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Zynische Herrschaft Die Totalitarisierung der Ökonomie lässt uns zu Zynikern des Menschenbildes werden – eine Verausgabung

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Wir leben im Zeitalter des ''monkey business'', der Affenzirkus auf allen Ebenen und Situationen der modernen Weltgesellschaft ist perfekt. Unser Verhaeltnis zur Welt, wie positiv es im einzelnen noch gestimmt sein mag, wird notwendig ein zynisches (werden müssen). Wir haben keine Chance gegen die Entwicklung und anschließende kultische Wahrung eines zynischen Weltbildes.

Es hat dies damit zu tun: in den Jahren seit 1990 spätestens ist das globale Weltbild ein rein ökonomisch-effizient definiertes Weltbild geworden. Wir haben auch keine Chance, der imperialen Ratio dieses Welt- und leider Menschenbildes mehr zu entkommen. Wir sind Geiseln einer Strukturierung des Denkens geworden, die die Rationalität und Essenz des Menschen allein als eine ökonomisch motivierte Rationalität und ökonomische Essenz sehen will. Dieser Weltdeutungsansatz hat nunmehr alle Lebensbereiche, alle Berufsstaende und jeden Kopf erfasst und kontaminiert: handle stets meßbar effizient.

Die zynische Botschaft ist zudem: alles ist Ressource, auch Du bist dir selbst Resource, lieber Mensch...gib Dich her als Rohstoff zum Wohle und Wachstum der Wirtschaft und des Profits (wahrscheinlich eher anderer als dir). Der Mensch wird zum nimmersatten Konsumenten erklärt und in diesem nimmersatten Konsumententum, dies die erste frivole Botschaft, bestärkt: haben ist gut, kaufen ist gut, erneuern ist gut. Es gibt keinen schlechten Kaufakt...und der Überfluss ist dann Luxus. Aber in dessen Genuss kommen nur die Wenigsten der Wenigen: die Profiteure!

Der Kapitalismus war sich nie zu schade, ehemalige Staaten der auch immer nur so genannten Dritten Welt und der ''Entwicklungsländer'' (der Begriff war damals schon mit zuviel schlechter Presse und zuwenig Aussicht auf Besserung der Lage behaftet) spätestens seit 1990 umzulabeln: jetzt war plötzlich von ''Schwellenlaendern'' und ''Wachstumsmärkten'' dort die Rede. Gesucht wurde von den Vordenkern einer invasiven Ökonomie für das 21. Jahrhundert aber eher das: neues Land zum Ausbeuten billigster Arbeitskräfte und Ressourcen. Leicht unter Phrasennebel versteckt, hat der Kapitalismus das immer so gesagt: wir wollen Arbeit zur Erzeugung unserer Produkte so billig wie möglich zur Verfügung haben. Wir gestalten die Länder dieser Erde nach Möglichkeit so, dass sie billige und billigste Arbeit möglich machen...schlecht bezahlte Sklaven hat dieses System gesucht, gefunden und im Anschluss auch in der westlichen Welt erzeugt. Die genialste Idee des Kapitalismus war es, aus den Ausbeutungsverhältnissen in den ''Schwellenländern'' Erpressungssituationen in Richtung der eigenen westlichen Bevölkerung zu entwickeln: arbeitet billiger, sonst wandern wir mit unserer Produktion komplett in die Schwellenlaender ab. Ein Ergebnis dieser kaltblütigen Erpressungssituation finden viele von Ihnen spätestens vor, wenn sie ihren Job verlieren: die Agenda 2010.

Dieses Denken, alles dem Ethos einer totalen Ökonomie zu unterstellen, moralische Bedenken, kulturell problematische Aspekte, historisch wohlbegruendete soziale Institutionen mit Wohlfahrtsaspekt, ökologische Desaster, das alles in einem Wisch unter Verweis auf Effizienz und Wachstum beiseite zu schieben, als sei jeder so berechtigte Einwand gegen das System eine Zumutung und als zaehle das alles erst im dritten oder vierten Grade, ist die zynische Errungenschaft der modernen Weltökonomie, die eigentlich eine der unzumutbarsten Realitätenverdraengungspraktiken aller Zeiten ist. Solange der Motor messbar läuft und röhrt, läuft und röhrt der Motor...alles andere interessiert nicht. Die totale Ökonomie kreiert eine ''Realität'', die in dieser Form nicht lange lebbar ist, ohne fundamentalste Aspekte eines einigermaßen gesund aufzufassenden Menschenbildes komplett zu konfundieren und nachhaltig zu vernichten.

