Die Systemfinsternis

Das System macht Pause Von der Zufälligkeit zum Narren gehalten: ''Drücken Sie 'C' für Corona und halten Sie eine Weile ein!''

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Schiebt sich der Mond dann zwischen Erde und Sonne, sehen wir diesen als gewaltigen Schattenball (die Umbra) vor der gesamten Sonne stehen und von selbiger bloß ihren hell leuchtenden Strahlenkranz (den man normalerweise niemals erkennen würde), die Corona.
Schiebt sich der Mond dann zwischen Erde und Sonne, sehen wir diesen als gewaltigen Schattenball (die Umbra) vor der gesamten Sonne stehen und von selbiger bloß ihren hell leuchtenden Strahlenkranz (den man normalerweise niemals erkennen würde), die Corona.

Foto: Marcelo Hernandez/Getty Images

'Das einzige Mittel im Kampf gegen die Pest stellt die Aufrichtigkeit dar.''

Albert Camus, Die Pest

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Bevor ich mit diesem Text doch wirklich erheblich ausholen möchte in Bezug darauf, was ''die Corona'' bzw eben Covid-19 für das gesellschaftlich-kapitalistische System bedeutet und welche Implikationen und Konsequenzen der von allen in Echtzeit erlebte (und zumindest temporäre) System-Kataklysmus hat, möchte ich zunächst ein wenig über das Private den Einstieg in diesen Text wagen. Dies ist vielleicht auch deswegen repräsentativ von Interesse, da ich den Text bereits vor knapp 2 Wochen begann, damals noch eher auf das Private gewendet und im eher witzigen selbststilisierenden Duktus, was sich dann aber tatsächlich, wirklich komplett unbewusst, von Arbeitsgang zu Arbeitsgang am Text mit der Verschärfung der Verhältnisse änderte. Ich habe einen kleinen Teil des Einstiegs in den Ursprungstext daher als authentisches Zeitdokument der eigenen, noch ziemlich unklaren Position zu Beginn der Krise beibehalten und dann den Schwenk gemacht hin zu dem, was mir ungleich wichtiger erschien inzwischen als meine individuell-intellektuelle Prosperität aus der Lage.

''When the shit hits the fan!''

Man möge daher auch die sich aus all diesen hehren Bestrebungen und Parerga ergebende monumentale Textlänge nicht schon gleich zu Beginn wieder kritisieren, denn seien wir doch mal ehrlich, lieber Leser, machen Sie sich bloß nichts vor: Sie haben ja jetzt genug Zeit und bislang hat sicher keiner meiner Texte der Langeweile mehr Land hinzugewonnen! Und auch wenn ich sonst deutlich davor scheue, über ''Mode''-Themen zu schreiben, so wäre es ja in dem speziellen Falle dieses Virus nachgerade blasiert, mich dem Diskurs einer solch chancenreichen Krise nicht nur zu entziehen, sondern zudem ihm nichts hinzuzufügen.

Ja. ''When the shit hits the fan!'', wie die Amerikaner so schön sagen: wenn die Scheiße den Deckenventilator trifft...das ist so ungefähr die jetzige Situation, da die Weltgesellschaft sich selbst ganz neu kennen lernt und lernen muss. Das neue Stichwort lautet vorerst ''Social Distancing''. Gefordert wird der Eremit, der Einhäusler, der Reisende im Zimmer. Ich weiß, dass Freunde und Bekannte des Autoren mittlerweile grinsen, denn sie ahnen bereits was folgt: für den Schreiber dieser schweren Zeilen ändert sich also aber auch mal so gar nichts, aber auch kein Jota, in seinem Leben. Dem Soziophoben wird durch anbefohlenes Einhäuseln nichts weggenommen. Der Zustand generiert nichts, was selbiger nicht ohnehin schon gut genug kennt. Eine ganze Welt spielt sich in seinem Innern (und da allein) ab, da braucht er nicht noch andere oder Events oder Räume, in denen er sich mit anderen trifft. Jede soziale Anfrage durch Dritte ist dem Soziophoben eh schon zuviel und tatsächlich ein ''Attentat'' auf die von Tag zu Tag unterschiedlich schwer zu erlangende Seelenruhe (insofern wissen unschuldige unternehmungs- und einbindungsfreudige Bekannte gar nicht, was sie einem antun mit dem aktivitätenanspornenden Satz ''Ich habe ein Attentat auf dich vor!''.) Alle Selbststilisierung mal beiseite genommen, verhält es sich doch so, dass der Soziophob aufblüht, wenn alle sozialen Aktivitäten um ihn herum einfrieren und ständiges Händewaschen zur Ansteckungsprophylaxe ist dem Neurotiker mit Waschzwang nun wahrlich nichts Neues.

Es verwundert mich daher auch nicht weiter, dass ich mich in den letzten Wochen so fühle wie die von Kirsten Dunst gespielte Protagonistin Justine in dem genialen Lars von Trier-Film ''Melancholia'', zu dem ich vor Jahren eine begeisterte Rezension auf meinem alten Blog schrieb (die ich peinlicherweise nicht mehr wiederfinde).

