Dieser Tage duerfte ein Wort durch die ''Tiefen'' des Internets geistern, das den regen Usern, die von der Netzindustrie als ''heavy user'' bezeichnet werden, also solche, die monatlich große Datenstroeme verbrauchen, aber hoechstwahrscheinlich auch den normalen ''light usern'' unschoene Gruselschauer eines Anfangsverdachtes ueber den Ruecken jagen duerfte: die sogenannte und geplante Internet-Drosselung durch die Telekom. Will heißen: hat jemand ein bestimmtes Datenkontingent verschossen, ist es aus mit seiner Flatrate und seine Datendurchleitung wird massiv reduziert und runtergepegelt: wir befinden uns bit-technisch dann wieder in den fruehen Neunzigern und werden an 56k-Modem-Zeiten erinnert. Erinnert sich der ein oder andere Leser noch an das Einwaehlen ins Internet via Telephonleitung? Und wie man damals ca. fuenf Minuten brauchte, um eine Bildseite aufzubauen? Etwas aehnliches stünde den Usern der Telekom, wenn sie einigermaßen ''heavy'' Datenstroeme nutzen, schon sehr bald bevor. Und dass sich dann andere Telekomunikationskonzerne anschließen werden, um die große Kasse aufzumachen, dass sie schoen klimpert, ist im Zeitalter des Geschaeftsmodells Internet natuerlich ueberfluessig zu erwaehnen (ich habe es aber gerade erwaehnt).
Telekom-Chef René Obermann begruendet dies mit den gestiegenen Kosten fuer die Datenhighways und deren Infrastruktur, die man beruecksichtigen und weitergeben muesse an die User, die sie ''verursachen''. So kann man grob die ''Bottomline'' wiedergeben. User und Konsumenten dagegen wittern die Verletzung des Prinzips der Netzneutralität, und haben damit natuerlich absolut nicht unrecht, befinden sich aber leider in Deutschland.
Kein userfeindlich Land in dieser Zeit als hier das unsre weit und breit, naja. Außer China und Nordkorea vielleicht noch. Die deutsche Politik hat sich dieses Problems bisher noch nicht angenommen, anders als zB in Holland, wo der Staat (also im Idealfall der Buerger und nicht die private Wirtschaft) die Netzneutralität garantiert und darueber wacht.
Der Fall offenbart exemplarisch, welchen Weg es mit dem ''freien'' Internet nimmt: den Weg in das Internet als Geschäftsmodell. Die Erkenntnis mag trivial klingen, raeumt aber nachhaltig mit der naiven Ideologie einst netzwerk- und internetbesoffener Euphoriker ab und auf, das Internet sei der Vorreiter einer neuen freien digitalen Welt, die zudem nichts koste. Die Gegenwart und die unmittelbar bevorstehende Zukunft erweisen und werden erweisen: das Internet ist der Vorreiter der totalen Marktwirtschaft. Über das Internet werden wir nicht nur fortlaufend auf Marktwirtschaftlichkeit konditioniert und uns eingetrichtert, wie man Geschaeftsmodelle erschließt, sondern der Plan wird sein, das ganze Leben selbst zum Geschaeftsmodell werden zu lassen. Das ist der Plan der Major Player im big digital business...und wie schafft man sowas? Indem man zB die ''Konsumenten'' jahrelang kostenlos auf eine schoene digitale Welt einstimmt, bevor man irgendwann nicht nur Datenstroeme, sondern auch den Besuch und die Nutzung von Seiten kostenpflichtig stellen wird...an die User, die sich jetzt noch wie der raumgewinner-Autor ueber kostenlose ''full albums'' bei youtube freuen: nutzt das mal noch eifrig, denn bald, sehr bald schon, werden kommen die Bezahlmodelle kommen...''Flatrates'' zB fuer die Nutzung von youtube. Und was mit Flatrates nach einiger Zeit passiert, offenbart ja die Telekom derzeit!
''Was soll daran schlecht sein, wenn ich zB anteilig fuer youtube-vids bezahle?'', raunt es dort vorn aus dem Lesersitz: Nun, wollen Sie für JEDE Seite, die Sie besuchen/nutzen, in Zukunft etwas zahlen, lieber Leser? Oder zB 5cent auf jeden Paul Duroy-Eintrag, den Sie im ''Freitag'' klicken, zahlen? Das waere so, als muessten Sie (und aehnliches gab es ja schon in der Fruehen Neuzeit, zB beim Betreten fremder Stadtmauern) bei jedem Eintritt in eine Stadt Eintritt bezahlen und dazu noch eine kleine feine Akzise beim Betreten jeder beliebigen Straße dieser Stadt.
