Das Leben ist kein Uterus

Den Kinderwunsch zügeln Komm, wir kriegen keine Kinder...einige Betrachtungen zur Verhinderung unnötiger Zukunft

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

“Der Asket macht aus der Tugend eine Not.“

Friedrich Nietzsche, Menschliches-Allzumenschliches

---------------------------------------------------

Wenngleich ich für gewöhnlich die Titel zu meinen Texten selbst hervorbringe, so ist dem Titel des hier vorliegenden Textes vorauszuschicken, dass er quasi einem Graffito auf dem Weg in den Untergrund der zwischen U- und bloßer Straßenbahn unentschlossen dahinrammelnden Kölner KVB-Linie 3 an der Severinstraße entstammt. Dort prangt seit ca. 2-3 Jahren ein auf die Erscheinung der altgriechischen Schrift rekurrierendes Schriftzug-Graffito: “Das Leben ist kein Uterus“. Als Urheber des Grafittos zeichnet laut Künstlersignatur ein oder eine “Pallas“ verantwortlich. Dass die Pallas Athene u.a. die griechische Göttin der Weisheit war, darauf sei hier nur kurz kenntnisauffrischend hingewiesen. Der sich dazu geneigt findende Leser kann das Bild dazu auch googlen, Schlagwort “Das Leben ist kein Uterus Graffito Köln“, denn ich habe Angst, Urheberrechte zu verletzen und kenne mich nicht aus und will mich auch nicht auskennen, weil ich zu faul bin.

Ich möchte hier nur dem schönen und mich so inspirierenden Wort in dem Schablonengraffito endlich einmal unter diesem Eintrag die Reverenz erweisen, die es verdient. Denn seit nunmehr besagten 2-3 Jahren spuken mir unter diesem Titel die diversesten Ideen zu Blogbeiträgen im Kopf herum und angekündigter als dieser Eintrag in meinem Privatleben war wohl bislang nur der Prophet Jesaja von seinen Adepten. Ich will mir gar nicht ausrechnen, was Freunde, Fans und sonstige Leser sich in den letzten 2 Jahren so dachten, wenn ich ihnen mal wieder schrieb: “Ich vermute stark, dass “Das Leben ist kein Uterus“ noch in dieser Woche, spätestens aber Ende nächster Woche erscheint!“. Besagte liebe Leser kennen imgleichen meinen Spruch: “Er macht einen langen Anlauf zum kurzen Sprung!“…jetzt also muss gesprungen werden, damit mir nicht die letzte Kraft zum Sprung schon wieder über dem langen Lauf zur Sandgrube ausgeht, also: medias in res! Und “Pallas“?! Melde dich…was hast DU gemeint? Wegen deiner festlegungsschwachen Lakonie, die du in das Graffito gepackt hast, entsteht dieser Text. Selbst schuld.

Nun ist über alldem einleitenden Brimborium der geduldige Leser bereits erschöpfter als der Autor dieser Zeilen geworden. Sonst frage ich mich auch, ob man sich nicht gleich einfach hinlegen möge, den trägen Kopf auf ein Kissen betten und weiter den Schlaf der Ungerechten schlafen. Worüber wollte ich reden? Ich werde mir jedenfalls mit diesem Text keine Freunde machen, aber das bin ich gewohnt und dient sogar einem Zwecke.