Dort verhält es sich jedenfalls so, dass es der im routinierten Vorleben extrem depressiven Justine im Angesicht der Apokalypse durch die bevorstehende Kollision der Erde mit einem Eisplaneten von Tag zu Tag besser geht und sie dem ''rising to the occasion'' unterliegt, sie also perfekt angepasst ist an die neuen Bedingungen menschlicher Existenz, gerade durch ihre psychische Disposition, die auf Katastrophe und Untergang eingestellt ist. Zwar bin ich wahrlich nicht gerade depressiv, aber zumindest doch indolent gegenüber den Wirren einer oft allzu betriebsamen Welt. In den letzten Tagen dagegen geht es mir sehr gut. Alle kommen da an, wo ich mich schon seit Jahren befinde und mein Lebensmodell sowie inklusive das entsprechende Mindset kommen zumindest für den Moment zu ihrem Recht. Nicht wiederum, dass mir dieses allzuviel bedeutet, es verbreitet allerdings einen behaglichen Komfort in meinem Geist, nennen wir es so. Die ''splendid isolation'' also als neuer Zeitgeist für den Moment.

Zur Sache

Das Besondere an der neuen Corona-Krankheit scheint ihre willkürliche Plötzlichkeit im Auftreten, gekoppelt mit der gegenüber der normalen Grippe vergleichsweise hohen Letalität und dem exponentiellen Wachstum ihrer Verbreitung. Für den Moment also der ideale Cocktail für eine Pandemie der Panik. Noch vor ca. 2 Wochen hielt ich das Ganze auch eher allein für eine Pandemie der Hysterie als der Hygiene und steckte im Irrglauben, das Thema sei vielleicht bloß für den Moment im vollen Hype des News Cycle ein veritabler Scheinriese. Ein bewährter News-Grinder in den panikgetriebenen Medien, der ein paar Tage lang alles sonstig Vermeldete überlagert, der aber nach einigen Tagen derart abflachen würde, dass man sich irgendwann plötzlich fragen würde: ''Was wurde eigentlich aus diesem schrägen Corona-Virus, wo alle erst diese Panik machten?''. Ist ja oft so, dass bestimmte Themen irgendwann so sang- und klanglos untergehen, dass man das Gefühl hat, es ist den verantwortlichen Medien peinlich zuzugeben, dass da im Grunde die gesamte Zeit über Schaum in ein Thema geschlagen wurde, dahinter nichts Wesentliches steckte und man sich nun nicht mehr traut, das auch zuzugeben und das Thema derart stillschweigend absaufen lässt. Zwar tritt selbst bei gravierenden Themen mit dem Maß an fortschreitender Zeit eine Art von Info-Sättigung ein, was wohl selbst bei der Sensationalität einer Zombie-Apokalypse mit zunehmender Zeit der Gewöhnung daran der Fall wäre, aber im Falle des Covid-19 hat sich dieses sonst so häufige Abnutzungsphänomen dennoch nicht eingestellt.

Man bemerkt, dass sich bei der Corona-Panik eine diffuse Angst an und aus sich selbst nährt und sich so permanent vergrößert und alles: Bürger, Regierungen, Wirtschaft, Gesellschaftsbetätigungen in ihren Sog einzieht und das Maß an Panikadoption eskalieren lässt. Die Corona-Problematik stellt eine Vertrauenswette auf das bestehende System dar mit unklarem Ausgang in alle Richtungen. Weil das ganze Ereignis zugegeben nur die Beta-Variante einer globalen Pandemie darstellt (mehr dazu unten) und nicht ganz die ausweglose Drastik entwickelt, die eine voll skalierte (Zombie-) Epidemie entwickeln würde, können vereinzelte zeitgenössische Betrachter zur nüchtern-zynischen Kommentierung des ''Spektakels'' schreiten. Das Ganze wirkt jedenfalls wie ein gigantisches Freiluftexperiment mit der Erde als In-vitro-Schale.

"Die Krankheit Corona erlaubt uns den direkten Blick auf die Umbra, den tiefdunklen Kern des Systems, in dem wir sonst implizit und ohne Brechung leben,..."

Ich möchte aber zunächst zur Herleitung einer Metapher für die diesem Text im weiteren Verlauf unterliegenden Prämissen das Beispiel einer ganz anderen Corona bemühen. In der Astronomie bezeichnet die Corona die hell ionisierende Plasma-Außenhülle der Sonne, die sonst nie sichtbar ist. Selbige ist allerdings ausnahmsweise mit dem bloßen Auge zu erkennen, wenn es eine absolute Sonnenfinsternis gibt: schiebt sich der Mond dann zwischen Erde und Sonne, sehen wir diesen als gewaltigen Schattenball (die Umbra) vor der gesamten Sonne stehen und von selbiger bloß ihren hell leuchtenden Strahlenkranz (den man normalerweise niemals erkennen würde), die Corona. Metaphorisch möchte ich mir dieses astronomische Phänomen nutzbar machen, um die derzeitige Auswirkung des Covid 19-Virus auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft darstellen zu können und zwar möchte ich dafür den Begriff der Systemfinsternis einführen. Die Krankheit Corona erlaubt uns den direkten Blick auf die Umbra, den tiefdunklen Kern des Systems, in dem wir sonst implizit und ohne Brechung leben, also die Schwachstellen unseres Lebenssystems im 21. Jahrhundert. Wie in einer Sichtumkehr im Negativbild bei älteren analogen Photoverfahren wird das Dunkle hell und das Helle dunkel. Wir sehen zudem den irisierenden Kranz des Systems, den hell aufleuchten Saum des Ganzen, die Corona...was aber ist die Corona in der Metapher?