Und ebenso wird die digitale Akzise leise und langsam vorbereitet, so langsam und leise, dass man den Uebergang in das radikal andere Modell (Bezahlwelt Internet) gar nicht bemerkt, wenn man ihn nicht benennt...
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Ein weiterer wichtiger Aspekt, wenn man die User auf Marktwirtschaftlichkeit und Bezahlmodelle konditionieren will: lass Sie selbst mitmachen beim Erschaffen von Bezahlmodellen. Lass zB den einzelnen Blogautoren oder youtube-Troubadour mit Akustikklampfe entdecken, dass er fuer das, was er da wahlweise, nach Richtung des deutenden Blickes auf seine ''Werke'' naiv, unbedarft, idealistisch, utopisch, dumm, unreflektiert, geschäftsuntuechtig, etc. als seine Kunst und sein Schaffen und seinen Output kostenlos ins Netz stellt, doch eigentlich genauso gut Geld verlangen koennte. Lass ihn zudem werben fuer seine Seite und lass uns werben auf deiner Seite und es entsteht ein wundervoll symbiontischer Geschaeftszusammenhang. Dass das Internet so seine idealistische Unschuld verliert und vom berechtigen Sehnsuchtsort fuer Anträge auf Änderung der Welt (herkoemmlich verschrieen als: 'Utopien') und als kostenlos nutzbares Kompendium für was auch immer mutiert zur grossen shopping mall und zum bunten und regulierten Marktplatz, das allein ist an und fuer sich schon eine traurige Sache.
Wo einstmals ''umsonst und draußen'' ein schoenes idealistisches Prinzip war, hatte das fruehe Internet bis ca. noch Mitte der 2000-er Jahre, ''umsonst und diesmal drinnen'' (naemlich im Internet) als zusaetzlich schoenes Prinzip zu bieten. Dann kamen langsam, als der totale Markt den e-commerce und ueberhaupt das Internet als große, durch den Markt zu kolonialisierende Neue Welt fuer sich entdeckten, die Bezahlmodelle ins Internet und nunmehr explodierend: die Werbung...wo sonst nur Spam genervt hatte wie Furunkeln am Hosenboden, kam jetzt wirklich ueberall hirnverbrannte Werbung in alle fuenf Sinne des Online-Surfers...und immer mehr Seiten, bei denen man Premium-Modelle nutzen musste (d.h. ein Bezahlmodell waehlt), um sie in allen Funktionen nutzen zu duerfen und sich zudem FREIZUKAUFEN (WTF??) von nerviger Werbung. Das wunderte die meisten dann irgendwann schon nicht mehr: dass man plötzlich die Kreditkarte zückt, wo man doch eigentlich nur klicken wollte. (Verwahrung des Autoren: das bezieht sich auf die Beispiel-User, nicht auf mich selbst, ich kann nichtmal paypal.)
Und so sind mit Verlass schon viele einstmals idealistische und gute, danach nur noch gutgemeinte, dann aber endgültig, weil man das Geschaeftsmodell fuer sich entdeckt hatte: boeswillige Webauftritte zu schmierigen Geldverdienklitschen verkommen, wie ja nicht zuletzt, und ich koennte hier eine mehrere Scroll-Kilometer-lange Fussnote bringen, die Seite www.mitfahrgelegenheit.de, die sich dank neuem Eigentümer gewandelt hat in ein einziges (zudem komplett userfeindliches!) Geschaeftsmodell...(dazu mal eines anderen Tages ein ganz eigener Eintrag aus spezifischer Anlasserregung, sonst werde ich wieder wuetend, ich moechte zumindest in diesem Eintrag hier aber nicht wuetend werden). Falls mich mitfahrgelegenheit.de nun fuer solche schmaehenden Ankuendigungen verklagen würde, würde dies wiederum ein weiteres schmieriges Geschaeftsmodell im Internet entlarven: das dreckige und den schmierigen Geschaeftsmodellen wie ein blindwütiger Wurmfortsatz anhaftende Metier des ''Anwalts fuer digitales Recht'', der seine Abmahnungen in Serie verschickt an User, die nicht wissen, wie ihnen warum geschieht. Anwälte für digitales Recht tragen nicht selten einen ähnlichen Anruch wie der Beruf des Abdeckers oder des Henkers im Mittelalter.
