Lauschangriff 7/07

Musik-Kolumne Wenn Konzerte am Wochenende stattfinden, ist das Publikum im Durchschnitt meist etwas älter. Das versteht sich von selbst: Man muss am nächsten Tag ...

Wenn Konzerte am Wochenende stattfinden, ist das Publikum im Durchschnitt meist etwas älter. Das versteht sich von selbst: Man muss am nächsten Tag nicht arbeiten. Ich glaube also keineswegs, dass ältere Menschen sich weniger für junge Musik interessieren, sondern dass sie deshalb nicht zu Konzerten und in Clubs gehen, weil sie nun mal öfter Kinder haben und früher raus müssen. Wenn allerdings ein Publikum fast ausschließlich aus "30-plus-ern" besteht, handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um ein Groß-Ereignis wie etwa die Take That-Wiedervereinigung! In dieser Hinsicht war ein Konzert des englischen Frauentrios Client in der Hamburger Prinzenbar durchaus ungewöhnlich. Wenn es sich um kleinere Auftritte von unbekannteren Bands handelt, sind ja die jungen Leute in der Überzahl, selbst am Wochenende. Nicht so bei Client, und das obwohl es sich um keine alte Band handelt.

Client gibt es erst seit 2002. Entscheidend auf das Alter ihrer Fans aber hat sich wohl die Tatsache ausgewirkt, dass die Band über den ehemaligen Depeche Mode-Keyboarder Andy Fletcher bekannt geworden ist - er hat ihre ersten beiden Alben auf seinem Toast Hawaii Label veröffentlicht. Mit Depeche Mode ging Client auch auf Tour, weshalb die Vermutung nahe liegt, dass Client-Fans alte Depeche Mode-Jünger sind. Client´s Musik ist für Achtziger-Jahre-Nostalgie-Freaks perfekt geeignet: New Order, Depeche Mode, Pet Shop Boys, Human League, Heaven 17 - das ist ihr Territorium. Selbst der Gesang von Sarah Blackwood liefert eine perfekte Reproduktion der Synthi-Pop-Ära. Sie singt präzise und möglichst eintönig, ohne ihre Stimmlage groß zu variieren. Sängerinnen wie Mariah Carey hasst sie regelrecht, weil die, ihrer Ansicht nach, Emotionen mit unnötig vielen Noten vortäuschen. Sarah will Gefühle mit schlichtem Gesang vermitteln. Ihr nordenglischer Akzent trägt zu ihrer bodenständigen Ausstrahlung bei. Und die Texte passen in ihrer Einfachheit dazu.

Man hat ihr und der Band - meiner Ansicht nach zu Unrecht - oft unterstellt, zu unterkühlt zu sein. Diese Kritik rührt möglicherweise von den durchgestylten Videoclips der Band her. Ihre uniformartige Kleidung trägt zum Image von freundlich-distanzierten Luftstewardessen bei. Die Frauen nennen sich Client A, Client B, und Client E, was die unpersönliche Note noch betont. Inzwischen darf man sie aber auch mit ihren richtigen Namen ansprechen. Client A ist Sarah Blackwood, die schon in den neunziger Jahren kleine Erfolge mit Dub Star feierte. Client B ist Kate Holmes, die auch bereits eine Karriere bei Frazier Chorus und Technique hinter sich weiß. Nur Client E ist ein unbeschriebenes Blatt und neu dazu gekommen. Sie heißt Emily Mann und ist bestimmt 15 Jahre jünger als die anderen beiden Damen. Sie wurde als Teilnehmerin einer Reality-TV-Show Make me a supermodel in England bekannt. Nicht gerade die übliche Voraussetzung, um bei einer Indieband einzusteigen! (Client sind 100 Prozent "independent" und haben inzwischen ihr eigenes Label Out of line). Emily spielt Bass. Auf Heartland spielt die Band zum ersten Mal "echte" Instrumente, nämlich Gitarren und Schlagzeug. Der renommierte Produzent Youth hat offenbar viel zum "organischen" Sound beigetragen, aber dennoch ist es dem ersten Eindruck nach Synthi-Pop.

Auch wenn also Originalität nicht zu ihren Stärken zählt, verführen Client durch ihr gutes Songwriting. Bis auf die Adam Ant Coverversion Zerox Machine handelt es sich um Eigenkompositionen. Es fällt geradezu leicht, Client zu mögen. Nach dem Konzert in Hamburg traf ich die Band und fühlte mich dazu gezwungen ihnen mitzuteilen, wie sympathisch sie mir persönlich und musikalisch seien. Sarah Blackwood´s Augen leuchteten: "We wear our hearts on our sleeves", sagte sie. Das heißt so viel wie: "Wir sind einfach ehrlich. Uns kann man glauben." Und das sind immer noch die allerwichtigsten Rock´n´Roll Kriterien.

Client auf Tour: 22.4. Köln-Underground; 25.4. Berlin-103 Club; 30.4. Dresden-Showboxx; 2.5. Frankfurt-Nachtleben; 4.5. Krefeld-Kufa; 5.5. Wuppertal-Butan; 8.5. Halle-MDR Sputnik Radio Konzert; 9.5. Heidelberg-Halle 02.


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