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''Only when the tide goes out you discover who's been swimming naked...''

An dieses legendäre Zitat des so umstrittenen amerikanischen Großinvestoren Warren Buffet muss ich derzeit auch im Sinne der oben eingeführten astronomischen Corona-Metapher denken, wenn ich das Weltgeschehen betrachte. ''Erst wenn die Ebbe kommt, erkennt man die, die nackt geschwommen sind.'' Das hat tatsächlich was von ''Des Kaisers neue Kleider'', wie neulich auch schon jemand irgendwo schrieb: ''Der Kaiser ist ja nackt!'' oder eben übertragen: ''Ach, guck mal?! Das System ist ja im Arsch!''

Sämtliche misslichen Zustände im kapitalistisch geprägten Gesellschaftssystem werden sichtbar durch die Corona. Auch erinnert das Ganze so ziemlich an frühere Discoabende, wenn plötzlich kurz vor Ende der Party grell das Licht anging und alle, die im roten Licht noch verboten schön aussahen, im überstrahlten grellen Glanz häßlich und ausgewaschen erschienen.

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Es liegt nun vor dem Hintergrund der noch vor Wochen völlig undenkbaren und so heftigen Veränderungen ganz klar auf der Hand, dass das 21. Jahrhundert nunmehr endgültig begonnen hat. 9/11 und die Weltfinanzkrise von 2008/09, der Syrienkrieg und Russlands Annektion der Krim 2014, die Eurofinanzkrise ab 2011 und die zunehmende Flüchtlingsproblematik: das alles waren und sind im Vergleich nahezu lapidare Ereignisse in Bezug auf die Langfristigkeiten ihrer Konsequenzen für das System, (wenngleich in der Zwischenzeit sie alle im Hintergrund weiter geschwelt haben und schwelen und weiß Gott nicht ''erledigt'' sind und additiv auf das System einwirken und es graduell erodieren lassen). Das neoliberale globalisierte System des Kapitalismus hat bislang an allen genannten Ereignissen des frühen 21. Jahrhunderts kaum Schaden genommen bzw besser: keinen sichtbaren Schaden erlitten und die Folgen zu verstecken gewusst. Nach der Finanzkrise von 2008 zB drehte die Weltwirtschaft, auch im Zuge der propagierten Digitalisierung der Weltmärkte, sogar in einer Art und Weise noch auf, die beängstigend anmuten musste.

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''Nicht erst die Wall Street, sondern bereits ein Geflügel- und Reptilienmarkt in Wuhan ist in der Lage, die Weltwirtschaft tiefgreifend zu lähmen.''

Prof. Gregor Putensen in einem Leserbrief an die Junge Welt vom 14.3.2020

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Darwinistisch versus solidarisch

Das Covid-19-Virus verhält sich zum bestehenden System wie der 2001 von dem US-Autoren und Börsenspezialisten Nassim Nicholas Taleb eingeführte ''Black Swan'', eine Metapher für das völlig kontigente und verheerende Einbrechen einer Unvorhergesehenheit in ein bestehendes und bis dahin funktionales System. Noch vor dem gleichnamigen Buch hatte Taleb dabei in seinem 2001er-Werk ''Fooled by Randomness'' (was im Übrigen wirklich DER perfekte Titel für die gegenwärtige Krise des Systems vor dem Hintergrund von Corona wäre) das Konzept des ''Schwarzen Schwans'' in Umlauf gebracht. Dabei sollte modifizierend betont werden, dass dieser Virus im Vergleich auf keinen Fall ''The Big One'' ist, sondern bloß ein Schmusetierchen einer Pandemie darstellt, wenn man sich einmal vor Augen führt, wie es wäre, wenn ein ähnlicher Virus bei gleicher oder sogar deutlich höherer Rate der Letalität ALLE Altersgruppen treffen könnte (also einer verheerenden Letalität vergleichbar der ''Schwarzen Pest'' des Mittelalters), also auch Kinder und Jugendliche, Menschen unter 80 Jahren, wirklich dahinraffen würde...dann wäre das Geschrei aber groß und man würde nicht mehr ganz so beherzt über ''Durchseuchung'' und schnell zu erwerbende darwinistische ''Herdenimmunität'' (wie in Großbritanniens Strategie der ''Bekämpfung'' des Virus) sprechen. Sobald Kinder sterben, geht den Leuten die Düse oder natürlich auch, wenn man selbst Opfer werden könnte.

