Kreis der Dissidenten

Sächsischer Landtag Sechs Abgeordnete aus CDU und FDP zeigen eine gewisse Nähe zur NPD

Jener "Bombenholocaust", den die NPD kürzlich in Dresden zu entdecken wusste, wird von Berlin aus fortgesetzt. Die Junge Freiheit, das Zentralorgan der "Neuen Rechten", bietet in ihrer letzten Ausgabe die Überschrift: "Ausrotten, vergasen, auslöschen". Sie will damit die "Motive der britischen Luftkriegführung" erläutern, für die Dresden "nur eine Station" gewesen sei. Der Aufmacher auf Seite 1 - Schlagzeile "Das Inferno" - bedroht die "bundesdeutschen Funktionseliten". Irgendwann schlage "die Stunde der Wahrheit". Was diesen Funktionseliten dann passieren wird, daran berauscht sich die Junge Freiheit: "Schon heute möchte man um keinen Preis der Welt in ihrer Haut stecken."

Im sächsischen Landtag gab es bereits im November bei der Wahl des Ministerpräsidenten mindestens zwei Abgeordnete außerhalb der NPD-Fraktion, die nicht mehr in ihrer Haut - in der Haut ihrer Partei - stecken wollten. Sie wählten - zukunftsorientiert - nicht den CDU-Mann Georg Milbradt, sondern den NPD-Ministerpräsidentenkandidaten Uwe Leichsenring. Wahrscheinlich fehlten Milbradt sogar drei Stimmen aus dem eigenen Lager. Denn ein PDS-Abgeordneter soll seine Stimme Milbradt geschenkt haben. Aus Dankbarkeit - der Ministerpräsident hatte ihn mehrmals besucht, als er wochenlang im Krankenhaus lag. Zwei oder drei Abweichler - im Januar bei der Wahl des Jugendhilfeausschusses zählte man bereits fünf Dissidenten, mutmaßlich aus CDU oder FDP, die für NPD-Kandidaten stimmten.

In beiden Fraktionen gibt es je zwei Mitglieder, die sich für die Junge Freiheit als Interviewpartner zur Verfügung gestellt oder gar für sie geschrieben haben: Ex-Minister Steffen Heitmann von der CDU und Tino Günther von der FDP sowie die beiden Fraktionsvorsitzenden Fritz Hähle und Volker Zastrow. Zastrow gilt in Dresden, so schreibt die Sächsische Zeitung, als der "Mini-Möllemann". Als alles schon klar war, meinte Zastrow, Möllemann habe sich "weder antisemitisch noch rechtspopulistisch" geäußert.

Heitmann war 1993 kurzzeitig Unionskandidat für das Bundespräsidentenamt. Er musste schleunigst ausgewechselt werden, als seine Rechtsaußensprüche allzusehr in die Öffentlichkeit drangen. Ihm gelangen fast genau so überdeutliche Vergleiche wie jetzt seinen NPD-Kollegen. Etwa über die bei der ostdeutschen Bodenreform enteigneten Großgrundbesitzer: "Die sind ebenso deportiert worden wie vorher die Juden", meinte Heitmann und wandte sich gegen eine "ideologische Überhöhung" des Holocaust. Sein Fraktionschef Hähle war der erste hochrangige CDU-Politiker, der sich mit Martin Hohmann solidarisierte, als der aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossen wurde. Der habe, versicherte Hähle, sich mit seinen Äußerungen über ein "jüdisches Tätervolk" doch nur "ungeschickt ausgedrückt". Einen, der sich viel geschickter auszudrücken weiß, den Politologen Eckhard Jesse, der sich freut, dass hierzulande "der jüdische Einfluss nicht allmächtig" sei, hat Hähle gerade zum CDU-Berater in NPD-Fragen gemacht.

Der Fünfte in diesem nationalen Bund ist Matthias Rößler, der sich als Wissenschaftsminister im Kampf um das Hannah-Arendt-Institut auf die Seite derer geschlagen hatte, die den Hitler-Attentäter Elser nachträglich anklagten. Rößler sah sich - wie der Spiegel berichtete - "genötigt, seinen in geheimer Wahl ausgefüllten Stimmzettel einem Fraktionskollegen zu offenbaren, um dem Verdacht zu entgehen, er unterstütze die NPD". Doch der aufmerksame Kollege hat ihn, wie immer Rößler stimmte, mit Sicherheit nicht verraten. Es war - wie der Spiegel nicht berichtete - der Abgeordnete Lars Rohwer, der in einer vorgeblich gegen die NPD gerichteten Rede Auschwitz mit der Mauer verglich und dabei zu der sehr eigenen Erkenntnis kam: "Die Nationalsozialisten vergasten ihre eigene Bevölkerung und im real existierenden Sozialismus tauschte an der Berliner Mauer mancher sein Leben gegen den Wunsch nach Freiheit." Stimmzeuge Rohwer beendete diese Rede mit dem Bekenntnis: "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein." Da applaudierte auch die NPD-Fraktion.

Insgesamt sind es also sechs Abgeordnete - Heitmann, Günther, Hähle, Zastrow, Rößler und Rohwer -, bei denen man sich fragt, warum sie nicht in der NPD-Fraktion hospitieren. Seltsam aber, nur fünf Leute sind es, die sich in geheimer Wahl zur NPD bekannt haben. Zumindest einer von den Sechsen muss - obwohl die Wahl geheim war - mit seiner eigenen Partei gestimmt haben, statt sich für den NPD-Kandidaten zu entscheiden. Wer ist der Verräter an der deutschen Sache? Vielleicht jener FDP-Parlamentsneuling Tino Günther, der bisher nur als Junge Freiheit-Autor hervorgetreten ist? Wir wissen es nicht, wer die NPD im Stich ließ. Aber in der Haut dieses Verräters möchte so mancher um keinen Preis der Welt stecken, wenn eines Tages die NPD die Macht übernimmt.


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