Es darf also nicht verwundern, wenn wir in dieser anbrechenden Zeit entdecken werden, dass das Internet nicht das Medium der Befreiung des Menschen von seinen irdischen Zwängen und seiner kostenlosen Beglückung und grenzenlosen Kommunikation ist (was es alles im utopischen Aufschein vielleicht einmal war, bzw als welches es dem ein oder anderen noch erscheint), sondern dass das Internet, ueberhaupt also die digitale Welt, sage ich, das Medium der endgültigen Vermarktung unserer Lebenswelt und der Weltsicht ist. Die Bezahlmodelle werden sich in den naechsten Jahren wie ein Krebsgeschwuer ausbreiten im Netz...das faengt immer alles ganz klein an, aber leider in exakt umgekehrter Weise zum bekannten Scheinriesen Turtur, der beim Naeherkommen auf Normalmaß zurueckschrumpfte: hier faengt etwas ganz klein an, das bald ganz groß in Mode sein wird: das ubiquitäre Bezahlen im Internet. Man koennte es auch so fassen: das Internet wird gentrifiziert: wo umsonst und draußen war, herrschen jetzt Lounge Music und kostenpflichtiger Eintritt...
Deshalb verhalten sich viele Internet-Euphoriker zu ihrem Medium immer kurzsichtig bzw fehlsichtig, mit blinden Flecken behaftet: sie denken das digitale Angebot immer nur in die Richtung, die ihnen bevorzugenswert erscheint, übersehen aber leider komplett (oder unterschaetzen es intellektuell voellig) die formierenden Ströme des totalen Marktes, der das Medium ''Internet'' schleichend uebernimmt: das Internet ist kein freier, in die Welt geborener Raum (mehr), sondern wird implementiert durch Server, durch Anbieter, Provider und zunehmend kolonialisiert durch Monopole, große Konzerne, die ihre ''Ideale'', vor allem also mal: das Geldverdienen, durchsetzen wollen...dass man aus Scheiße Geld machen kann, wissen wir nicht erst seit den 'Anwälten für digitales Recht''.
Es gibt gar keine Visionen fuers Internet mehr, die nicht vom Markt ausgingen...was Google und facebook und dergleichen Konsorten anbieten und propagieren, hat ja nur vorderhand mit hehren anthropologischen und aufklaererischen Visionen zu tun, in allererster Linie jedoch geht es hierbei ums schnöde Verdienen und um die Absolutierung des Marktgedanken durch das Mediums ''Internet''. Dass man dergestalt nebenher auch noch die rezipierenden Köpfe des Publikums durch euphorische digitale Heilsversprechen manipulieren kann, ist willkommener Kollateralnutzen. Die ''Vordenker'' dieser digitalen Monopolisten sind die modernen Alchemisten, Scharlatane der Simplifikation.
Wer dann noch, und ich werde gerade doch wieder etwas wütend, die Ideologie des ''Post Privacy'' nicht nur nachflüstert, sondern ihr noch applaudiert und sie propagiert, hat entweder schon sein Hirn auf ''sozialen Netzwerken'' verballert oder gar keinen Anstand mehr...
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Durchatmen, ich setze nochmal neu an, um nicht in heillose Anlasserregung zu verfallen:
Natuerlich sind das Geld selbst und das Geld in seinem von Fall zu Fall exakt definierten Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, (also der Preis), uralte Schmeißfliegen, die sich konsequent an alles anhaengen, was eingepreist werden kann. Insofern ist die Einvernahme dynamischer Prozesse und Verhaeltnisse durch das Geld kein originär digitales Phänomen...in aller Frivolität und zunehmend totalitär wird die Einpreisung und Ökonomisierung des Lebens und noch des kleinsten zwischenmenschlichen Verhaeltnisses jedoch endgültig allein durch die unübertreffliche Kognition des Netzes.
Eigentlich verhaelt es sich so, dass alles, was ohne Einpreisung und Verkauf auskommt, viel schoener und smarter und vor allem: unkomplizierter! erscheint, als wenn wir in jeder Verrichtung und jedem Wunsch auf den Preis stoßen oder anders ausgedrueckt: alles bezahlen muessen, was wir eigentlich umsonst haben koennten oder einstmals uns kostenfrei zur Verfuegung stand. Das Internet dagegen wird nun neu ausgerichtet von oligarchischen Monopolen, die dem User suggerieren wollen, dass das Netz nie als kostenlose Bedienkultur gedacht war, sondern dass man im Netz brav fuer alles zu zahlen hat. Das ist natuerlich ein Postulat, das viel konstruierter ist als jegliche Utopie, denn es sagt, wenn ich mal paraphrasieren soll, ungefaehr Folgendes aus: '
'Es ging zwar bisher im Netz alles auch gratis, aber es darf so nicht sein, denn liebe User, im echten rest-analogen Leben habt ihr auch meist fuer alles Schoene, Angenehme, Nuetzliche zahlen, so wollen wir das auch künftig im Netz so halten...also bitte: einmal Eintritt zahlen nicht nur fuer das Internet, sondern auch fuer den Besuch dieser Website, fuer die Indienstnahme dieses Zusatznutzens etc...