Das Maß an Radikalität der Bekämpfungs- und Eindämmungsmodi in Bezug auf den Virus verrät eben auch (selbst wenn man in der selig-besserwisserischen Rückschau später die ein oder andere derzeit getroffene radikale Maßnahme zur Eindämmung bezweifeln mag), wie wir mit der älteren Bevölkerung (und zB Menschen aus Risikogruppen) umgehen wollen (darwinistisch versus solidarisch) und vermitteln uns so auch den Stand des Menschenbildes, ob es ein progressives ist oder der darwinisierende Kapitalismus sein in den letzten Jahren propagiertes und vor allen Dingen auf den Neuen Märkten sexy gewordenes Modell der ''Disruption'' nunmehr auch unwidersprochen auf das Menschenbild übertragen darf. Kurz gesagt: alles andere als Rücksichtnahme auf die betroffenen Gruppen wäre zutiefst unmenschlich. Da ist es auch egal, ob man viele Rentner völlig sorglos durch die Gegend laufen sieht oder nicht. Wir müssen so handeln, dass jeder Mensch gleich welchen Alters gleichviel wert ist. Traurig, dass man das schreiben muss, aber man muss es schreiben, denn in vielen unbedachten Äußerungen liest oder hört man derzeit im Grunde den frisch-fröhlich gedachten Tenor: ''Es sterben ja eigentlich nur die Alten!'' heraus. Denn inzwischen hat noch der letzte Nachrichtenignorant mitbekommen, dass die Letalität bei Covid-19 bei ca. 4.15% liegt, von denen die meisten Menschen über 80 plus sind (oft mit vorlaufenden Atemwegskrankheiten) oder auch, wenngleich nochmal deutlich seltener) jüngere Menschen mit Komorbidität auf bestehende respirativ-obstruktive Krankheiten (also Atemwegserkrankungen wie Asthma, COPD und dergleichen) oder Immunkrankheiten, Diabetes, etc.

"Wir müssen so handeln, dass jeder Mensch gleich welchen Alters gleichviel wert ist."

Und selbstverständlich kann man zur Verharmlosung dieser beschleunigten ''natürlichen Tode'' 1000 sicher irgendwie gut gemeinte beruhigend-optimistische Statistiken zur Kompensation dagegenhalten (Grippetote, Unfalltote, Anzahl der Neugeburten pro Tag auf der Erde, etc.) Das Ding ist aber auf den zweiten Blick, dass der einzelne Sterbende, sei es ein alter Mensch oder ein vorbelasteter Kranker mit Atemwegserkrankung, der oder die in dem Falle auch 15 oder 20 Jahre alt sein kann, eben qualvoll sterben muss und deshalb ungern als statistische Ausfallgröße für kühl-souverän wirken wollende Statistikliebhaber herhalten mag. Außerdem müssen die Regierungen der Öffentlichkeit solche Totenzahlen überhaupt erst einmal vermitteln (wie derzeit Italien, wo allein heute, am 20.3.2020, zum Zeitpunkt des Schreibens an diesem Text knapp 650 Menschen verstarben. // Update: während ich diesen Text am 21.3. zu seinem Ende bringe, werden die Totenzahlen aus Italien für heute vermeldet: knapp 800 Tote). Es ist lange her (und zwar seit dem Zweiten Weltkrieg), dass man sich zur Verlautbarung solcher Totenzahlen pro Tag für ein europäisches Land gezwungen sah. Und man sieht ja in Italien, wie kurz vor dem Kollaps Regierung und Regionalverwaltungen stehen im Umgang mit dieser Katastrophe und die Bilder aus den Kliniken dort. Eine Minute lang sich mal so einen Behandlungsraum in Italien anschauen im Video, empfehle ich! Wer dann noch leichtfertig von ''Herdenimmunität'' sprechen mag...naja. Außerdem: wenn vergleichbare Sterberaten erstmal in Deutschland ''ankommen'', ist das Heulen und Zähneklappern aber groß, warten Sie das mal ab. (Ich spare mir eine Vignette über eine sehr persönliche und extrem bizarre Begegnung mit einer panisch-aggressiven Frau heute morgen beim Bäcker an dieser Stelle und werde Sie höchstens in meinem ''Hausblog'' zum besten geben. Für alle Leser also hier: Verweis auf nächstes Mal!)

Apokalypse to go

Zugleich nervt an dieser Mentalität der Sorglosigkeit in Bezug auf das Social Distancing auch bei den weiter frohsinnig agglutinationswilligen Menschen a.k.a ''Social Spreaders'', wie ich sie mal nennen möchte, dass hier strukturell das gleiche Verhalten an den Tag tritt, das auch die Vielflieger in Klimawandelzeiten (den gibt es natürlich weiterhin) mit ihrer vermeintlichen und natürlich völlig zwecklosen ''Flugscham'' an den Tag legen, nach dem Motto: ''Ich fliege zwar, aber ich schäme mich natürlich schon ein bisschen dafür'', eine Haltung, die weder dem Klima etwas bringt noch zur Aufrichtigkeit der eigenen Gesinnung etwas beiträgt, jedenfalls: den Menschen, die sich unverantwortlich zusammenklumpen auf öffentlichen Plätzen oder bei Corona-Partys, gebühren schallende Ohrfeigen, denn für ihr vermeintliches Recht auf Instant-Spaßvollzug der Bürger einer ''freien Gesellschaft'' sind sie bereit, humanistische Werte zu opfern. Auch wenn der Autor sonst NIE mit Merkel übereinstimmen würde, hier hat sie recht: die Lage ist zumindest ernst und ein entsprechender Ethos des Verzichtes im Sinne eines ''höheren Gutes'', nämlich der eigenen und der Gesundheit der Mitmenschen, sollte entwickelt werden. Man fühlt sich stattdessen dem Gestus des ostentativ cool-entspannten Katastrophen-Rezipienten verpflichtet, weil man noch nicht begriffen hat. Apokalypse to go, sozusagen. Zumal es jetzt auch mal an der Zeit ist, so einiges am eigenen Verhalten und am Lebenssystem zu ändern und damit möchte ich zurückkommen auf die Corona-Metapher und was der Virus freilegt.

