Lauschangriff 23/03

Kolumne Es ist ein schönes Gefühl, bewundert zu werden. Seit zwei Jahren werden The Strokes aus NYC angehimmelt und beinahe wie Heilige behandelt. Wird die ...

Es ist ein schönes Gefühl, bewundert zu werden. Seit zwei Jahren werden The Strokes aus NYC angehimmelt und beinahe wie Heilige behandelt. Wird die Bewunderung anhalten oder lässt die Liebe nach? Das neue zweite Album der Band, Room on Fire ist gerade erschienen. Viele von uns machen sich Sorgen um die Zukunft des Rock´n´Roll. Wie sieht es wirklich mit dem Prozess der Erneuerung aus? Kann alternative rock sich überhaupt noch gegen Hip Hop, R und Nu-Metal behaupten? 2001 erschien das Debütalbum der Strokes Is this It?, und 2,5 Millionen Käufer sagten:"Ja, das ist es! Die Rettung des Rock´n´Roll!" The Strokes sind fünf junge, sexy coole Typen in Anzug und Schlips, die den Geist des New Yorker Punks wieder ins Leben gerufen haben. Ihre Vorbilder waren eindeutig The Velvet Underground und Television, aber sie haben eine Popbegabung, die dafür sorgte, dass sie nicht ewig eine Undergroundband blieben.

Das Debütalbum enthielt zwei Songs, Last Nite und Someday, die jetzt schon als Klassiker gelten und auf jeder coolen Party gespielt werden. Die Single des neuen Albums 12:51 war die erste Mutprobe für The Strokes. Ist der Song so gut wie die beiden Hits des Debüts? Nein, so spektakulär ist er nämlich nicht, und deshalb waren meine Erwartungen eher gedämpft, als ich das Room on Fire-Album schließlich bekam. Als Gesamtwerk ist es aber alles andere als enttäuschend. Der Sänger Julian Casablanca sagte, dass es Ziel der Band sei, nur gute Songs zu veröffentlichen. Deshalb war das Debütalbum nur 36 Minuten lang, und deshalb ist die neue Platte nur 33 Minuten lang. Die Rechnung geht auf: Das Feeling ist kompakt, kurz und bündig, präzise. Die Rhythmen von Songs wie Reptilia und Meet me in the Bathroom sind einfach, die Melodien eingängig. Sie haben ihren Horizont, im künstlerischen Sinne, nicht großartig erweitert: Es ist kein Avantgarde-Werk geworden. Es ist, als ob sie uns sagen, dass sie langsam, zu ihren Bedingungen, wachsen wollen.

The Strokes hatten nämlich bereits angefangen, mit dem Radiohead-Produzenten Nigel Godrich zusammenzuarbeiten, man vermutete daher, dass sie nun eine eher experimentelle Richtung einschlagen würden. Die Sessions landeten jedoch im Müll, und sie kehrten zum alten Kollegen Gordon Raphael zurück, der schon Is this It? produziert hatte. Das schien eine konservative, sogar feige Entscheidung zu sein. In der Tat ist der Sound nicht radikal anders als beim Vorgängerwerk. Der Gesang von Julian Casablanca ist immer noch leicht verzerrt und Lou-Reed-artig trocken und cool, auf Backingvocals wurde verzichtet, um die karge Atmosphäre beizubehalten. Die Texte auf dem Debütalbum Is this it? waren eher unwichtig. Beim neuen Album ist es dasselbe. Die Songs scheinen von Beziehungen zu handeln. In dieser Hinsicht hat Julian Casablanca mehr Stil als Substanz. Die Basslinien von Nikolai Fraiture sind immer noch dezent melodisch, die Riffs von Albert Hammond Jr. und Nick Valensi immer noch messerscharf. Man hätte befürchten können, dass ihre scharfen Kanten sich mit der Zeit abschleifen würden. Das ist nicht passiert.

Einen unerwarteten Aspekt an diesem Album gibt es, der darauf hinweist, dass sie nicht ewig im Schatten ihrer New Yorker Helden leben wollen. Das auffallende Ausnahmestück ist Under Control, das beinah ein Motown-Soul-Feeling vermittelt. Die Songs sind alle kurz, zwischen 2´17 und 3´35. Sie wollten offensichtlich die Falle vermeiden, über das Ziel hinauszuschießen. Es wäre dennoch wünschenswerter gewesen, wenn sie nicht so viel Vorsicht hätten walten lassen. Wir werden immer darüber spekulieren, wie das Album mit dem Radiohead-Produzenten geworden wäre.

Als die Platte noch in Vorbereitung war, sagte Julian Casablanca in einem Interview: "Wenn das neue Album keinen Erfolg wird, ist unsere Karriere sehr gefährdet". Das sind nicht unbedingt die Töne eines Vollblutkünstlers, der für seine Kunst alles riskiert. The Strokes haben dennoch eine Nische für sich gefunden. Ihre Songs sind auf dezente Weise ansteckend. Sie sind keine Großmäuler wie Oasis, sind aber auch nicht spießig konservativ wie Travis oder Coldplay. Sie besitzen einen understated Hipnessfaktor, und dennoch werden sie die Charts wieder stürmen. Das ist letztlich ein Sieg für die Subtilität.

The Strokes live in Deutschland am 5.12 Berlin-Arena.


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