Demokratie vs. Rechtsstaat

zwangsräumung Zur Zwangsräumung Lausitzer Str. 8 am 14.02.2013

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Als am Morgen des 14. Februar 2013 ein Großaufgebot der Polizei die Zwangsräumung der Wohung der Familie Gülbol begleitet, wird die Macht des Rechtsstaates deutlich, mit Gewalt die Wahrung der Verhältnisse durchzusetzen. Offen kollidieren dabei die beiden Grundprinzipien unserer Gesellschaft, Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Denn dem rechtlichen Urteil steht die Unterstützung tausender Sympathisant(inn)en der Gülbols entgegen.

„Informieren 'se sich mal in der Presse, bevor Sie das nächste Mal zu so 'ner Demo kommen“, herrscht ein Polizeibeamter einen jungen Mann an, der sich gegen 10 Uhr nach dem Umstand für den Großeinsatz erkundigt. Da war die Zwangsräumung bereits vollzogen. Gewaltsam hatten die Einsatzkräfte der Gerichtsvollzieherin durch angrenzende Hinterhöfe, durchschnittene Gartenzäune und eingetretene Türen den Weg gebahnt. Die Polizist(inn)en müssen im Verlauf des Vormittags zahlreiche Schmähungen über sich ergehen lassen. Und doch machen sie ihren Job ohne Anzeichen von Gewissensbissen. Sind sie an diesem Tag Handlanger der Demokratie oder des Rechts?

Vergegenwärtigen wir uns zunächst die Bedeutung der beiden genannten Prinzipien kommen wir zu dem Schluss, dass in einer Demokratie der Wille des Volkes (gemäß GG 20) das Maß politischen und gesellschaftlichen Handelns darstellt. In einem repräsentativen System wie der Bundesrepublik liegt die letztinstanzliche Entscheidungsmacht jedoch de facto bei der Justiz als Verwalterin der Gesetze. In einem demokratischen Rechtsstaat müssen Volkswille und Justiz sich also gegenseitig respektieren.

In der Praxis lässt sich ein eindeutiger Volkswille allerdings nur schwerlich ausmachen. Im Fall der Zwangsräumung steht die Solidarität der Sympathisant(inn)en und Unterstützer(innen) dem Interesse der Eigentümer an ihren Kapitalerträgen unvereinbar gegenüber. Beide Seiten spiegeln legitime Anliegen wider, die die Justiz schließlich durch Verhandlung in ein sozial verträgliches, gültiges Urteil gießen muss, um ihrem „demokratischen“ Anspruch gerecht zu werden. Die Verfahrensweise im Fall der Familie Gülbol zeigt jedoch, dass allein den Kapitalinteressen der Eigentümer Rechnung getragen wird. Das Gericht war als vermittelnde Instanz nicht in der Lage den Eigentümer André Franell auch nur zu einer Stellungnahme zu bewegen. Blind folgten dem Urteil die staatlichen Exekutivorgane. Die Bilanz ihres konzertierten Handelns: 400 Polzeibeamte im Einsatz, 800 Protestierende auf der Straße, 15 Festnahmen, ungezählte Verletzte durch den Einsatz von Pfefferspray, eine fünfköpfige Familie jetzt wohnungslos.

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Geschrieben von

Passenger

Essayist, Übersetzer (s. torial-Profil unter Homepage)

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