Die neue Aufklärung, die in der Praxis erfolgt, ist eine komplette Verklärung. Sie ist die Erziehung des Menschen und Transformation des Menschenbildes hin zum Erfüllungsgehilfen der Entität ''Profit''. Darum allein geht es. Es geht nicht um volkswirtschaftliches Wohl, oder die Beförderung des glücklichen Lebens auf die gesamte Menschheit oder die Erhaltung eines grünen Planeten oder der Glückseligkeit des Einzelnen in Kauf und Konsum, sondern es geht um die Beförderung des Profites. Der Profit ist eine kalte seelenlose Größe des invasiven Kapitalismus, die aber durch angewandte und perfide ökonomische Intelligenz (um Profit zu generieren kann sich das Denken des Profitanstrebenden nur perfide und zynisch zum Menschen selbst verhalten) zum Lenkstrom des Geldes in die eigene Tasche ausrichten lässt. Die ganze Logik des Profites kann nur mit einem humanistisch-aufgeklärten Welt- und Menschenbild kollidieren. Wo der Mensch einst sich selbst entwickeln wollte, entwickelt er jetzt nur den Profit. Dies liegt daran, dass der neuzeitliche quasi-religiöse Diskurs den Grundgedanken der Effizienz und der Profitabilität jedem Menschen qua Erziehung einimpft: handle effizient im Sinne des Profites. Investiere hart und absolut (nicht nur Geld, investiere Dich selbst zuallererst...als Ressource), fass auch die ganze Welt, deinen Mitmenschen, die Umwelt, die Dinge, als Ressource auf und investiere...vielleicht hast du Glück (sehr wahrscheinlich nicht) und DU profitierst. Profitierst du nicht, gibt es im Hintergrund immer einen, der profitiert.

Die Verteilung des Profites ist natuerlich notwendig begrenzt. Auch wenn die neoliberalen Vordenker als Legitimation für ihr erst Aufweichen, dann Abschaffen der sozialen Wohlfahrt die drollige Phantasiefigur des ''trickle-down-effects'' erfunden haben (wonach der Wohlstand der oberen Zehntausend angeblich schon irgendwie, wer weiß wie auch immer) an die fuer diesen Profit (anderer!) hart Arbeitenden, aber so gut wie nichts Verdienenden schon durchsickern wird. Geht es den Profiteuren da oben gut, geht es allen gut...(auch wenn diese natuerlich keine Steuern zahlen wollen und schon dafuer sorgen, dass die Lobby das bestehende politische System dahingehend instrumentalisiert und umarbeitet, dass die Profiteure keine Steuern mehr zahlen müssen. Funktioniert das nicht, greifen die Profiteure und solche, die fest damit rechnen, es zu werden, zu ihrem Lieblingstrick, s.o.: sie konstruieren eine Erpressungssituation: zapft ihr uns hier Steuern ab, ziehen wir in ein low-taxing Land um und gut ist!). Und sie kommen damit durch: so schnell wie die westlichen Regierungen der Jahre 1992-2008 konnte man gar nicht vorauseilend gehorchen und den Profiteuren kontinentale (Unternehmens-) Steueroasen und generelle comfort zones einrichten.

Und so hat es immer wieder funktioniert und so funktioniert es auch jetzt noch: der Kapitalismus als Erpresser der Staaten und der Bürger. Und man lässt es sich gefallen, da man gebannt ist von der Zaubermacht der Effizienz und der Produktivität. Alles andere, zählt nicht...jeglicher berechtigte, im Grunde: existentielle Einwand, zB dass die Umwelt, die ökologische Basis unseres Lebens und Überlebens zerstört wird, dies wird als ''bürokratisches Hindernis gegen die freie Entwicklung der Wirtschaft'' verstanden. Bedenken werden komplett übergangen. Gegen absolut legitime Bedenken wird seitens der Profiteure gar nicht erst argumentiert (wie auch, überstiege eine solche Argumentation doch jede lebensnahe Vernunft?!), sondern nur phrasiert und mit Slogans geantwortet: ''Wachstum ist gut fuer die Gesellschaft.'' ''Wir sehen hier einen Wachstumsmarkt, der die bestehenden Strukturen im Land/ in der Region xy dynamisieren wird.'' und dergleichen Gewäsch mehr.

Derart wird ein fortschrittliches intelligentes Menschenbild komplett dekonstruiert. Es geht um den Menschen in den ökonomischen Beglückungsmodellen immer nur als abstrakte mathematische Größe (und nicht einmal darum wirklich). Sondern vorrangig befördert die totale Ökonomie den Profit, nicht den Menschen. Nichts ist wichtiger als dies: Wachstum und Profit um jeden Preis, genauer vielleicht: die Simulation von Wachstum um jeden Preis.

Das ist die frivole Botschaft dieses kranken Ideensystems: der Mensch zählt nicht. Die Zahl entscheidet. Die Arithmetik der Effizienz bewegt die moderne digitale Welt endgültig. Immer öfter wird auf den Menschen als Konsumenten Rekurs genommen. Oder wen wundert es, dass die Politik sich zunehmend (man hat das Gefuehl ausschließlich) Verbraucherthemen zuwendet? Oder warum immer mehr Nachrichtenmagazine, Zeitungen usw. verbraucherbezogene Themen auf ihre Titelseiten bringen? Oder warum die Politik (vor allem in Merkel-Land) dazu übergeht, den Bürger als Konsumenten und passiven Abnehmer von Politik zu verstehen?