Es ist nun mal so einfach, dann wollen wir es auch so mitteilen: eure Kinder werden es nicht mehr besser haben als ihr. Wir müssen aufhören mit unserer Verwöhnkultur! Das Ende dieses kolossalen Karnevals, der nun so seit ca. 30 Jahren anhält, kommt ja nun doch. Es umgibt uns kein atmosphärisch warmer Uterus, der uns in all dem Konsum und all der aufgesetzten Dauerbeglückung durch Kauf und Kinder frei hält von den brutalen Kollateralschäden unserer Dauerbeglückung. Die Kinder wissen es übrigens schon oder ahnen es zumindest, wenn sie zu der klügeren Sorte gehören, die noch nicht, ihren Eltern gleich, den lieben langen Tag lang nur am Smartphone verbringt. Solche klugen Kinder gründen dann oder schließen sich Bewegungen wie “Fridays for Future“ an, während deutsche Oberstudienräte und ahnungslose Politiker noch auf Erfüllung der Schulpflicht drängen oder den sogenannten Digitalpakt vorantreiben, als sei die durch Menschen vorangetriebene Entwicklung der digitalen Welt per se wie eine Naturgewalt auf keinen Fall mehr aufzuhalten, sondern ihr nur noch dadurch beizukommen, dass man ihr Tempo nicht nur aufnimmt, sondern sie auch noch per decretum beschleunigt. Ein ahnungsloses dummes Vorführspiel von intendierter Kontrollabgabe. Aber davon will ich hier nicht handeln.

Wir sind ohnehin schon zu viele. Ein Freund faselt die beglückungseuphorischen Aussagen einiger “Wissenschaftler“ nach, die Erde könne ohne Problem sogar 15 Milliarden Menschen ernähren und ist beim Erzählen selbst ganz beglückt darüber. Nun, mein Freund, diese Erde, die 15 Milliarden Menschen ernähren kann, weißt du auch, wie die aussehen wird? Weißt du auch, WIE die die Produkte erzeugen wird, die die 15 Milliarden Menschen dann fressen? Was das für ein Planet Erde sein wird? Klar, man kann sich einfach nicht dafür interessieren, was so mit der Umwelt geschieht und wie die Dinge produziert werden, die man sich dann so in die Mundöffnung schiebt und später wieder gleichgültig-beglückt ausscheidet aus den antipodischen Körperöffnungen und so sein ganzes Leben und dann weiter fressen und kongestieren und sich keine Gedanken machen und hoffen, das schon alles weiter so bleibt. Den Kindern kann man jetzt alles bieten.

Das größte Unglück einer bekannten Person, die nun an Ostern mit ihrem Sohn zusammen in die Osterferien reisen kann, lautet zB nun, dass sie nicht weiß, wohin fliegen mit ihm. Sie hat nur 5 Tage Zeit, aber es soll schon ein besonderer Urlaub für den Jungen sein. Und in Europa kann man ja einem Kind auf keinen Fall viel bieten, aber so ein Fernflug für 5 Tage lohnt ja auch kaum. Ich soll ein betroffenes Gesicht zu diesen luxus-larmoyanten Aussagen zur Schau stellen. Stattdessen erwähne ich, ob diese easy going-Einstellung zum Dauerfliegen und zur Selbstverständlichkeit des Fliegens nicht ein brutal schlechtes Vorbild für das Kind wäre und ob ich selbst zB nicht anteilig einen Preis dafür verdiene, dass ich als Nichtflieger das zukünftige Klima auch ihres Sohnes mitbewahre. Die Reaktion fällt aus. Als hätte ich nichts gesagt und nur Atemluft ausgehaucht, ist der nächste Satz, im vollen Ernst und weiter mit großer Besorgnis gesprochen: “Ich muss mal echt schauen, was ich da mache. Im Reisebüro bekommt man da ja auch unklare Auskünfte. Rom und Barcelona hat er keine Lust drauf, bei Asien könnte ich mir vorstellen, dass ihn das interessiert, aber da lohnt ja für die kurze Zeit der Anflug nicht. Aber wir wollen auch unbedingt fliegen, damit das Urlaubsgefühl aufkommt und er in der Schule und bei Freunden dann was zu erzählen hat.“