Natürlich will man jetzt aber auch nicht den Menschen pauschal das Lachen verbieten. Die puristische Einstellung von der Gegenseite, jetzt nicht mal mehr lachen zu dürfen hier und da, oder Satire zum Thema verbieten zu wollen oder sogar es unangebracht zu finden, die Corona-Krise als je individuelle Verschnaufpause zum kapitalistischen Zwangssystem wahrnehmen zu wollen, ist natürlich genauso unsäglich in ihrer starren Grundhärte. Denn darum wird es mir für den weiteren Verlauf meines Textes zu tun sein, die Krise als Chance zu sehen und zu nehmen, vorsichtig ein bisschen die Systemfinsternis zu betrachten, sowohl den schwarzen Fleck all dessen, was schon seit langem schief läuft und was wir abschaffen und ändern müssen als auch die irisierend leuchtende Corona, die Chance auf ein gesellschaftlich-soziales Miteinanderleben, wie es auch sein könnte, wäre man nur mutiger.

Weltfinanzkrise 2008: "Alles ging genau so weiter wie zuvor, nur exzessiver und schlimmer,..."

Nun war es ja schon bei der Weltfinanzkrise 2008 so, dass man dachte, wenn diese durchstanden sei, dann wäre man klüger und es würde nie wieder zu Exzessen an der Börse kommen oder zu astronomischen Managergehältern oder Monopolbildungen, eine sozialistische Gesellschaft würde Einzug halten oder zumindest der globale Neoliberalismus rückabgewickelt, aber...das absolute Gegenteil war der Fall. Zwar gingen einige Banken und Versicherer ''zu Bruch'', aber im Wesentlichen wurde das Finanzsystem nicht bloß konserviert, sondern bekam durch die Rettung und Sanierung auf Staatskosten sogar genug Zeit zum Rekonvaleszieren und wurde wieder aufgepäppelt, um bereits kurz danach fröhliche Urständ zu feiern. Alles ging genau so weiter wie zuvor, nur exzessiver und schlimmer, denn jetzt war in noch gesteigertem Maße die Mobil-Digitalisierung der Gesellschaft hinzugetreten und gab dem wie Phönix aus der Asche entstiegenem Kapitalismus einen völlig ungeahnten Konsum-Boost und willkommene Ablenkung der Massen inklusive.

Aber es musste allen klar sein, dass dieser Kapitalismus 4.0 (oder was auch immer an Zahlenmystik) ein veritabler Rohrkrepierer beim nächsten ''Black Swan'' sein musste. Ein System, das nun schon seit 12 Jahren mit Nullzins belohnt wird und das Geld ''druckt'' wie auf Bestellung und so also mit reinem (monetarischem) Adrenalin vollgepumpt wird Tag für Tag, muss kollabieren, sobald dieses System auch nur einmal wesentlich zB durch ein Störelement zur Ruhe kommt (ein solches Momentum ist überhaupt gar nicht vorgesehen im Turbokapitalismus). Die moderne globalisierte Weltwirtschaft ist ein maximaldynamisches digitalisiertes Perpetuum mobile mit Raketentriebwerk. Wenn selbiges doch einmal anhält (es darf vieles, aber nicht innehalten), steht der Kollaps kurz bevor. Man darf dabei jetzt schon prophezeien, selbst wenn in ungewisser Zeit der invasive neoliberale Kapitalismus dank staatlicher Garantien und Steuergeldbezuschussung wieder erholt oder noch kraftmeierischer aus alledem auftaucht (zB aufgrund von Nachholkonsumeffekten und ''Relief Buyings'') : die Rettungszyklen und imgleichen die Rettungsnachhaltigkeit gegenüber Black Swan-Ereignissen wird immer kurzfristiger werden, bis das System ganz kollabiert. Es wird von mal zu mal teurer und unmöglicher, dieses System bei einem Crash zu retten. Die Solidarität für und unter den Bürgern ist nach einer jeden solchen ''Rettungsaktion'' für die Finanzindustrie weiter erodiert.

Nun, zu dem Thema muss ich die geduldigen Leser vorerst aber nun wirklich auf meinen bald erscheinenden Artikel ''Marx, auf die Füße gestellt'' (den ich schon begonnen hatte, bevor Covid-19 jetzt alles zum Explodieren brachte) verweisen, sonst sprengt das hier endgültig alle Grenzen.

