Im zweiten Glied

Becks Abgang Wie Johannes Kahrs das Ende des SPD-Vorsitzenden begleitete

Am vergangenen Donnerstag stieg ZDF-Moderatorin Maybritt Illner vom Podium der Politiker hinunter zu den Menschen im Publikum und befragte einen Ex-Juso, was denn das am Wochenende zuvor gewesen sei. "Das war ein Konterputsch gegen links", sagte der und meinte den Abgang von SPD-Chef Kurt Beck. Da ging die Kamera zurück aufs Podium und zeigte einen strahlenden Johannes Kahrs. Der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises - davon konnten sich Millionen Zuschauer überzeugen - ist zufrieden.

Unten im Publikum redete der Ex-Juso weiter, sprach schließlich von einer "zusammengewürfelten Runde", die Beck "im Hinterzimmer gemeuchelt" habe. Da ging die bösartige Kamera wieder auf Kahrs und hielt einen zufrieden lächelnden Menschen fest, der mit sich selbst im Reinen ist. Als Illner wieder oben war, sagte der Seeheimer friedlich, er könne auch "im Letzten nicht bewerten, was an diesem Wochenende gelaufen ist". Das sollten Historiker beurteilen, da werden - er ist in dieser Hinsicht sicher - "dicke Bücher geschrieben". Gewiss, in diesen Büchern wird die Wahrheit über Mord und Mörder stehen und dies: der Kahrs, Johannes, war ein ehrenwerter Mann.

"Ich krieg dich, du Schlampe!" Nächtliche Drohanrufe dieser Art brachten 1992 die linke Juso-Funktionärin Silke Dose regelmäßig um den Schlaf. Von der Polizei ließ sie eine Fangschaltung legen, weil sie meinte, ein normaler Stalker verfolge sie. Irrtum, die Polizei ermittelte den ehrenwerten Parteifreund Kahrs, der auf solche Weise ihr Gewissen auf die rechte Bahn lenken wollte.

Das Gerichtsverfahren, für das Kahrs den späteren CDU-Bürgermeister Ole von Beust als Anwalt nahm, wurde gegen eine Buße von 800 DM eingestellt. 50 führende Hamburger SPD-Mitglieder forderten Kahrs gleichwohl in einem Offenen Brief auf, von "sämtlichen Ämtern und Mandaten" zurückzutreten und zu prüfen, ob ein weiterer Verbleib in der SPD für ihn sinnvoll sei.

Johannes Kahrs prüfte und kam zu dem richtigen Ergebnis, ein Verbleib sei sinnvoll. Er wurde Besitzer eines Mandats im Bundestag, das sich für den leidenschaftlichen Reserveoffizier inzwischen als sehr lukrativ erwiesen hat.

Am 14. Oktober 2006 berichtete das Hamburger Abendblatt: "Der Hamburger SPD-Spitzenpolitiker Johannes Kahrs hat für seinen Bundestagswahlkampf 2005 weit mehr Spendengeld von Rüstungsfirmen erhalten als bisher bekannt. Größter Spender mit 50.000 Euro ist nach Informationen der Frankfurter Rundschau die Firma Rheinmetall Detec AG aus Nordrhein-Westfalen. Von der Münchner Krauss-Maffei Wegmann erhielt Kahrs danach 9.000 Euro. Kahrs hatte bei der Bundestagswahl in Hamburg-Mitte das Direktmandat gewonnen. Pikant: Beide Firmen entwickeln den Schützenpanzer Puma, für den die Projektsumme von zunächst zwei auf derzeit drei Milliarden Euro erhöht wurde. Kahrs ist seit dieser Legislaturperiode mit allen Parlamentsangelegenheiten für das Projekt federführend befasst."

Ein ehrenwerter Mann, der sich nicht gern für nichts bezahlen lässt. Als Beck im März Ypsilantis rot-rot-grünem Projekt den Segen nicht völlig versagte, stieß Kahrs an die Spitze der BMW-("Beck-muss-weg")-Fraktion, die eine Öffnung nach links schon deshalb verhindern muss, weil dadurch die deutschen Friedenseinsätze für den Krieg beeinträchtigt werden könnten. "Dafür muss er büßen", sagte Kahrs laut Flensburger Tageblatt während einer parteiinternen Versammlung. Die FAZ, die diese Ankündigung freudig wiedergab, lobte Kahrs: "Wer immer ein deutliches Wort zur rechten Zeit über die Zustände in der SPD benötigt, ist bei Johannes Kahrs an der richtigen Stelle."

Doch erst einmal dementierte der ehrenwerte Mann: Er habe "definitiv nicht" gesagt, dass Beck für seine Äußerungen zur Linkspartei "büßen" müsse. Das Flensburger Tageblatt blieb bei seiner Darstellung. Das war im März. Gebüßt hat Beck jetzt im September. Er weiß - und sagt es nicht - wer ihn gemeuchelt hat. Nur soviel verrät er: Es war keiner aus dem ersten Glied. Johannes Kahrs ist ein ehrenwerter Mann. Er steht - das wird sich ändern - im zweiten Glied.

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