Die totale Ökonomisierung des Internets ist nicht smart, wie es dagegen die autoregulative Nutzung und Ausgestaltung kostenfreier Prozesse und Dienste ohne Komplikation und Bürokratie fast notwendig ist, sondern ein kleinkraemerisches Geschaeftsmodell, dass die Freiheit im Netz und vor allem auch die digitale Vielfalt ersticken wird. Das Internet, von dem man in den 1990-er Jahren haette ohne größere Inanspruchnahme von utopischem Material mutmaßen koennen, dass es sich zum libertären Freiraum des Bürgers, zur Graswurzelbewegung der Andersdenkenden und Alternativsucher entwickeln koennte, degeneriert nun zur Klein- und Großbörse, zum Handelsplatz, zum digitalen Schwellenland für Unternehmerträume, die erst recht Utopie sind, sich aber durchsetzen werden, weil sie effizient sind und verstanden haben, dass der Konsument das Internet nicht mehr wird missen wollen, selbst wenn es zum Bezahlmodell wird und er sich dafuer von Unternehmen und Klein- und Großkraemern knebeln und knechten lassen muss.
Das Heilsversprechen, das die Monopolisten dabei an den User ergehen lassen, ist die nicht utopische, sondern nur verlogene Lockideologie, dass jeder im Netz ausreichend Geld verdienen kann, wenn er dieses nur merkantil nutzt, sich als Werbehure in Anspruch nehmen laesst und selbst wirbt, dafuer sorgt, dass er zB ueber seine Website Geld verdient und sein ''Produkt'' an die anderen User verkauft. Die Zwischenhandelsgebuehr streichen dann natuerlich, wen wundert das, die Monopolisten ein...jedes digitale Verhaeltnis wird ein Marktverhaeltnis, jeglicher Kognitionsakt im Digitalen mit einem marktwirtschaftlichen Akt, sprich: einem Verdienstmodell, verknüpft.
Man könnte auch, und muss dabei nicht einmal allzu verschwörungstheoretisch werden (es reicht die Entwicklung zu beobachten), folgenden Vergleich anstellen: kündige den Leuten einen riesigen Park an, in welchen sie frei herumtollen koennen, machen, was sie wollen, grillen, chillen, lautstark Musik, Freiluftkino, nacktbaden, albern und tollen, Sex auf Wald und Wiesen in jeder Spielart, belehren und laut vorlesen, schreiben und teilen und sich schlagen, sich vertragen und gemeinsam kommunizieren, sich anschreien, tanzen, kaufen und verkaufen und das alles kostenlos in diesem Park...mit Begeisterung werden die Leute diesen kostenlosen Spielpark besiedeln...
Dann erst, nach einigen Jahren, verlange von ihnen einen Eintritt fuer diesen Park und eine verbindliche Gebuehr auf eine jegliche dieser Aktionen und eine Sonder(Premium-)Gebühr noch dazu auf alles, was das Normalmaß an jeglicher dieser ''Verrichtungen'' überschreitet...und bring sie selbst dazu, sich gegenseitig Geld abzuverlangen fuer Dinge, die sich bisher viel schneller, unbürokratischer und ohne jegliche Mediatisierung durch gebuehreneintreibende Dritte, erleben oder verrichten ließen...
Wie lange würde es dauern, bis die Menschen merken würden, dass aus ihren Spiel- und Lebenspark eine zwar belebte, aber doch lebensfeindliche Kommerzwüste, ein Handelsforum, ein Marktplatz, ein klinischer Börsenort geworden ist, der sie sogar ausschließt, wenn sie nicht zahlen, handeln und investieren und erkennen werden, dass sie ihren Anspruch auf Mitgestaltung und Mitsprache verloren haben und nurmehr allein die Geldstroeme die Lebensregeln im Park bestimmen? Wann würden diese Menschen also erkennen, dass sie für ihre schönsten Träume bezahlen mussten, um einen Alptraum zu erhalten?
''They paved paradise
to put up a parking lot
with a pink hotel, a boutique
and a swinging hot SPOT...
Don't it always seem to go
that you don't know what you've got
till it's gone?
They paved paradise
to put up a parking lot...
They took all the trees
and put them in a tree museum
then they charged the people
a Dollar and a half just to see 'em.
Now: don't it always seem to go,
that you don't know what you've got
till it's gone...?''
Joni Mitchell, Big Yellow Taxi
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