Lauschangriff 29/05

Kolumne Irgendwann verliert man die Geduld. Vor allem, wenn man bereits Blut geleckt hat. The Beta Band wurde jahrelang von Kritikern gelobt, aber der ...

Irgendwann verliert man die Geduld. Vor allem, wenn man bereits Blut geleckt hat. The Beta Band wurde jahrelang von Kritikern gelobt, aber der richtige kommerzielle Erfolg wollte sich nicht einstellen. Jetzt hat die Gruppe sich getrennt, weil sie den Frust nicht länger aushalten konnte. "Beta" ist der zweite Buchstabe des griechischen Alphabets, und The Beta Band war, was Erfolg betrifft, in der Tat immer nur zweite Liga. Wenn man ständig gepriesen wird, aber doch leer ausgeht, ist das nur schwer zu verkraften.

Nun gibt es ein Doppelalbum: The Best of the Beta Band Music. CD1 besteht aus einer chronologisch geordneten Reihe ihrer Höhepunkte. CD2 ist eine Live CD, ein Mitschnitt der zwei Abschiedskonzerte 2004 in Shepherds Bush Empire in London. The Beta Band, das waren drei Schotten und ein Engländer. Die Gruppe wurde 1997 in Edinburgh ins Leben gerufen, in der Hoffnung etwas ganz Neues zur britischen Popmusik beitragen zu können. Soweit man sie überhaupt bemerkt hat, haben sie das auch geschafft. The Beta Band kamen erst am Ende der Hochzeit des Britpops dazu: Sie besaßen die typische leichtfüßige britische Popsensibilität, waren aber von Anfang an sehr ehrgeizig, was musikalische Innovation anbelangt. Sie pflegten die stolze Haltung, alles in einen Topf werfen zu können, auf dass es irgendwie schon zusammenpasst. Pop, Indierock, Hiphop und Elektronika fanden sich in ihrer Musik, und dennoch klangen die Songs eigentlich "ganz normal", man hätte mitsummen können, egal wie eklektisch die Perkussionsarrangements auch waren. Die Lieder handelten von den Sonnen- und Schattenseiten des Lebens. Sie konnten so heiter wie die Beach Boys klingen, aber auch so traurig wie Nick Drake.

Die ersten drei EPs wurden 1998 als "Debüt"-Album veröffentlicht. Dry the Rain von der Debüt-EP findet sich nun auch auf der Live CD des Compilationalbums. Die Aufnahme dokumentiert bezeichnenderweise, wie die Band versucht, das Lied irgendwann zu beenden, aber das Publikum den Refrain einfach weiter singt. Dann setzt die Band noch mal ein; Sänger Steve Mason klingt ganz verwirrt und bekennt: "Ihr kennt das Lied ja besser als wir!" Eine Kultgefolgschaft war also auf jeden Fall vorhanden, aber The Beta Band wollten höher hinaus.

1999 veröffentlichten sie ihr selbstbetiteltes erstes richtiges Album. Die gängige Meinung besagt, Ehrlichkeit sei die beste Politik, aber kann man es damit nicht auch zu weit treiben? Die Band erzählte nämlich in jenen Jahren überall herum, dass die Platte ein "Haufen Müll" sei. Mit den Grundideen der Songs waren sie einverstanden, aber das Endergebnis fanden sie enttäuschend - sie waren Perfektionisten. Und betrieben deshalb fröhlich Rufmord gegen sich selbst. Aber irgendetwas davon bleibt immer hängen, und so wurden sie sicherlich für viele Leuten - wenn auch unbewusst - zu selbsterklärten Losern. Trotzdem sagten Oasis und Radiohead, dass sie The Beta Band sehr bewunderten.

Mit ihrem zweiten Album 2001 Hot Shots II waren The Beta Band dann schon eher zufrieden, äußerten sich aber immer noch kritisch über die Produktionsbedingungen. Stilistisch war ihre Musik auch so breitgefächert, dass der Produzent sicherlich keine einfache Aufgabe hatte. Die Songs schweiften oft plötzlich ab, und entwickelten sich ganz anders weiter, einem Menschen ähnlich, der in Gedanken versunken plötzlich vom Thema abkommt. Es erschien also nur sinnvoll und konsequent, dass sie das letzte Album Heroes for Zeroes selbst produzierten. Mit diesem Album wollten sie dann richtig kommerziell durchstarten. Das Eröffnungslied Assessment klang wie der Riff von U2´s I will Follow. Sie können es unmöglich selbst nicht bemerkt haben.

Von den 16 Stücken auf CD1 des neuen Compilationalbums stammen fünf Songs von diesem letzten Album, dem einzigen, von dem die Band wirklich überzeugt war. Warum war der Erfolg von The Beta Band so bescheiden? Der Sound erschien zu dezent, war nicht vordergründig genug, und deshalb ein wenig blass. Die Musik jedoch war interessanter, als sie sich aufs erste Mal anhörte. Die Lieder klangen oft zu chaotisch, um wirklich von der Masse verstanden zu werden, und der Sänger Steve Mason stellte keinen Rockstar dar, sondern war eher introvertiert sensibel, wie ein junger Robert Wyatt. Auch wenn es für die Band zu spät kommt: The Best of Beta Band Music erfüllt den Zweck, uns allen noch einmal vorzuführen, was wir versäumt haben.


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