Nur soviel sei gesagt: wir müssen diese Krise diesmal wirklich dazu nutzen, den Turbokapitalismus rückabzuwickeln und dem Ideen aus dem Lichtschein der Corona (jetzt wieder die astronomische Metapher des Anfangs) entgegensetzen. Denn was ist denn nun eigentlich ''das Helle'', die ionierende Plasmahülle, die oben erwähnt wurde, das eher optimistische Takeaway aus alledem? Denn Optimistisches muss der Krise entgegengesetzt werden, sonst erhalten wir kostenlos unser Entrée-Billet zum Heiligen Wahnsinn und das muss ja nicht sein.

''Der Kaiser ist ja nackt!'' oder eben übertragen: ''Ach, guck mal?! Das System ist ja im Arsch!''

Es muss ein Zurück zum Wohlfahrtsstaat erfolgen und zwar unter der Auszahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Klar sind jetzt viele neoliberale Leser deutlich zusammengezuckt bei dem Wort ''Wohlfahrtsstaat'', aber im Übrigen ist exakt das der Begriff, den niemand sonst als der marktradikale Elite-Zögling Emmanuel Macron vor einigen Tagen in Angesicht der Krise gewählt hat, als er behauptete, dass Frankreich ab sofort ein ''l'etat providence'' (also eben ein Wohlfahrtsstaat) sei (den er all die Jahre zuvor in einem von ihm diktierten Diskurs gegen die französische Bevölkerung radikal abgeschafft wissen wollte). Dabei hat ja gerade die Abwicklung desselben durch Regierungen überall auf der Welt in all den Jahren zuvor überhaupt erst dafür gesorgt, dass zB auch und gerade die Gesundheitssysteme durch die ihnen aufdiktierte Rationalisierung und Privatisierung ausgehöhlt und bedeutend geschwächt wurden. Die Folgen aus alledem sehen wir jetzt in der misslichen und bereits wegbrechenden Versorgung der erkrankten Bevölkerung in den westlichen Ländern. Und dann sollen wir noch das Bail-Out betreiben für die Eliten, die uns das überhaupt erst eingebrockt haben (wie konnte zB die komplett hirnverseuchte neoliberale Bertelsmann-Stiftung, die ohnehin von NICHTS eine Ahnung hat, ungestraft ''nach Expertenansicht'' fordern, in Deutschland könne man locker von den knapp 1400 Kliniken und Krankenhäusern so um die 800!! aufgrund von struktureller ''Überversorgung'' bedenkenlos schließen, wenn man JETZT liest, dass Gesundheitsminister Spahn in Not geratene Krankenhäuser mit ALLEN Mitteln und Milliardensummen retten will?!) und noch härter arbeiten für noch weniger Geld, damit die Quasi-Rentiersversorgung der oberen Schichten aufrechterhalten bleibt und die Aktionäre weiter lächeln können.

"...,the Big Bailout und eine inverse Umverteilung nach oben,..."

Die Banken und generell Finanzinstitutionen und die großen Unternehmen werden natürlich allesamt wieder herausgehauen mit Steuergeldern, the Big Bailout und eine inverse Umverteilung nach oben, was ja mit zunehmender Frequentierung dieses Notmittels mehr und mehr nur noch auf Sicht klappt und später weiteres reingepumptes Geld als Liquiditätsspritze erfordert (siehe oben). An dieser Stelle übrigens einmal eine Erwiderung auf einen guten Freund, der mir per Mail schrieb, dass er gelesen habe, dass der Staat nun vorhabe, Unternehmen zu verstaatlichen und dass ich mich da doch freuen müsste über derlei sozialistisch-etatistische Bestrebungen. Ich freue mich null. Eine Verstaatlichung in einer neoliberalen Demokratie sieht so aus, dass der Staat das Unternehmen unter seine spendierfreudigen Fittiche nimmt wie eine Glucke ihre Küken und sie dann später durch Steuergelder gestärkt und re-privatisiert wieder mit frischen Kräften auf dem freien Markt walten lässt, während sie anderenfalls unter den darwinistischen Gesetzen eines wirklich frei zu denkenden Marktes schon längst zersprengt worden wären. Ich habe im Übrigen wirklich null Mitleid mit all den Big Companies, die über Jahre die große Disruption predigen und sich am Untergang kleiner Mittelständler oder Konkurrenten erfreuen und dann aber jammern als gäbe es kein Morgen, wenn sie ihre eigenen Lichter schwinden sehen. Dann will man nichts mehr gewusst haben von Disruption. Hört auf zu jammern, companies...jetzt gibts darwinistische Disruption. Dies eben die Chance, jetzt nicht wieder auf die bescheuerten Finanz-Bazookas zu verweisen wie einst Mario Draghi. Noch vor eineinhalb Wochen zB saß da Olaf Schulz bekloppt und der Angelegenheit völlig entgegen verschmitzt lächelnd im Ministerium und verwies darauf, dass man den Unternehmen eine Riesenbazooka bereitstelle und auch in den USA wurde wieder von ''enormously boosting fiscal firepower'' schwadroniert, um die Wirtschaft zu retten. Das wird nicht ewig immer wieder klappen, die Börse nimmt sich ja jetzt bereits nichts mehr davon an, obwohl zB in den USA sage und schreibe knapp 1.5 Billionen Dollar (kein Übersetzungsfehler!) in das System gepumpt werden sollen, also wieder das reine finanzielle Adrenalin. Zudem ist es so, als versuche man, ein Auto mit Motortotalschaden und Tank-Leckage durch ständig wiederholtes Volltanken wieder fit zu bekommen. So, one more time for the last time?!

