Professor Bert Rürup hat viel um die Ohren: Der Multi-Sachverständige berät nicht nur die Bundesregierung, etwa als Chef der fünf "Wirtschaftsweisen", sondern auch Bürger. Vorzugsweise Akademiker mit Spitzenverdienst, die ihr Geld dem börsennotierten Finanzvertrieb MLP anvertrauen. In Seminaren, die gern im noblen Münchner Bayerischen Hof stattfinden, erläuterte er bereits mehr als 10.000 MLP-Kunden, was es mit der Rürup-Rente und - allgemeiner - mit der privaten Altersvorsorge auf sich hat.
Rürup weiß, dass die Privatrente eine vertrackte Sache ist und guter Rat unverzichtbar: Denn künftige Rentner bekommen drastisch weniger Ruhegeld vom Staat; Schuld sind die Reformen der vergangenen Jahre. Erhielt ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer 2006 noch 52 Prozent seines Einkommens als Rente, so werden es 2030 nur noch 43 Prozent sein - folglich sollen die Bürger auf eigene Rechnung vorsorgen.
Dafür unterstützt der Staat so unterschiedliche Modell wie die Riester-Rente, die betriebliche Altersvorsorge und die Rürup-Rente. Tatsächlich aber ist die Rentenpolitik paradox: Einerseits soll die staatlich geförderte Altersvorsorge Geringverdienern nützen, doch es profitieren vorrangig jene, die ohnehin schon sehr gut verdienen und früh in Aktienfonds oder private Rentenversicherungen investieren. Später erhalten sie zudem eine üppige gesetzliche Rente.
Für Topverdiener ist die Rürup-Rente eine perfekte Sache: Die Stiftung Warentest hat ausgerechnet, dass sich diese Altersvorsorge vor allem für Ältere lohnt, die gut verdienen und einen Steuersatz von 44 Prozent an das Finanzamt abführen. Sie gewinnen - erst durch die Steuervorteile in der Beitragsphase, dann von den vergleichsweise niedrigen Steuern im Alter. Die Rendite ihrer Rürup-Rentenversicherung, die für Gutverdiener vier Prozent beträgt, erhöht sich durch die staatliche Förderung auf zehn. Und so frohlockt das Unternehmermagazin Impulse: "Gerade für Firmenchefs bringt die Rürup-Rente attraktive Renditen."
Rürup-Sparer setzen schon jetzt 64 Prozent ihres Beitrags von der Steuer ab - maximal 12.800 Euro für Singles und 25.600 für Ehepaare. Jährlich kommen zwei Prozent hinzu. Bis 2025 sollen die Beiträge steuerfrei sein, jedenfalls bis 20.000 Euro im Jahr bei Singles und 40.000 Euro bei Ehepaaren. Dies gilt jedoch nur für Selbstständige; Angestellte müssen davon noch ihren Beitrag für die Rente abziehen.
Wie bei der Rürup-Rente, so gilt auch bei der betrieblichen Altersvorsorge: Wer hat, der bekommt. Spitzenverdiener, die sich privat krankenversichern, haben die größten Steuervorteile. Denn Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen sie weder für das, was sie an betrieblicher Altersvorsorge ansparen noch für die Rente, die sie später erhalten. Gesetzlich Krankenversicherte müssen auf ihre Rente den vollen Krankenversicherungsbeitrag entrichten. Somit ist ihre Rendite geringer - je nach Alter und Einkommen bis 4,2 Prozent.
Auch bei der Riester-Rente kommen Gutbezahlte besser weg als Geringverdiener, wenn auch nicht so deutlich. Die Rente, benannt nach Ex-Arbeitsminister Walter Riester, wird durch staatliche Zulagen gefördert, die alle gleich begünstigen. Der jährliche Höchstbeitrag von derzeit 1.575 Euro kann als Sonderausgabe komplett von der Einkommenssteuer abgezogen werden. Ab nächstem Jahr sind es sogar 2.100 Euro. Die Rente muss später zwar versteuert werden, doch im Alter ist der Steuersatz in der Regel geringer als während des Arbeitslebens. Außerdem gibt es eine langjährige zinslose Steuerstundung. Auch hier werden Spitzenverdiener bevorteilt. "Unter den Reichen und Besserverdienenden", konstatierte jüngst die FAZ, "wird der Steuereffekt immer stärker wahrgenommen."
Mittlerweile ist die staatlich geförderte Altersvorsorge so undurchsichtig, dass unzählige Versicherungen, Investmentgesellschaften, Finanzvertriebe und eine ganze Beratungsindustrie davon lebt. Kaum ein mittelständischer Unternehmer schafft es noch, sich einen Überblick über alle fünf Varianten einer betrieblichen Altersvorsorge zu verschaffen: Wählt er nun die Direktzusage, die Unterstützungskasse, einen Pensionsfonds, die Pensionskasse oder doch besser eine Direktversicherung? Welche ist die beste für sein Unternehmen? Welche für seine Mitarbeiter?
Niemand weiß so recht, warum mit der Rürup-Rente noch eine Altersvorsorge eingeführt wurde. Eigentlich richtet sie sich an Selbstständige, die nämlich nicht "riestern" dürfen, doch auch Angestellte können sie abschließen. Dabei hätte der Staat die Selbstständigen einfach in die Riester-Rente einbeziehen können.
Rürup nennt seine Rürup-Rente ein "erklärungsbedürftiges, komplexes Produkt". Aber er erklärt sie gern. Die Honorare für Vorträge und Beratertätigkeit machen den Professor reich. Und so wird er über die 72.000 Euro, die Walter Riester 2006 für seine Vortragstätigkeit erhielt, wohl nur müde lächeln.
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