt den Weißmann-Band Die Besiegten, der so verdeutlicht die Preußische Allgemeine Zeitung aus Hamburg mit der »undifferenzierten Anerkennung der deutschen Schuld am 2. Weltkrieg« aufräumt und die »Ausschaltung des Deutschen Reiches« beklagt. Das sei damals »als Militär- und Wirtschaftsmacht« verloren gegangen. Heute »hilft« die Bundeswehr wieder »weltweit«, wie Präsident Köhler unterstreicht.
Doch das entscheidende Ereignis, das der Drohung des Bundespräsidenten ihren Nachdruck verleiht, blieb in nahezu allen Reden und Artikeln zum Friedensausbruch vor 60 Jahren unerwähnt. Vor sechs Jahren sprachen wieder deutsche Waffen, fielen deutsche Bomben, half die Bundeswehr. Doch nur dem Publizisten Klaus Bölling fiel en passant am 8. Mai in seinem Sonntagskommentar für den Deutschlandfunk ein, »richtig, es hat den völkerrechtlich zweifelhaften Kosovo-Krieg gegeben«.
Dass die Deutschen endlich wieder eine Nation sind, die erwachsen geworden ist, die endlich wieder fähig ist, Krieg zu führen, einen unerklärten Angriffskrieg sogar, es blieb merkwürdig ausgeblendet am 60. Jahrestag der Befreiung. Zur Wiederkehr des 8. Mai entfernte auch so manches angesehene Blatt für deutsche oder für internationale Politik Hinweise auf diesen Krieg aus den Artikeln seiner Autoren. Sogar die Begründung musste verschwinden, warum unter Joseph Fischer, als er Außenminister wurde, die NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes nicht endlich aufgearbeitet wurde: weil er nämlich erst einmal mit dem Schlachtruf »Nie wieder Auschwitz« den erneuten Krieg gegen Jugoslawien begründen musste.
Vergangenes Jahr im November hatte der ehemalige Bundeswehrmajor Franz-Josef Hutsch in Interviews mit dem ZDF und dem Freitag (Ausgabe 46/2004) mit den Propagandalügen aufgeräumt, mit denen Fischer und der ehemalige Verteidigungsminister Scharping seinerzeit in den Krieg zogen. Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis endlich der in diesen Interviews zum »Massaker« von Raçak erwähnte FAZ-Korrespondent Matthias Rüb* eine lange Widerlegung geschrieben hat (siehe FAZ vom 3. Mai 2005). Sie gipfelt darin, dass Hutsch im Prozess gegen Milosevic als »Entlastungszeuge« aufgetreten und sein Interview die »beste denkbare Entlastung und Rechtfertigung« für dessen Politik sei.
Rüb, seit 1994 von der FAZ in Budapest stationiert, erhielt keine zwei Jahre nach dem letzten Krieg für »seine tiefgründige Berichterstattung über die Region, zumal über den Krieg im ehemaligen Jugoslawien« die Medaille der »Südosteuropagesellschaft«. Eine Gesellschaft, die 1940 rechtzeitig ein Jahr vor dem Überfall auf Jugoslawien gegründet wurde und unter dem Patronat von Reichswirtschaftsminister Walther Funk stand, dem später in Nürnberg verurteilten Kriegsverbrecher.
(*) Zitat Hutsch: »Matthias Rüb ging in der FAZ noch deutlich weiter: Er schrieb von Enthauptungen und ausgestochenen Augen. Er berichtete dies so genau, als hätte er die Leichen in Raçak gesehen. Dabei war er zu diesem Zeitpunkt in Budapest.«
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