"Es ist an der Zeit, den abgehängten Niedriglohnarbeitern und -arbeiterinnen nicht nur durch warmen Applaus aus Fenstern und Balkonen würdige Anerkennung zu zollen, sondern das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen."

Wer natürlich dagegen jede finanzielle Unterstützung in diesen heftigen Zeiten verdient hat, sind all die prekär unterbezahlten Berufsgruppen, die sich bisher schon in Scheißjobs durchs Leben schlugen und wirklich die Leistungsträger waren und sind, die die Gesellschaft zusammenhalten und es ihnen mit Dreckslöhnen gedankt wird als da u.a wären Post- und Paketboten, Reinigungskräfte, Kassiererinnen und generell Discount-Mitarbeiter, Müllentsorger, Pflege- und soziale Kräfte, Speditionsfahrer, Lagerarbeiter zB bei Amazon, Erntehelfer, Callcenter-Mitarbeiter und Servicekräfte im Gastronomiebereich und viele andere Niedriglohnarbeiter mehr in allen Bereichen. Menschen, die sich mühsam durchschlagen und bei denen es generell vom Mittelstand und wer immer sich selbigem zugehörig fühlt, so hingenommen wird, dass es schon ganz ok sein sollte, wenn diese Billiglöhner ausgebeutet werden, damit die Infrastruktur des Systems weiter gut läuft in ihrer Effizienz und dem geheiligten Konsum gefrönt bzw an anderen Orten und durch andere Personen Besitz angehäuft werden kann. Gerade jetzt, wo letztlich aufgrund einer fiesen ''Grippe'' im Weltwirtschaftssystem dieser prekäre Bereich der Arbeitswelt den ganzen Laden alias Gesellschaft überhaupt noch zusammenhält, damit die basisinfrastrukturelle Versorgung und Aufrechterhaltung steht und all die lächerlichen Mickey Mouse-Jobs in der Finanzindustrie oder Unternehmensberatungen und ''digital advisor'' plötzlich so lachhaft erscheinen (endlich einmal als die Nackten erkenntlich werden, die sie tatsächlich sind!), ist es an der Zeit, den abgehängten Niedriglohnarbeitern und -arbeiterinnen nicht nur durch warmen Applaus aus Fenstern und Balkonen würdige Anerkennung zu zollen, sondern das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen, das all diese prekären Jobs im übrigen direkt aufwerten würde, da der Lohnaufwand für selbige eminent steigen müsste und endlich als relational zur geleisteten Arbeit empfunden und so gesellschaftliche Anerkennung widerspiegeln würde.

Bleiben wir noch für einen Moment beim bedingungslosen Grundeinkommen. Es ist flankierend zwingend nötig, das Hartz IV-Regime mit seinen völlig aus der Zeit gefallenen Sanktionensmechanismen gleich vollständig mit abzuwickeln. In Zeiten der Pandemie und ihrer langen Nachwirkungen ist ein solches Gesetz blanker Hohn. Zumal über die Niedriglöhner ein völlig labiler Parallel-Arbeitsmarkt entstanden ist, der den Unternehmem Billigarbeiter und ''Sub-Unternehmer'' zum Discountpreis zur beliebigen Disposition rüberschiebt oder in den Agenturen ''rekrutieren'' lässt. Das hat nichts zu tun mit der Anerkennung für prekär Arbeitende, die angestrebt wird. Es macht keinen Sinn mehr, Verdachtssignale gegen Arbeitslose auszusenden. Das bedingungslose Grundeinkommen würde die Leute überhaupt erst zum Arbeiten motivieren! (Darüber beizeiten noch ein eigener Artikel).

"Wir erleben eine Deglobalisierung in Echtzeit,..."

Aber noch etwas anderes legt die Corona frei: die Fraglichkeit der bisher so unwidersprochen propagierten Mobilität und feinmaschigen Interkonnektivität der globalisierten Weltwirtschaft und der darauf zugerichteten Individuen in ihr. Wir erleben eine Deglobalisierung in Echtzeit, die Isolation nicht nur des Individuums in der eremitischen Selbstquarantäne, sondern auch sich wieder vermehrt absondernde Staaten, die ihren Grenzschutz ausbauen und also die Reversion von Netzwerkeffekten, die in einer ausdifferenziert verketteten Gesellschaft für großes Chaos sorgen muss. Plötzlich also kreist wieder jedes Land um seinen eigenen nationalen Bauchnabel und verfällt dem Unilateralismus. Über die politisch-gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Spontanisolation auf der Makro-Ebene wird an anderem Orte zu verhandeln sein.

