Grünes Band der Sympathie

Geschäftsinteressen Die Dresdner Bank war an der Errichtung der Gaskammern von Auschwitz beteiligt - so das Urteil der Historiker

Die Schludrigkeit der Tagesschau erfand am Abend der Pressekonferenz die grandiose Ausrede: "1933 wurde die Bank verstaatlicht, die Führungsebene von den Nazis mit Parteigängern besetzt." Das sollte wohl heißen, die Dresdner Bank vom Nazistaat vergewaltigt - innerlich aber sauber geblieben. So hatte sie es selbst noch 1997 zu ihrem 125-jährigem Jubiläum gesehen. Doch die vier Historiker, die in den vergangenen sieben Jahren zwölf Kilometer Ordner mit bisher weggeschlossenen Akten der Dresdner Bank aufarbeiteten, kommen zu einem anderen Ergebnis.

1931 unter dem Reichskanzler Brüning hatte sich die Dresdner Bank selbst so ausmanövriert, dass sie nur noch dank sofortiger und massiver staatlicher Stützung dem Bankrott entrinnen konnte, ihr Aktienkapital ging zu 91 Prozent in öffentlichen Besitz über. Das war eine vorübergehende Stabilisierungsmaßnahme, allenfalls eine De-facto-Verstaatlichung, die Leitung der Bank aber hatte Weisung, weiterhin nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu handeln. Und das funktionierte reibungslos. Im Herbst 1937 unter dem Reichskanzler Hitler wurde die "Verstaatlichung" aufgehoben.

Die Dresdner Bank wurde also im Nazistaat reprivatisiert, aber nie verstaatlicht. Die fromme Tagesschau-Lüge entspricht einer nicht unüblichen Vergangenheitsbewältigung in diesem Staat: Die Wirtschaft hatte nie etwas mit Hitler zu tun, sie war von 1933 bis 1945 eine "Wirtschaft unter Zwang" - so 1966 eine BDI-Publikation - und sogar die lukrativen Zwangsarbeiter hatte man der widerwilligen Industrie aufgezwungen.

Aufgeschreckt durch das misstönende und geschäftsschädigende Echo, das die Jubiläumsreden - Helmut Kohl hudelte mit - von 1997 gefunden hatten, beauftragte eine neue Generation im Bankvorstand den Historiker Klaus-Dieter Henke zusammen mit seinen Kollegen Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth, eine ungeschönte Geschichte ihrer Bank zu erarbeiten. Die wurde am vergangenen Freitag in der Berliner Bankzentrale am Pariser Platz vorgestellt (Die Dresdner Bank im Dritten Reich, R. Oldenbourg Verlag 2006, 79,80 Euro).

"Juden raus", das war 1933, als noch nicht einmal ein Vorzeige-Nazi im Vorstand saß, die erste Maßnahme der Dresdner Bank, die 1872 von dem Juden Eugen Gutmann begründet worden war. Jeder, der "mindestens einen jüdischen Großelternanteil" hatte, musste gehen. Überhaupt hatte die Dresdner Bank, so resümiert Henke, "an dem politisch-ideologischen Programm der Judenverfolgung einen Anteil, der weit über die bloße Umsetzung staatlicher Vorgaben hinausging". Die Zusammenarbeit mit der Gestapo, ja später auch mit engen Mitarbeitern Adolf Eichmanns war eine unproblematische Selbstverständlichkeit.

Die Bank brauchte zur Selbstgleichschaltung keine Naziparteigänger. Fast alle Juden waren schon hinausgeworfen, als erst Ende 1934 zwei Banker mit Regimenähe in den Vorstand einzogen, Karl Rasche und Emil H. Meyer, die sich bald mit hohen SS-Ehrenrängen zieren durften. Das war kein Zwang, das lag im Geschäftsinteresse. Und als Fremdkörper erwiesen sich die beiden Nazis überhaupt nicht.

"Sehr geehrter Herr Dr. Rasche!" schrieb die Filialdirektion Krefeld am 17. September 1943 dem Vorstandsmitglied Professor Dr. Karl Rasche nach Berlin, "wir hören aus unserem Kundenkreis einen kleinen scherzhaften, für Sie aber sehr schmeichelhaften Vers: ›Wer marschiert hinter dem ersten Tank? Das ist der Dr. Rasche von der Dresdner Bank.‹ Dieser nette Vers wurde ... soeben anläßlich einer Unterhaltung ... über unsere Affiliationen, die einen außerordentlichen Umfang angenommen haben, mitgeteilt."

"Unsere Affiliationen", die Dresdner Bank war - in ständiger Konkurrenz mit der Deutschen Bank - fast immer die erste am Platz, wenn irgendwo die deutsche Wehrmacht einzog, angefangen 1938 in Österreich. Karl Goetz, der parteilose Vorstandsvorsitzende, der nach Hitlers Ende als Widerstandskämpfer posierte, kam allerdings nicht hinter dem ersten Tank, er war schon vor dem Marschbefehl da. Im Juli 1937, lange bevor die deutsche Wehrmacht in Österreich einzog, tauschte sich Goetz mit Hitlers Wirtschaftsberater Wilhelm Keppler über die Zukunft der schon 1932 übernommenen Wiener Mercurbank aus. Goetz: "Über das wünschenswerte Ziel der Arisierung der Mercurbank und Behauptung des in ihr verkörperten deutschen Stützpunktes besteht, glaube ich, an keiner Stelle unserer Bank irgendein Zweifel. Heil Hitler! Ihr sehr ergebener Carl Goetz."

Sofort nach dem Einmarsch wurde aus der inzwischen judenfreien Mercurbank das Hauptinstrument der Dresdner Bank zum weiteren Vordringen in Ost- und Südosteuropa. Die Dresdner Bank war nicht nur - wie schon lange bekannt - die Hausbank der SS, Henke und seine Mitarbeiter haben jetzt herausgefunden, dass zu ihrem Aktienbesitz auch die Huta gehörte, jene Hoch- und Tiefbau AG, die die Vergasungsstätten von Auschwitz errichtete - die Dresdner Bank hatte den Aufsichtsratsvorsitz. Manch früherer Angestellter der Dresdner Bank mit unzulässigem Großvateranteil konnte dank Huta der Bank keine Sorgen mehr bereiten.

Henke bestätigt einerseits, wie "tief und aktiv" deutsche Wirtschaftseliten in den Nationalsozialismus involviert waren und wie deutlich diese "begeisterte Regimenähe und überzeugte Mittäterschaft auf dem Gipfel der deutschen Macht in Europa" zum Vorschein kam. Andererseits aber verschließt er sich nicht der Einsicht, dass "bereits die gewöhnlichen Antriebe privatkapitalistischen Wirtschaftshandelns hinreichten, um eine Mittäterschaft an den nationalsozialistischen Verbrechen zu befördern". Das aber kann uns für die Zukunft unserer privatkapitalistisch durch globalisierten Welt das Fürchten lehren.


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