Dummheit kann tödlich sein

Bildung Dummheit ist der Nährboden für extremistisches Gedankengut – egal welcherlei Couleur. Warum gehen wir als Gesellschaft den Weg der Dummheit? Deutschland versteht sich …

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http://teleschirm.info/img/386-260-0-lehrer-laempel.jpgAnno 2010 wurde die Wissensnation Deutschland laut ausgerufen. Deutschland habe keine Rohstoffe mit denen es handeln könne, unser Rohstoff seien die Menschen, die Innovation schaffen. So das einhellige Credo der politischen Landschaft. Zeitgleich höhlte man diese Wissensnation aber zunehmend aus. Das Handwerk klagt über zu wenige Fachkräfte, die Naturwissenschaftler und Ingeneure fehlen auch, also brauchen wir mehr Leute die eine gute Ausbildung genießen können. So weit so gut.

Wäre da nur nicht immer dieses zwanghafte Verlangen, sich immer wieder auf einen Vergleich mit anderen Staaten einzulassen. Auf einen Vergleich der ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen ist. Unser Bildungssystem war gut wie es war. Es war international hoch angesehen und geschätzt. Ein Bildungsabschluss aus Deutschland, das war was. Aber in anderen Ländern haben mehr Schüler eine Studienberechtigung und die Studenten werden auch noch schneller von ihren Hochschulen mit einem Abschluss ausgespuckt. Dass diese Abschlüsse aber mit unseren unvergleichbar sind, das wird dabei gern vergessen. Die klassische Duale Ausbildung, wie sie bei uns normal ist, die gibt es nicht in anderen Ländern. Dort ist eine Ausbildung beispielsweise im Handwerk eine Lehre die nur aus Praxis besteht und keinen Schulbildungsanteil hat. Ein Studium wird aber bereits für vergleichsweise einfache Berufe verlangt. So studiert eine Krankenschwester in den USA und bekommt dafür ihren Bachelor. Dabei hat sie aber nur Theorie gemacht und keinen Praxisteil gehabt. Das heißt, dass sie bei ihrer ersten Arbeitsstelle erstmal lernen muss wie man jemanden in der Praxis denn nur so richtig versorgt und z. B. wäscht. Das kann unsere hochqualifizierte Krankenschwester in Deutschland alles schon, wenn sie aus der Schwesternschule kommt. Sie ist also höher qualifiziert. Heute kann man aber auch das i Deutschland studieren und kommt dann mit einem Studium ohne Erfahrung in die Kliniken. Außerdem erreichen in Deutschland unterm Strich gar nicht so wenige Menschen hohe Bildungsabschlüsse, da das Bildungssystem sehr offen ist. So kann wer eine duale Ausbildung hat, nach zwei jähriger Berufspraxis ebenso ein Fachstudium beginnen – ohne formal ein Abitur von der Regelschule zu haben.

Es geht bergab. Wenn wir weiterhin 43% der Schulabsolventen mit einem Abitur abgehen (Berlin), heißt das nichts Gutes. Es klingt zwar zunächst nach einer fulminanten Tatsache, aber eigentlich ist das Abiturzeugnis ein Armutszeugnis für die Wissensnation. Denn die allgemeine Hochschulreife erreichen nicht so viele, weil die Schüler einfach immer schlauer geworden sind, nein, sondern weil die Ansprüche heruntergefahren werden. So beschweren sich Professoren, dass ihre Studenten viele Grundlagen nicht mitbringen und sie diese so erst ein Mal vermitteln müssen. Das geht wiederum von ihrer Wissensvermittlungskapazität ab, denn die modernen und toll klingenden Bachelor- und Masterstudiengänge sind auf Rekordgeschwindigkeit getrimmt. Wäre da nicht das Trägheitsgesetz der Masse, was das Tempo im Universum auf die Lichtgeschwindigkeit begrenzt, würden die Kultusminister diese Barriere auch gern ab bauen um die Ressource Bildungsschlüsse noch weiter auszubeuten.

Da aber auf diese Weise kein wirkliches anwendbares Wissen entsteht wird das wohl nichts mit dem Plan, dass die besten der Besten freies Lernen praktizieren und sich umfangreich in einer Fachrichtung bilden können um dann bedeutende Forschungsarbeiten zu erbringen. Wo sind die Physiknobelpreisträger aus den deutschen Universitäten? Richtig, die waren im ersten Drittel des vergangen Jahrhunderts zu finden. Zu einer zeit in der nur wenige eine Studienberechtigung qua Abitur hatten.

Worum geht es eigentlich?

Aber warum gehe ich eigentlich darauf ein, wenn es in diesem Teil der Blogosphäre doch eigentlich um Datenschutz, Freiheit und Technik geht? Ganz einfach: Wer nicht selbst denken kann, lässt sich Meinungen und Ansichten von außen aufladen. Meinungen, wie die, dass die Massenüberwachung und Massendatenerfassung durch Polizei und Geheimdienste nur zu unserer Sicherheit und unserem Besten ist, sowie nur unsere Freiheit schützen will. Unsere Freiheit, die sie - die Politik - mit eben jenen Mitteln massiv bedroht und einschränkt. Durch das stark verbreitete Phänomen des Bulimielernens, bei dem nur für die nächste Prüfung, den nächsten Test oder die nächste Klausur gelernt wird, aber keine nachhaltiges Wissen mehr entsteht, welches man verknüpfen und abrufen kann, steuern wir af eine geistige Verarmung hin. Eine geistige Verarmung, die uns allen auf mittelfristige Sicht schaden wird.

