Wer braucht den „funk“?

Öffentlich-Rechtliche ARD und ZDF wollen jungen Kreativen eine Plattform bieten. Eine solche existiert allerdings längst
Ausgabe 40/2016

Berlin-Wedding: ein altes Fabrikgebäude, bunte Schilder und Holztische, auf denen Club-Mate-Flaschen stehen. ARD und ZDF stellen ein Jugendformat vor – da muss das Setting stimmen. Jung und hip, das waren bisher nicht gerade die Markenzeichen öffentlich-rechtlicher Sender. Also: Kann so etwas funktionieren? Und brauchen wir das überhaupt?

Bei dem Versuch, ein junges Format zu produzieren, kann man so einiges falsch machen. Nichts ist schlimmer als peinlicher Jugendsprech und verstaubte Sendungen mit modernem Anstrich. Aber ZDF und ARD brauchen dringend eine Verjüngung. Statistiken zeigen: Die unter 29-Jährigen schauen weit weniger Fernsehen als die übrige Bevölkerung. Deshalb nun funk: klein geschrieben und deutsch ausgesprochen. Sie bespielen damit keine TV-Geräte, sondern die sozialen Netzwerke – für die Moderationen wildern sie einfach bei Youtube.

LeFloid, die Datteltäter und Ronja von Rönne

Der Ansatz ist ziemlich durchsichtig, man holt sich heran, was im Internet schon lange funktioniert. Die muslimischen Videoblogger Datteltäter treten also auf, genauso wie der 27-jährige Hubertus Koch, der mit seiner Syrien-Dokumentation den Nerv einer Generation traf; Ronja von Rönne, die ewig Twitternde, wurde engagiert und LeFloid, der schon Kanzlerin Angela Merkel interviewen durfte. Peinlich wird es insofern also nicht, die Zuschauer sind längst erreicht.

Für die Öffentlich-Rechtlichen ist das natürlich alles Neuland. Internet wird dort noch immer wie klassisches Fernsehen gedacht. Wir senden, ihr schaut zu. Dementsprechend lange hat es gedauert, das neue Format vom Rundfunkrat absegnen zu lassen. funk will nämlich alles anders angehen. Es funktioniert nicht wie klassisches Fernsehen, sondern eher wie Onlinekanal: Jede Woche gibt es neue Sendungen, die jederzeit abrufbar sind. Die Webseite arbeitet nur als Linse, um die verschiedenen Programme zu bündeln, die unabhängig voneinander auf den jeweiligen sozialen Plattformen laufen, auf Facebook, Snapchat und Twitter. Wer diese Generation erreichen will, der kann nicht warten, dass sie kommt, der muss sie abholen.

45 Millionen Euro wollen die Sender dafür jedes Jahr in die Hand nehmen. Das klingt nach viel Geld, ist aber nicht vergleichbar mit dem Budget anderer Kanäle. Über 40 Sendungen produziert funk damit jede Woche, von sehr albernen Shows mit Warcraft-Figuren bis hin zu seriösen Reportagen über Kindersoldaten. Es gibt Gespräche über feministische Themen auf dem Mädchenklo und Comedysendungen über alltägliche Probleme deutscher Jugendlicher. Eine wirklich bunte Mischung, vieles davon auch gar nicht schlecht gemacht. Nur braucht es funk dafür eigentlich nicht.

Bei der Geschäftsführung von funk heißt es, man wolle jungen Kreativen eine Plattform bieten. Vielleicht wurde dabei übersehen, dass diese Plattform ja mit Youtube schon existiert. Der Trumpf von funk ist, dass es keine Werbung gibt und über die Videos professionelle Journalisten wachen. Aber reicht das, um mitzuhalten?

Das neue Format muss sich an all dem messen, was das Internet im Moment ausmacht: Schnelllebigkeit und Spontaneität. Jede und jeder kann heute mit seinem Handy eigene Sendungen produzieren. Was am Ende davon funktioniert, folgt keinen klaren Regeln, sondern höchstens dem Zufall. Was heute noch tausende Klicks bekommt, kann morgen wieder vergessen sein. Auch damit muss funk umgehen können.

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Geschrieben von

Paul Hildebrandt

Ich schreibe über Soziales, Politisches, über Migration und Kinderthemen. Dazwischen reise ich - in Deutschland und durch die Welt.

Paul Hildebrandt

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