Willkommen also in der Welt, wie sie wird, liebe Kinder und wie eure “entitled parents“ sie euch so vermitteln. Dabei gilt und sollte ohnehin bald das gute alte Mephistopheles-Motto: “Drum besser wär’s, dass nichts entstünde.“ in Bezug auf die anthropologische Reproduktion gelten. Oder zumindest globale Umsetzung der Geburtenkontrolle und Ein-Kind-Politik. Flankiert vom dirigierten Zusammenbruch des Verwöhnkapitalismus und einem Kollaps der Konsumkultur. Diese scheitert an ihren eigenen Bedingungen. Das Entitlement ist einfach zu totalitär und durch die nunmehr auch globale Adaption des Powerkonsums durch die gerade in den einstmaligen “Entwicklungsländern“ explodierende Weltbevölkerung der Startschuss zum gar nicht mehr so langen Lauf hin zur post-konsum-diluvialen Apokalypse. Die Beschleunigung der propagierten Ansprüche, der Erfüllung der Ansprüche und die Ausmaß des Angebotes sowie der Möglichkeiten der Affluenz und der Affluenzerwartung sind in einem Ausmaß latent, dass der Kataklysmus der Verwöhnkultur (zumindest in erdgeschichtlicher Zeitrechnung) gedacht, nicht mehr allzu fern sein mag.

“Unseren Kindern soll es einmal besser gehen“ war ein Satz, den ich schon als Kind nicht verstanden habe. “Was haben die Erwachsenen mit meinem Glück oder Unglück zu schaffen?“ habe ich mir schon damals gedacht. Soll doch auf meinem eigenen Mist wachsen, ob es mir später besser geht oder nicht. Der Satz war mir schon als Kind DIE idealtypische Phrase von Ratlosigkeit der Älteren und Alterslarmoyanz. Und doch bedeutete dieser Nachkriegssatz, wenngleich in der Opa-Generation noch legitimiert vorgetragen, schon den Griff an den Öffnungshaken der Büchse der Pandora. Wenn wir als Kinder von den damals gerade aufkeimenden Supermärkten vom Wochenendeinkauf wiederkamen, ging Omis Gesülze vom “guten Speck“ und der “guten Butter“ einem nur tierisch auf die Nüsse, wenn man schon ganz andere Sachen zu verschlingen gewohnt war. Klar ging es einem besser…und jetzt Schnauze, Grandma! Wir wollen nichts mehr von eurem Graubrot auf dem Flüchtlingstreck und ausgemergelten Kinderkörpern in Straßengräben hören.

Wir waren schon zu Predatoren der Verwöhnkultur erzogen worden. Gierige Fressmäuler und Schlemmerland-Konsumenten, die ihre Omniphagie einmal weitervererben und ihrer Nachbrut nicht allein in die Gene legen, sondern auch wie selbstverständlich es ihnen in die noch unkritischen Kinderköpfe hineinpropagieren: “Ihr könnt alles haben. Wir werden euch alles ermöglichen. Wir haben wie die Maden im Speck gelebt. Nun also lebt ihr auch wie die Maden im Speck, sogar noch besser! Ihr sollt alle Möglichkeiten haben, nichts sei euch verwehrt. Mann, ist das ein geiles Leben.“

Und so lautet einer der most unsexy Begriffe, die man in die Debatte einführen kann, Verzicht! Das Leben ist kein Uterus. Keine Nabelschnur versorgt uns gleich einem mütterlichen Engel mit atmosphärisch reiner Luft, die NICHT unser pestilenten Atmosphäre entstammt. Kein artifizieller Uterus wärmt uns länger als die obligatorischen neun Ursprungsmonate, sondern allein der Klimawandel, den wir uns selbst geschaffen haben. Kein Uterus hält uns unverantwortlich für die Scheiße, die wir bauen, indem wir anhäufen, kaufen, bedenkenlos reisen und essen, bedenkenlos den Kindern Wünsche nicht nur erfüllen, sondern diese sinnlos generieren, indem wir auch sinnlos Kinder zeugen. Das Leben ist kein Uterus.