Es ist eben nicht gut, wenn möglichst viele möglichst „gute Abschlüsse“ bekommen, die dann auf Grund der Inflation derer nichts mehr wert sind. Ein hoher Bildungsabschluss ist nur viel wert, wenn er nicht inflationär vergeben wird und nicht die Qualität vorausgesetzt wird, die dieser vorgibt zur Erlangung. Es ist in der Tat so, dass ich Freunde habe, die ganz offen zu geben, dass sie keine wirkliche Ahnung von dem haben was sie da studieren und dann an einer Abschlussarbeit länger sitzen, weil sie erst die Fakten wieder zusammen suchen müssen. Ist es das wert?

Nur so ist zu erklären, dass Mehrheit der Deutschen nicht reagiert und mit freundlichem Desinteresse beobachten, was uns jede Woche aus dem Snowden-Fundus und anderen Enthüllern offenbart wird. Die schier grenzenlose Überwachung aller Lebensbereiche der Menschen, das mit Füßen treten der Werte, die die westliche Wertegemeinschaft eigentlich für sich beansprucht hat und im Kaltenkrieg die Überlegenheit des Westens gegenüber dem Osten ausmachen sollte. Sind wir der Meinung, dass Menschen in Freiheit leben dürfen und sollen, dann sollten wir diese Überzeugung auch vorleben. Man kann sich nicht in China oder in Russland als der Hüter der Menschenrechte und Freiheit aufspielen, wenn man das nicht einmal im eigenen Hause hinbekommt.

Offenbar ist es so, dass die, die dafür sorgen sollen, dass Gesetze eingehalten werden, sich nicht an Recht und Gesetz halten. Vor einigen Monaten waren drei führende Verfassungsrechtler im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA Spähaffäre (auch: PUA; oder: NSA Ausschuss) als Zeugen geladen worden. Dabei stellten sie einhellig fest, dass die Überwachungspraxis in Deutschlang illegal ist und der Staat uns alle vor Überwachung schützen muss, da es zu den Schutzpflichten des Staates gehöre die Bürger vor Überwachung zu schützen und insbesondere eine umfassende Kommunikationsintegrität herzustellen. Matthias Bäcker sagte sogar aus, dass er der Ansicht sei, dass die Überwachungspraxis des BND zum Teil keine gesetzliche Grundlage habe - er also illegal handle.

http://teleschirm.info/img/387-320-0-mitglieder-der-staatl.jpgGerade wir Deutschen wissen (oder sollten es zumindest wissen), dass Unkenntnis dem Extremismus Tür und Tor öffnet. So haben wir auf deutschem Gebiet binnen 60 Jahren zwei Diktaturen erlebt. Jubelrufe in Reih und Glied und ein überfürsorglicher Staat als Vertuschungsmanöver für die seinen Untaten, das ist noch gar nicht so lange her und schon ist es vergessen. Eine Identität kann nur aufbauen wer weiß wo seine Wurzeln sind, wer seine Ahnen sind und zu welcher Gruppe er gehört. Wenn Kinder in der Schule zwar jedes Jahr auf’s neue eingebläut bekommen, dass das dritte Reich ein furchtbarer Unrechtsstaat war, aber keinen Bezug dazu herstellen können kann es geschehen, dass ein Überfüttern geschieht und ins Desinteresse entsteht. Dass all das auf deutschem Boden geschah und eine breite Masse des Volkes beherzt mitmachte, nützt nichts, wenn man nicht weiß warum. Es nützt auch nichts, wenn Schüler nicht wissen warum die DDR ein Schurkenstaat war und welche Argumente der freie Westen ins Feld führte um diesem als überlegen zu gelten.

Fangen wir also an die jungen Menschen zu fördern und ihnen ernsthaft Wissen zu vermitteln, aus dem wiederum eine gute Bildung entstehen kann. Wer nicht weiß, dass es einem historischen Zufall zu verdanken ist, dass wir in Freiheit und Demokratie leben, weiß auch nicht, dass es sich lohnt dafür einzustehen und diese Freiheit zu schützen. Je weniger Menschen wissen, desto größer ist ihre Anfälligkeit für autoritäre und diktatorische Systeme. Wie schnell diese Situation umschlagen kann sehen wir gerade in Tschechien, der Ukraine und vielleicht auch bald in Moldau.

http://teleschirm.info/img/388-260-0-1934-nuernberg-reichsparteitag-marsch-der-wehrmacht.jpgWer sagt uns, dass das in Deutschland nicht auch passieren kann und wer sagt uns dass die heute erhoben Daten dann nicht zur Verfolgung Andersdenkender genutzt werden?

Sehen wir es also so wie es ist: Hochwertige Bildung ist der beste Schutz vor Extremismus und kann die Überwachung vielleicht überflüssig machen. Dazu muss der Staat allerdings seinem Volke vertrauen – und in einer Demokratie ist das Volk, der Bürger, der Staat. Und eben nicht mehr wie im Absolutismus einer, es gilt eben nicht mehr:

Der Staat bin ich Der Staat bin ich. [Ludwig XIV]

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