Klarheit und Humanität

Einwanderungsgesetz Die Diskussion um Einwanderung und Migration hat die Partei DIE LINKE. voll erfasst. Warum wir über linke Einwanderungsgesetze reden sollten. Ein Debattenbeitrag

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Wollen wir eine Festung Europa?
Wollen wir eine Festung Europa?

Foto: Christopher Furlong/Getty Images

Auf dem letzten Bundesparteitag der Partei DIE LINKE. in Leipzig kam es - nachdem monatelang alle Zeichen bereits auf Sturm gestanden hatten - zu einer offenen und deutlichen Aussprache zu den Themenkreisen „Migration“ und „offenen Grenzen“. Fernab dieser mit aller Macht in den Vordergrund drängenden tagespolitischen Probleme rang in Sachsen aber auch eine linke Partei um ihre eigene, langfristige Position in einer Welt, der immer klarer zu Bewusstsein kommt, dass die atemberaubende Dichte globale Vernetzung nicht nur eine Segnung, sondern gleichzeitig auch eine schwere Bürde sein kann. Freier Handel, eine so bislang nie dagewesene Freizügigkeit und die Globalisierung regionaler Konflikte - sei es durch Waffenexport oder transkontinentale Fluchtbewegungen - bilden dabei zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Dass eine klare Standortbestimmung zu diesen drängenden Gegenwarts- und Zukunftsfragen mehr als notwendig, vielleicht schon überfällig war, zeigen uns nicht zuletzt die Ereignisse auf Bundesebene der letzten Tage und Wochen. Einer CSU respektive Bundesregierung, in der Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit fröhliche Urstände feiern, muss sich eine linke, humanistische Politik klar entgegenstemmen. Doch wie soll und kann dies geschehen?

Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung kann die Ausarbeitung einer dezidiert linken Einwanderungsgesetzgebung sein, die sich deutlich gegen den Trend hin zu einer "Festung Europa" mit mehr Restriktion und Auflösung bestehender gesetzlicher Rahmenbedingungen positioniert. Einen ersten wichtigen Aufschlag zu dieser Debatte hat die „Projektgruppe Einwanderung“ im Auftrag der Linksfraktionen der Landtage Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vorgelegt. Leider auf dem Bundesparteitag nicht breit diskutiert, lohnt dennoch ein vertiefter Blick in das Papier.

Einwanderungsgesetz heißt nicht automatisch Ausgrenzung

Dass es im politisch linken Spektrum Vorbehalte gegen Einwanderungsgesetze gibt, überrascht ob der vergifteten Debatten der letzten Jahre und Jahrzehnte kaum. Zu häufig münden derartige Gesetzesentwürfe - auch das erleben wir aktuell - in Separierungsdiskurse, die „nützliche“ / „wert-volle“ von „unnützer“ / „wert-loser“ Migration im Sinne kapitalistischer Verwertungslogiken zu scheiden streben.

Doch genau jenen inhumanen Auswüchsen, die den Menschen hinter seiner nackten Arbeitskraft nicht mehr zu sehen gewillt sind, kann sich linke Einwanderungsgesetzgebung widersetzen. Dazu heißt es in besagtem Papier:

Es gilt daher, einen eigenen Vorschlag vorzulegen,wie ein Einwanderungsgesetz aussehen kann,das sich nicht der Verwertungslogik unterwirft, sondern das Menschen,die aus unterschiedlichsten Gründen nach Deutschland kommen,die Möglichkeit gibt,rechtlich abgesichert hier Fuß fassen,soziale Teilhabe erleben und soziale Anknüpfungspunkte finden zu können.

Hier zeigt sich der Kerngedanke eines Einwanderungskonzeptes, das sich fundamental von den Entwürfen und Vorschlägen anderer Parteien unterscheidet. Nicht die Frage des „Ob“, sondern einzig die nach dem „Wie“ bildet hier die Maßgabe für Zuwanderung. Es geht eben nicht nicht darum, ob wie auch immer qualifizierte Arbeitsmigrant*innen eher einreisen dürfen als Geflüchtete oder umgekehrt. Einzig die Tatsache, dass die Menschen aus beiden gerade benannten Gruppen auf anderen Wegen und unter anderen Umständen einreisen ist hier entscheidend. Dem muss eine linke Einwanderungsgesetzgebung Rechnung tragen, indem sie für beide Fälle juristische Pflöcke einschlägt, die Einwanderung erleichtern, nicht erschweren.

Hinzu gesellt sich in dem Projektgruppen-Entwurf ein Abschnitt, der sich mit der Frage nach Perspektiven zugewanderter Menschen auseinandersetzt:

Politischer Anspruch und konkretes Ziel einer linken Einwanderungsgesetzgebung muss die rechtliche Gleichstellung aller in Deutschland lebenden Menschen sein.

Im Kern ist dies ein klares Bekenntnis zu dem Grundsatz „Gleiche Rechte für alle“, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Staatsbürgerschaft. Nach Deutschland zugewanderte Menschen müssen auf eine Gesellschaft treffen, die ihnen nicht nur umfassende (!) politische Teilhabe garantiert, sondern ihnen auch unverzüglich alle Bildungswege und und den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen freimacht.

Humanitärer Lobbyismus

Im Kontext von Flucht und Zwangsmigration muss DIE LINKE. außerdem doch einmal Lobby sein - nämlich die Lobby all derjenigen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten gegen eine zunehmende Aushöhlung der deutschen Asylgesetzgebung einsetzen. Dieser seit den frühen 1990er-Jahren anhaltende Trend gipfelte zuletzt nicht nur in einer Liste von sogenannten „sicheren Herkunftsländern“, in denen tagtäglich Dutzende Menschen Terroranschlägen zum Opfer fallen, sondern auch in inhumanen Praktiken von Abschiebung, Versorgung und Unterbringung von Schutzsuchenden.

Linke Politik darf sich hier allerdings nicht in (freilich gerechtfertigter) moralischer Empörung erschöpfen, sondern muss praktisch werden. Welche konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen sind einzuleiten, um zu ermöglichen, dass Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen wollen, nicht eine strapaziöse, oft tödliche Reise über Meere und durch Wüsten antreten müssen? Warum kann Abschiebung - bspw. aus humanitär-völkerrechtlichen Gründen - kein Weg sein, um sich der Herausforderung von Einwanderung und Flucht im 21. Jahrhundert zu stellen? Über welche Programme und Initiativen kann es gelingen, zu uns kommenden Menschen einen bestmöglichen Start in ihr neues Leben zu gewährleisten und wie sollen derartige Modelle finanziert werden?

Dies sind nur einige der beinahe unendlich vielen Fragen, auf welche DIE LINKE. potenziellen Wähler*innen Antworten geben muss. Nicht permanente Selbstzerfleischung und interne Nabelschau, sondern praktische, lebensnahe Politik erwarten Menschen, die linker Politik aufgeschlossen gegenüberstehen. Es muss jetzt der Beweis vonseiten der Politik angetreten werden, dass dies möglich, gewollt und auch dringend geboten ist.

Was böte sich da eher an, als eine lösungs-, sach- und problemorientierte Debatte zu einer linken Einwanderungsgesetzgebung?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Patrick Beier

Kreisvorsitzender Die LINKE. Schmalkalden-Meiningen,Mitglied des Landesvorstandes Die LINKE. Thüringen

Patrick Beier

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