Karwoche ist angesagt, Rüstzeit, um etwas für unser Christentum zu tun. Am besten mit den Experten von Constantin-Film, die sich im März zugleich mit dem Start der Passion Christi dem Deutschen Corporate Governance Kodex unterworfen haben. Sie präsentieren auf ihrer Website den seither steil ansteigenden Aktienkurs der Deutschen Constantin und "Das Gewinnspiel zum Film". Wir sollen entscheiden: dieser "fünftbeste US-Kinostart aller Zeiten" zeigt er a) die Geburt von Jesus Christus, b) den Untergang Roms oder c) die letzten zwölf Stunden im Leben Christi?
Der Regensburger Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller sieht - das kann bei der richtigen Beantwortung der drei Fragen helfen - in diesem Film einen "ergreifenden Beitrag zum Verständnis der Leidensgeschichte Jesu". Der Oberseelenhirte zeigt auch, dass er die Absicht des Films gut verstanden hat: "Die an manchen Stellen dargestellte Brutalität zeigt, wozu Menschen in ihren dunkelsten Eigenschaften fähig sind."
Während dieser Film des Fundamentalisten Mel Gibson die Botschaft des Christentums in Blut ertränkt und zum sadistischen Evangelium gegen die Juden macht, zeigt die am Ostermontag in den Hamburger Deichtorhallen zu Ende gehende Foto-Ausstellung Corpus Christi: Christus-Darstellungen in der Photographie, 1850-2001, was der Menschensohn uns heute wirklich zu sagen hat. Mit den rund 150 Exponaten von insgesamt 81 verschiedenen Künstlern.
Gegen die Ausstellung, die in Fotos des ermordeten Che Guevara, des niedergeschossenen Robert Kennedy oder des umgebrachten streikenden Arbeiters den gekreuzigten Christus wiedererkennt, läuft seit Wochen eine Kampagne von ganz besonderer erzkatholischer Seite. "Aktion Deutschland braucht Mariens Hilfe e.V." aus Frankfurt am Main hat überall im Land mit Postwurfsendungen und Protestpostkarten "Corpus Christi" der Gotteslästerung und Blasphemie bezichtigt.
Nichts davon bemerkt hatten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion am Wochenende: "Bilderstürme(r): die verbotenen Gesichter des Heiligen". Hamburgs katholischer Weihbischof Hans-Jochen Jaschke fand auch die "anstößigen" Bilder aus dem Alltagsleben wichtig und zeigte sich zu Recht tief beeindruckt von einem Fotokunstwerk des aserbaidschanischen Muslim Rauf Mamedow auf fünf gemäldeartigen Fototafeln: Christus und die zwölf Jünger beim letzten Abendmahl, dargestellt von Menschen mit Down-Syndrom.
Der eigentlich provokative Beitrag zur Diskussion kam - wie die vom Jerusalem-Museum gestaltete Sammlung selbst - aus Israel: Avi Primor, bis 1999 Botschafter in Bonn, zeigte den überraschenden Blick auf die Ausstellung, die - wie er betont - in den USA nicht gezeigt werden kann, 40 Museen haben sie abgelehnt. Was bedeutet, fragt er, Corpus Christi für die Juden? Primor als freier Israeli aufgewachsen, fühlte sich nie - wie die Juden in der Welt - als Angehöriger einer Minderheit. Antisemitismus kannte er nur aus den Schulbüchern.
Die Shoa war begrenzt, sagt er. Sie war die schlimmste Tragödie der Juden, aber sie dauerte - "nur" - zwölf Jahre. Corpus Christi aber, sagt Primor, war immer. Mit den Kreuzfahrern begann es, die die Juden als "Christusmörder" auf dem Weg nach Jerusalem ausrotteten. Die Kirche, die habe Angst ausgelöst. Richtige physische Angst habe er erstmals gespürt, als er mit seinen Eltern in Bethlehem war. Der Gekreuzigte - ein Gespenst, das ihn verfolgte, das weiterlebt in Mel Gibsons hassaufpeitschendem Film, dem nicht nur die einflussreichen Fundamentalisten in den USA zujubeln, auch in den muslimisch beherrschten Vororten von Paris wird er gefeiert. Als Kronzeuge der Verbrechen von Juden an Palästinensern baut der Film neue Gespenster auf, die Ausstellung aber, die den Menschensohn zeigt, baut sie ab.
"Solch eine Ausstellung ist für uns eine Befreiung", sagt Primor, "wenn wir sehen, dass der Corpus Christi eine Idee, eine Metapher ist". Sie predigt keinen Hass, sondern Menschlichkeit unter Christen, Moslems und Juden. Er wünschte sich, dass die 20 Prozent, die in Israel das orthodoxe Judentum vertreten, ähnlich aufgeschlossen seien, wie die kirchlichen Vertreter hier in Hamburg auf dem Podium.
Es ist der Fundamentalismus, der den heute als Politologen in Tel Aviv lehrenden Ex-Botschafter erschreckt, auch und gerade der Fundamentalismus eines George W. Bush.
Diese Ausstellung in den USA, so Primor, wäre heilsam. Oder in Russland, wo unter der erneuerten Macht der orthodoxen Kirche der uralte Hass gegen die jüdischen "Christusmörder" wieder hoch koche.
Ach ja, die marianischen Heerscharen sind am Wochenende in Hamburg ausgeblieben, sie traten nicht zum Endkampf gegen die "Blasphemie" an. Doch der Absturz ins Banale machte auch vor dem Corpus Christi nicht Halt. Zum Schluss zeigte der Veranstalter, wie unbefangen wir heute Christus leben. Als Dank stellte er den sechs Podiumsteilnehmern eine Speise auf den wie zum Abendmahl weißgedeckten Tisch. Dies ist mein Leib, hatte Jesus beim letzten Abendmahl gesagt und das Brot gebrochen. Doch statt der Kreuzigung präsentierte der Veranstalter mit seiner Gabe schon die Auferstehung: sechs in buntes Zellophan gewickelte Schokoladen-Osterhasen. Der Weihbischof schluckte, die anderen wohl auch.
Gesegnete Mahlzeit. Aber danach Zähneputzen bitte nicht vergessen - noch ist Karwoche.
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