Lauschangriff 22/08

Kultur Musik

Ich weiß nicht, ob ich meine Band nach einer ausgestorbenen Vogelart benennen würde. Mir würde bei einem solchen Namen der Optimismus zu kurz kommen. Meric Long und Logan Kroeber haben es gemacht, das Duo heißt The Dodos. Der Vorteil eines eher negativ besetzten Bandnamens ist die positive Überraschung, die erleben kann, wer Longs und Kroebers Musik kennenlernt.

Das Duo aus San Francisco hat vor zwei Jahren sein Debütalbum Beware of the maniacs veröffentlicht. Das neue Album trägt den Titel Visiter. Die Songs darauf sind entstanden in der Zeit, in der The Dodos auf Tour waren, um die erste Platte zu promoten. Sie handeln vom Stress des Lebens weit weg von zu Hause und von der Einsamkeit, die daher kommt, dass man überall, wo man ist, nur zu Besuch ist. Wenn auch The Dodos auf dieser Tour gelitten haben sollten - auf die Kreativität hat das in jedem Fall positive Auswirkung gehabt. Ich gehöre ja zu der Fraktion, die sich mit neuer amerikanischer Folkmusik schnell langweilt, weil ihr etwa die ausgedehnten Ausflüge von Sufjan Stevens zu ausführlich geraten. Aber in letzter Zeit erfreut sich das Genre einer für mich bemerkenswerten neuen Lebendigkeit: durch Fleet Foxes, Bon Iver und nun The Dodos.

Die Basis dieser Musik bilden Schlagzeug, akustische Gitarre und Gesang. Gelegentlich kommen weiblicher Harmoniegesang, Banjo, Bläser und ein Spielzeugklavier dazu. Logan Kroebers Percussions-Spiel ist ganz offensichtlich durch seine Zeit bei einer Progressive Metal Band geprägt worden. Sein kultiviertes Stampfen begleitet das komplexe Fingerspiel des Gitarristen Meric Long. Und das Resultat ist beinahe tanzbar. Der Sound zeigt sich teilweise von westafrikanischer Musik beeinflusst.

Man könnte The Dodos in diesem Punkt Opportunismus vorwerfen. Indierock mit afrikanischen Rhythmen zu verbinden, ist eine Idee, die David Byrne und Brian Eno schon vor langer Zeit gehabt haben. Im Moment hat dieser Stil Hochkonjunktur bei angesagten Bands wie Animal Collective aus Baltimore oder den Yeasayern und Vampire Weekend aus New York. Man könnte aber nur, denn das Album Visiter wirkt frisch und luftig und nicht epigonal. Die beiden klingen stellenweise wie eine akustische Version der White Stripes: Sie spielen Folksongs, die aber wie Rocksongs "unplugged" klingen. Das Album fängt sehr einfach an, verzweigt sich gegen Ende aber immer mehr. Der erste Titel Walking ist schlichter Folkpop. Meric Longs Stimme klingt jungenhaft und sehr wachsam, ganz so, als ob ihm nichts entginge. Es geht weiter mit psychedelischem Folkpop: "I know that I can be yours and you will be mine, come and join us in the trenches, red and purple by our side", singt er fromm auf dem zweiten Stück Red and Purple. Für Indie-Künstler ist es nicht unbedingt von Vorteil, nicht angeschlagen rüberzukommen, aber dass Long immer frisch und ausgeglichen klingt, schadet seiner Glaubwürdigkeit nicht. Wer Indieklänge mit der Anmutung seelischer Wracks sucht, muss sich woanders umschauen. Die Songs von The Dodos wirken, als ob sie nach einem ausgedehnten Besuch im Fitness-Studio entstanden wären: sehr souverän, sehr diszipliniert. Sogar das Schlusslied God kennt keine Vezweilfung: "Oh God, where´d you go, tell us how to feel inside, no lies. You lift us up and let us down." Wo es um die Aufs und Abs des Glaubens geht, kann von einem Verlust doch keine Rede sein.

In der Mitte des Albums findet man die abenteuerlichsten Songs. Jodi etwa könnte als Progressive Folkrock gelten. Der Song dauert über sechs Minuten und verbindet brillantes Gitarrenspiel mit brillantem Schlagzeugspiel. Das darauf folgende Lied Ashley ist sanfter und sensibler und beweist damit den Variantenreichtum der Band. Dafür spricht auch, dass Kroeber für die Aufnahmen ein neues Instrument erfunden hat: Er hat ein Tamburin in seinen Schuh gestopft. Nur leider lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, an welcher Stelle man den Tamburinschuh dann hört.

The Dodos auf Tour: 17.11. Frankfurt (Nachtleben), 18.11. Hamburg (Headcrash), 21.11. Berlin (Knaack), 29.11. Köln (Luxor)

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