Es wird einem bei aller verständlichen Bestrebung, möglichst schon jetzt und direkt eine Folgenabschätzung zu erlangen und zu antizipieren, welchen Ausgang diese Krise nehmen wird (begleitet von fast infantil anmutenden ''Wie lange dauert die (Corona-) Fahrt noch?''-Chören), nichts anderes übrig bleiben als auf meinen ewigen Leitstern, die daiostische Philosophie zu verweisen: alles hat seine Zeit. Der Kontrollverlust ist durch forcierte Kontrollabgabe wirklich fast maximal für alle Beteiligten. Der Schwarze Schwan der Corona wird sich noch eine ganze gute Zeit lang, während fiebrig an einem Impfstoff geforscht wird, austoben und hohe schmerzliche Todesraten fordern, das ist offensichtlich. Was wir machen können, ist, willig zu sein aus dieser Krise zu lernen, dass es nie wieder wirklich so werden darf, wie es war, was all die kapitalistischen verwöhnten und wie selbstverständlich als Anspruch vorausgesetzen Exzesse betrifft, nicht nur in Richtung der Big Companies und der Finanzindustrie, sondern auch in Richtung des je Einzelnen, des Konsumbürgers in seinem Wahn eines Anrechtes auf unbeschränktes Reisen, der Welteroberungsattitüde und der kompletten Sorglosigkeit in Bezug auf die Umwelt. Vergessen wir nicht, dass das Klimaproblem weiterhin dringend besteht und in den kommenden Monaten, zumal im Sommerhalbjahr, wieder wirklich brennend auf die Agenda treten wird, noch zusätzlich. Viele haben zB noch gar nicht begriffen, was für ein beängstigend prä-apokalyptisches Fanal unsere ''neuen'' Sommer und die Regenwaldbrände in Südamerika und Australien vor allen Dingen 2019/Anfang 2020 sind und waren.

"Handeln müssen wir jetzt. Die Krise nicht verstreichen lassen, den Neoliberalismus und die entfesselten Märkte einfangen und einschränken, die solidarische Gemeinschaft aufbauen und wieder den Mitmenschen sehen, statt nur abstrakte Mickey-Mouse-Werte und Profit."

Auch wenn man in der seligen Rückschau später die ein oder andere derzeit getroffene radikale Maßnahme zur Eindämmung bezweifeln mag, so müssen wir Antworten auf all diese Probleme finden, einen Ethos der Ernsthaftigkeit der Lage, nicht einen der allgemeinen Verbote, dann aber doch wiederum definitiv einen Ethos der Selbstbeschränkung und des Verzichtes entwickeln. Nicht wegen der Covid-19, sondern als große Lehre aus dem Corona-Prinzip. Wie ich es andernorts und noch am Ende meines letzten Textes, ''Die Zwangsjacke auf der Wäscheleine'' schrieb: wenn wir nicht freiwillig auf unseren ohnehin nur auf Zeit gebauten Schlaraffenlandanspruch verzichten, werden wir in sehr kurzer Zeit zum Verzicht gezwungen werden. Nicht mehr durch Verbote, sondern durch die reine Notwendigkeit. Und dann ist es zu spät zur Einsicht. Handeln müssen wir jetzt. Die Krise nicht verstreichen lassen, den Neoliberalismus und die entfesselten Märkte einfangen und einschränken, die solidarische Gemeinschaft aufbauen und wieder den Mitmenschen sehen, statt nur abstrakte Mickey-Mouse-Werte und Profit. Und das ohne jede Sentimentalität gesprochen, aber alles das gewiss so geäußert, damit wir nicht wieder wie nach der Krise 2008/09 noch neoliberaler aus alldem herauskommen als wir hineingegangen sind. Wie schäbig und vulgär wäre es doch, wenn nach der Krise der Hebel einfach wieder umgestellt würde und die Maschinerie des invasiven Kapitalismus zunächst langsam, dann aber wieder in voller und eventuell sogar noch heftigerer Fahrt wieder in Gang käme und die Hirnlosigkeit des Handelns einfach wieder aufgenommen würde und alles so weiterginge, wie es war, bevor uns während der Systemfinsternis für einen klaren kurzen Moment die Corona des Systems sichtbar wurde wie ein beglückender Hoffnungsstreif, aber wir dennoch nicht bewusster leben wollten.

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''Der besseren Erkenntnis nicht folgen bedeutet Krankheit.''

Aus dem Daodejing des Lao-Tzu

Also seien wir Eremiten des Widerstandes und unterliegen wir auch nicht der Seuche der Dummheit oder Unreflektiertheit. Während die Idioten der Massenblödigkeit Klopapier kaufen, als ob es ein kein Morgen gebe und mir im Übrigen völlig egal ist, warum sie das tun, sollten wir würdiger werden und dieser Gentrifizierung der Dummheit nicht folgen. Lassen wir den Kopf an zum Nachdenken, legen wir eine Weile kontemplative Muster ein und handeln danach entsprechend und mutig für die neue Gesellschaft. Die dunkle Umbra des alten Systems lässt die helle Corona der neuen Möglichkeiten im Kontrast umso heller strahlen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Korona_(Sonne)#/media/Datei:Solar_eclipse_1999_4.jpg

...nächstens mehr...

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Geschrieben von

Paul Duroy

Der Weg in die neu aufgeklaerte und entspannte Gesellschaft ist moeglich und noetig

Paul Duroy

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