Hamburger sind ein widerliches und ungesundes Produkt der Menschenabfütterungsindustrie. Es gibt sie aber auch als eine seltsame Unterart des homo sapiens. Und als solche gehen sie am 29. Februar, den es nicht jedes Jahr gibt, zur Wahl.
Wahl? Franz Münterfering, der designierte SPD-Vorsitzende, behauptet so etwas. Er verlautbarte am Wochenende: "Wer nur ein Gesicht will, soll Ole von Beust wählen, wer einen Kopf will, Mirow!" - Mirow, Thomas, das ist der Bürgermeisterkandidat der Hamburger Sozialdemokraten. Sein Kopf hat ein dickes Loch, das er mit einem Schönheitspflaster der Marke "Arbeitsplätze" zugeklebt hat: das Mühlenberger Loch ist für Hamburgs Parteien, was Toll Collect für das Schröder-Kabinett ist, sie haben es nur noch nicht gemerkt. Thomas Mirow hat es einst als SPD-Wirtschaftssenator gläubig verursacht. Mit dem Versprechen, es würden Arbeitsplätze geschaffen, zerstörte er das einzigartige Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch und ließ es auf Hamburgs Kosten aufschütten für den Rüstungskonzern EADS, der jetzt für seine Airbus-Produktion ständig neue Gebietsforderungen an Bauern und Bürger stellt. Wenn es nach Recht und Gesetz geht - diese Gefahr ist gering - muss das Mühlenberger Loch wieder aufgemacht werden. Dagegen stehen Gesicht wie Kopf, in einer großkoalitionären - die Zukunft? - Einigkeit.
Das Gesicht Ole von Beust kam als Aushängegesicht von Ronald Schill an die Macht. Er hatte für die Hamburger CDU die Rekordniederlage von 26 Prozent errungen, während die SPD bei 36 Prozent siechte. Nur weil von Beust den Rechtsdraußen Ronald Schill mit dessen Schillpartei (fast 20 Prozent) mit ins Boot nahm und die vertrottelte FDP (fünf Prozent) dazu, konnte er trotzdem Bürgermeister werden. Das Regieren überließ er seinem Innensenator Schill, doch der faule Ronald, der sich als Partysenator einen geachteten Namen machte, gab es - das Regieren - weiter an seinen tüchtigen Staatssekretär, den Ex-Sozialdemokraten Walter Wellinghausen. Und der musste schließlich wegen seiner Übertüchtigkeit in verbotenen Nebengeschäften von Beust entlassen werden. Schill aber war so sehr auf sein Arbeitstier angewiesen, dass er versuchte, Beust mit dem Vorwurf der Homosexualität zu erpressen. Weil Beust sich nicht erpressen ließ - eigentlich selbstverständlich, aber seine einzige Leistung für Hamburg - wurde er plötzlich everybody´s darling. Die Hamburger - oder vielmehr eine Umfragemehrheit von rund 45 Prozent, die eine absolute Mehrheit in der Bürgerschaft bescheren können - verzeihen ihm, dass er nur dank Schill an die Macht kam.
Von mehr Kultur und Bildung für solche Hamburger hielt Ole von Beust von Anfang an nichts - er braucht seine Wähler, so wie sie sind. Wie einst die Preußenkönige ihre invaliden Kommisshengste als Lehrer einsetzten, so machte Beust aus einem abgetakelten Konteradmiral der Bundeswehr einen Bildungssenator. Der Militär Rudolf Lange richtete an Hamburgs Schulen und vor allem an den Kindertagesstätten ein so vollendetes Chaos an, dass selbst die einst bildungsbürgerliche FDP, aus der er kommt, ihren Konteradmiral 2003 aus dem Senat zerren musste.
Das Kulturressort wollte von Beust bei seinem Amtsantritt ganz abschaffen. Doch dann entschied er sich für eine sehr effektive Zwischenlösung. Er machte nach langer und gründlicher Überlegung die Bild- und Bunte-Redakteurin Dana Horáková zur Senatorin für Kultur. Sie tat, was sie konnte: sie brachte - der widerspenstigen Bezirksverwaltung wurde die Zuständigkeit entzogen - den Plastinator und Hochstapler "Professor" Gunther von Hagens mit seiner zusammengefledderten Leichenschau als grandioses Kultur-Event nach Hamburg.
Für von Beust erwies sich die Horáková als voller Erfolg. Hamburgs Kulturleute sehen längst ein: lieber überhaupt kein Kulturressort als so eines. Senatorin Horáková ahnt ihren nahen Polittod und flattert - ein fauxpas, auf den es nun auch nicht mehr ankommt - in den Bürgerschaftssitzungen mit einem Sticker "Ole wählen" aufgeregt auf der Senatsbank herum. Angesteckt hatte ihr das Ding der arg verfilzte Kollege Roger Kusch, der von seinem platonischen Freund Ole den Justizsenator und von der Bürgerschaft schnell auch einen Untersuchungsausschuss bekommen hatte. Freund Roger plakatiert jetzt sogar etwas außerhalb des Gesetzes im ganzen Stadtgebiet: "Ich unterstütze Ole von Beust. Senator Dr. Roger Kusch". Schill, der über Kusch gestolpert war, sucht darin schon jetzt einen Wahlanfechtungsgrund. Für ihn sieht es schlecht aus. Seine Partei ist gespalten. Die Schill- und die Anti-Schill-Gruppe liefern sich komische Gefechte, wer rechtens Schillpartei heißen darf - sie bleiben beide mit einiger Sicherheit unter fünf Prozent.
Aber da gibt es noch mit rund zehn Umfrageprozent in der Tasche die GAL, die sich immer noch als grünalternative Liste buchstabiert. Sie ist zum berufsmäßigen Koalitionspartner herangewachsen - ein vorzüglicher FDP-Ersatz - macht brav alles mit, gibt aber bei Bedarf auch kritische Töne von sich. 1999, als Joseph Fischer in den Kosovo-Krieg zog, hatte sie sich gespalten - die Kriegspartei behielt den Namen, der letzte grünalternative Rest nannte sich jetzt Regenbogenliste. Die erhielt bei der Wahl 2001 in Hamburg 1,7 Prozent. Auch wenn sie sich jetzt in einem breiteren Bündnis mit der PDS aufgestellt hat, wird es im Ole-seligen Hamburg kaum für die fünf Prozent reichen. Trotzdem, für Menschen, die in Hamburg immer noch links wählen wollen, ist es besser, ihnen die ansonsten unnütze Stimme zu schenken, als gar nicht wählen zu gehen.
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