Dies könnte auch zum befreienden Spruch der endgültigen Emanzipation der Frauen von der ihnen doch als ach so selbstverständlich angedichteten Inklination zum Kinderkriegen geraten! DAS LEBEN IST KEIN UTERUS. Warum sollte sich die Frau nicht auch ohne Kinderwunsch verwirklichen können? Ein Großteil der geborenen Kinder kommt ohnehin in die Welt, wenn nicht als Koitus-Kollateralschaden, dann doch hocheuphemisiert zum Wunschkind, wo der Wunsch dann zwar nicht Vater des Kindes, so aber doch des Gedankens war, dass ein Kind so unbedingt wünschenswert wäre. “Wie siehts bei euch aus mit dem Kinderkriegen?“ ist ja Akkulturation pur statt primär weiblicher Inklination, die sich ja angeblich immer zum Kinderkriegen durchsetzt. Aber was weiß ich von diesen Dingen zu berichten? Ich blicke nur staunend in diese Parallelwelten, in denen Kinder geboren werden zu keinem anderen Zweck, als dass man auf seiner Abhakliste “Leben“ das nicht ganz folgenlose Kästlein “Kind bekommen“ grün anhaken und sich so irgendwie erwachsen oder komplett im Leben stehend präsentieren kann. Am Kind manifestiert sich dann das Erreichen all der hochgeschraubten Ziele und der Fortbestand “pursuit of happiness“-geladener Gen-Sätze. Das elterliche Ego, das im Kind als willfährigem Genom-Appendix die Zeitalter wider alle Erwartung irgendwie doch noch zu überdauern meint. Wo nehmen die Menschen nur ein solch monströses Ego her? Oh, edles Verlöschen des eigenen Gen-Pooles.

Verzichtet auf ein Kind. Oder wenn Kind, dann nur eines. Und sich immer fragen: “Warum genau wollen wir jetzt nochmal einen weiteren Verbraucher in diese Welt setzen?“. Trägt nur bei zur unmäßigen Gentrifikation der Erde. Adoptiert Kinder! Sucht euch alleinstehende Eltern als Partner, die schon Kinder haben. Zügelt eure intendierte Fortpflanzungsbereitschaft und hinterfragt sie…mehrfach! Sie ist egoistisch und zerstört eurem geplanten Nachwuchs nachhaltig exakt die schöne neue Welt, die ihr ihm zu bieten meint. Da kanns man doch auch gleich lassen. Wenn ich zur Behebung eines Problemes, den Problemauslöser fortwährend in den Lösungsansatz hineinbringe, sollte mir aufgehen, dass es der einfachste Weg sein wird, den Problemauslöser als schaffenden Faktor der Problemgenese zu erwägen.

Das Schöne am Verzicht auf ein (zumindest weiteres) Kind ist, dass das Kind, das nur Idee bleibt, die erwogen und dann wieder verworfen wurde (also das nie gezeugte, nie geborene “Kind“) von seiner Nicht-Verwirklichung nichts weiß und nie wissen wird. Dies nur in Richtung solcher Leser, die eventuell schon empört einen Aufruf zum Infantizid wittern. Hier sei nur von der Vermeidung unnötiger Konsumenten die Rede.

Verzichtet auf die Kindereuphorie. Predigt nicht länger das Evangelium der aufgesetzt “geilen“ Consumer-Laune. Erliegt nicht mehr der Propaganda, dass sich am Kind die wie unschuldig wirkende Notwendigkeit unserer Konsum-Ekstasen manifestieren muss. Der am radikalsten zu denkende ehrliche und natürlich ernste Schritt auf dem Weg in die souveräne Verzichtgesellschaft zum Erhalt der Lebenswelt bedeutet den freiwilligen Verzicht auf den Kinderwunsch und somit auf den Sieg des souveränen Willens gegen den ohnehin so perfiden Gen-Egoismus der Spezies. Wir müssen aufhören, besinnungslos “Nachkommen“ in eine Welt zu setzen, die zu vernichten wir gerade im Begriff sind, durch unsere Ansprüche und durch unsere Masse. Ob, wer sich dem Kinderwunsch entgegenstellt, auch das eigene Menschenleben an sich in Frage stellt, ist eine andere Frage für einen anderen Tag.

…nächstens mehr…

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Paul Duroy

Der Weg in die neu aufgeklaerte und entspannte Gesellschaft ist moeglich und noetig

Paul Duroy

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden