Lauschangriff 8/02

Musikkolumne Wir haben uns an Witzfiguren wie die Rolling Stones gewöhnt. Der Drummer Charlie Watts sagte schon mal, dass er sich selber kaum vorstellen kann, ...

Wir haben uns an Witzfiguren wie die Rolling Stones gewöhnt. Der Drummer Charlie Watts sagte schon mal, dass er sich selber kaum vorstellen kann, warum so viele Leute die Stones noch live sehen wollen. Das Einzige, was er sich denken könnte, wäre, dass das Publikum darauf hoffe, ein Bandmitglied auf der Bühne tot umkippen zu sehen, um dann sagen zu können: "Ich war dabei, als er gestorben ist!" Das Problem ist nicht, dass man als älterer Mensch keine Musik mehr machen soll. Wir sagen ja auch nicht, dass Schriftsteller mit 30 zu schreiben aufhören sollen. Aber es gibt Wege und Möglichkeiten, um mit Würde alt zu werden, und die Körpersprache von Mick Jagger erfüllt nicht unbedingt diesen Anspruch.

The Cure wurden 1976 gegründet; sie vertraten den Punkgeist. Der verlangte unter anderem danach, die alten Rock´n´Roll-Geister wie die Stones zu vertreiben. Als The Cure das Album Pornography 1982 veröffentlichten, war der Kopf der Band, Robert Smith, davon überzeugt, dass das sein letztes Album gewesen sei. Er war 22 Jahre alt. 20 Jahre später gibt es The Cure immer noch. Sie waren gerade bei uns auf Tour, und ein neues Album, wie auch ein Soloalbum von Robert Smith sind geplant. Robert Smith ist nun bald Mitte Vierzig, und es ist wohl jetzt der Auftrag einer neuen Generation, die alten Rock´n´Roll Geister wie The Cure zu vertreiben. Fall das notwendig sein sollte. Ich möchte dafür plädierten, dass es nicht sein muss, weil The Cure eigentlich nie, auch nicht, als sie damals anfingen, zwangsläufig als Jugendkultur verstanden werden mussten.

Ich traf Robert Smith vor Kurzem anlässlich des Cure-Konzertes in Hamburg. Es war das erste Mal seit fünf Jahren, dass ich ihn interviewte, aber da The Cure eben kein Ausdruck von Jugendkultur sind, war es egal, wie viele Jahre wieder vergangen waren. "Von Anfang an, wollte ich nur Musik machen für Menschen, die so sind wie ich. Inzwischen haben wir verschiedene Generationen überbrückt. Das Alter der Fans spielt keine Rolle, aber die echten Fans sind, vom Typ her, alle ähnlich: Sie sind sehr emotionale Menschen, die von The Cure bis hin zum Fanatismus besessen sind. Sie wissen, dass unsere Songs nicht künstlich sind."

Das The Cure´s Musik "echt" ist, hat man inzwischen begriffen. Manchmal erscheint die Vergangenheit im günstigeren Licht, wenn etwas Zeit verstrichen ist. Ich kann mich deutlich daran erinnern, wie die britische Musikpresse Alben wie Faith 1981 und Pornography als aufgesetzten "Doom Rock" (Untergangsrock) belächelte. Es hieß, dass The Cure sich auf opportunistische Weise ein Stück von Joy Division´s Kuchen abschneiden wollten. Keiner hat sich jemals getraut, die Authentizität von Joy Division in Frage zu stellen, schon allein deshalb, weil Sänger Ian Curtis Selbstmord begangen hat. Robert Smith und seine Band hatten zwar diverse gesundheitliche Probleme (Lol Tolhurst, ein alter Schulfreund von Robert Smith, musste zum Beispiel wegen Alkoholismus die Band verlassen), aber sie blieben alle am Leben. Das Lied The Funeral Party handelte bezeichnenderweise von der Beerdigung von Smith´s Oma und nicht von der eines seiner Altersgenossen. Dass man ihnen ihre Melancholie im Nachhinein eher abkauft, hat sicher viel damit zu tun, dass Robert Smith so penetrant ist. Nach 20 Jahren ist auch der größte Skeptiker überzeugt. Wer hat schon eine solche schwermütige, leidende Stimme wie Smith? Er sieht nicht nur aus, er klingt auch wie ein Kater, der darüber klagt, dass seine Rolligkeit nie befriedigt wurde, weil heutzutage alle Katzen schon in jungen Jahren kastriert werden.

Die Sehnsucht von The Cure ist konstant geblieben. Musikalisch hat es durchaus Verschiebungen gegeben. Sie begaben sich des Öfteren auf Popausflüge. Es gibt ein ganzes Mainstreampublikum, dass nur Hitsingles wie Love Cats oder Just like Heaven von ihnen kennt. Aber sogar diese Lieder sind nicht so unbekümmert, wie sie zuerst wirken, sondern sie stellen die Hoffnung auf ein Märchenland dar, das es nie wirklich geben könnte. Sogar bei den großen Hits also steckt Wehmut dahinter. Heiter wie Britney könnten sie nie werden. Insgesamt sind The Cure musikalischer geworden: Die ersten Platten wirken sehr auf den Kern reduziert im Vergleich zu den nuancenreichen, saftigen Arrangements des letzten Albums Bloodflowers. Aber letztendlich: the song remains the same.

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