Durch die ordentlich offenstehende Hintertür hat der totalökonomische Diskurs es geschafft, das Modell des aufklärerischen Menschenbildes komplett zu torpedieren und abzuschaffen. Imitationen und profitorientierte Simulationen solcher humanistischen Beglückungsgedanken liefern allein noch die digitalen global player des Silicon Valley, denen es aber auch allein um den Profit und nicht um das Glück des Menschen per se geht. Erzähl den Menschen zB die ''selling story'', dass Google der allerliebste Monopolist der Welt ist und die allermeisten glauben dran, da die Welt doch durch sie auf der Oberfläche erst einmal so bequem und spaßig geworden ist. Derweil kann Google beruhigt sein schier unfassbar groß ausgelegtes ''market and business targeting'' durchführen, indem es seine User wie facebook komplett für die totale Ökonomie ausleuchtet und ausrichtet...(und der Mensch als ''user'' ganz nebenbei zur Zielscheibe, ''target'', erklärt wird).

(Wen wundert es bei alledem, dass das Menschenbild noch des größten Optimisten ein zynisches wird? Woher sollen wir Hoffnung (und Hoffnung worauf eigentlich?) ziehen in einer ansonsten säkularisierten Welt? Deswegen ist die totale Ökonomie des 21. Jahrhunderts auch der Auftakt zu einer Neuen Weltreligion des 21. Jahrhunderts und man erhofft sich Aufschreie der doch eigentlich auch jetzt ansonsten beschäftigungslosen Atheisten. Wenn ihr nicht glauben wollt von eurer ganzen Grundstruktur her, dann begehrt doch jetzt auch auf gegen dieses ökonomische Modell: ihr werdet dringend gebraucht in euren wütendem Unglauben! )

Der totalökonomische Diskurs untergräbt auf Dauer den Glauben des Menschen an sich selbst und seine Stärken. Dewegen ja auch die ebenso quasi-religiöse Flucht/Zuflucht ''in die Maschinen'' und deren Smartness. Der Mensch traut sich selbst nicht mehr viel zu...die Maschinen wiederum dienen der Kontrolle und Herrschaft des ökonomischen Prinzips. Wo das noch nicht so ist, wird es in diesen Tagen so eingerichtet. Das ist uebrigens konstruktive und non-pathologische Paranoia der gesündesten Art. Die digitale Welt wird umgebaut. Alles, was umsonst und smart war, wird nun kostenpflichtig und effizient...das Internet wird ein freier Raum gewesen sein, wenn wir uns nicht gegen seine totale Kommerzialisierung und Kontrolle wehren. (Ich dresche im Folgenden mal die moderne Allerweltsfloskel ''ganz ehrlich?'') Allerdings ''ganz ehrlich?'': wie sollen wir das ändern/abwenden?

Es würde und wird mich in der nächsten Zeit weitere Einträge, eine Unmenge Zeit und Nerven kosten darzulegen, wie sehr die kalte und in Kapital messbare Effizienz und der Ertrag wirtschaftlicher Investition und Intelligenz, nämlich der Profit, eine korrelierende Entsprechung bildet zu dem derzeit aus der Vernetzung zwischen Mensch und ''Maschine'' (wir werden aus Ermangelung eines besseren Begriffes den lästig altmodisch klingenden Begriff ''Maschine'' leider vorerst nicht los) entstehenden totalen Bewusstseins dieser Welt. Dieses entstehende totale Bewusstsein, dass ich in einem anderen Beitrag ''the cloud of consciousness'' genannt habe,

http://raumgewinner.blog.de/2012/11/29/simulation-glueck-der-mensch-zeitalter-hyperiums-15259543/

...ist kein originär menschliches Bewusstsein mehr. Dieses neu entstehende Bewusstsein hat mit dem Menschen an sich und den notwendigen Bedingungen seiner Existenz nicht mehr viel zu tun. Ebenso wie allein die Intelligenz und die Persistenz, gänzlich unabhängig von ihrem Träger, alleinige bzw vorrangige Entwicklungsessenz der Evolution sind, ist der Profit die alleinige Essenz der totalen Wirtschaft als kalt berechnender mathematischer Größe. Alles andere, letztlich zunehmend der Mensch selbst, stellt nur den ewigen Durchlauferhitzer, den reinen Brennstoff der Evolution dar...der Profit ist der kalte wertfreie Wirkgrad und Ausweis der Effizienz ökonomisch-mathematischer, im Grunde aber: zutiefst lebens!feindlicher Prämissen.

Und diese Ideologie beherrscht unseren Planeten...das Menschenbild wird zynisch und statt froher Botschaften sind allein noch frivole Botschaften zu vermitteln: Werbung, slogans, verlogene Beglückungs-Narrative durch Kauf und Zukauf...und paranoide Blicke auf zunehmend eigentlich alles.

Wie wollen wir leben?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Paul Duroy

Der Weg in die neu aufgeklaerte und entspannte Gesellschaft ist moeglich und noetig

Paul Duroy

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