Ungemütlich ist die Lage, und Thomas Strobl ist sich dessen völlig bewusst. „Das ist die schwierigste Bewährungsprobe für die CDU Baden-Württemberg in ihrer Geschichte“, sagt der 52-Jährige. „Es wird ein steiler, steiniger und auch ein langer Weg.“ Das gilt nicht nur für die nächste Landtagswahl, die erst 2016 ansteht, sondern vor allem für die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Denn auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel kann das derzeitige Chaos der Südwest-CDU gefährlich werden, wenn es 2013 um die Sicherung ihrer Macht geht. War doch der starke Landesverband stets Stütze der Union im Bund.
Strobl, seit dem Scheitern des abgewählten Ministerpräsidenten Stefan Mappus nun genau ein Jahr Landes
ahr Landesvorsitzender, sieht sich vor einer fast unlösbaren Aufgabe: Er soll der Union in der für sie ungewohnten Oppositionsrolle neues Leben einhauchen. Und er muss schauen, wie er und seine Partei einigermaßen unbeschadet aus dem EnBW-Skandal herauskommen. Seit der Razzia bei Mappus wegen des Untreueverdachts vergangene Woche bleibt nur noch eine Strategie: möglichst weit auf Distanz gehen zu dem einstigen konservativen Hoffnungsträger.Derart existenzielle Probleme sind neu für die baden-württembergische CDU, die fast 60 Jahre lang den Landesvater stellte. Dass in der Villa Reitzenstein seit einem guten Jahr ein grüner Ministerpräsident das Sagen hat, ist für viele Christdemokraten noch immer unbegreiflich. Da wirkt es tröstlich, wenn eindeutige Mehrheiten bisweilen doch noch an alte Zeiten erinnern. In Heilbronn stellte sich der CDU-Kreisverband kürzlich mit 114 Ja-Stimmen bei zwei Gegenstimmen hinter Strobl, der bei der Bundestagswahl 2013 abermals als Direktkandidat antreten soll. Das Mandat hat er bereits seit 1998.Landesparteichef ist Strobl dagegen erst seit dem 23. Juli 2011. Nicht, dass es dem in Heilbronn geborenen Rechtsanwalt, der mit der Tochter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verheiratet ist, vorher an Ämtern mangelte: Neben seinem Bundestagsmandat wären da noch Tätigkeiten als Stadtrat in Heilbronn, im Bundesvorstand der CDU und als Chef der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe in Berlin . Nun aber ist er vor allem gefordert als Krisenmanager seiner tief verunsicherten Partei. Untersuchungsausschuss, Regierungsgutachten, Vorwürfe des Landesrechnungshofes, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Scheibchenweise kommen die Unfassbarkeiten des Deals ans Licht, bei dem Mappus Ende 2010 für 4,7 Milliarden Euro Anteile des Versorgers EnBW am Parlament vorbei gekauft hatte. Um bis zu 840 Millionen Euro soll das Land dabei geschädigt worden sein, weil der Preis womöglich zu hoch war."Wir wussten ja nichts davon!"Wie die meisten anderen CDU-Größen übte sich auch Thomas Strobl, einst Generalsekretär unter Mappus, lange Zeit in Loyalität zum Ex-Parteichef und Ex-Ministerpräsidenten. Irgendwann kam dann aber der Punkt, an dem er es sich anders überlegen musste – aus Selbsterhaltungstrieb. Seither betont Strobl bei jeder Gelegenheit seine größer werdende Distanz zu Mappus. „Wir wussten ja alle nichts davon“, lautet die Standardantwort auf die Frage, was er denn zu den Vorwürfen gegen die Mappus-Truppe zu sagen habe. Gegen seinen Vorgänger stichelte er zuletzt in einem Interview: „Irgendwann wird Stefan Mappus zu einer selbstkritischeren Haltung kommen müssen. Vielleicht sagt er ja noch ein Wort des Bedauerns.“Er sieht wohl keine andere Wahl, als die Rolle einzunehmen, die auch der neue Ministerpräsident Winfried Kretschmann bereits fehlerfrei beherrscht: den Anti-Mappus geben. Äußerlich fällt das Strobl nicht schwer. Inhaltlich sind die beiden Konservativen aber so unterschiedlich nicht. Es war einst der Trotz gegen das Engagement der Jusos an seiner Schule, die Strobl zur Jungen Union trieb. Als Jurastudent in Heidelberg trat er in eine schlagende Verbindung ein. Wie Mappus stritt auch er für das Projekt Stuttgart 21 und sorgte dabei mit einer Nazi-Anspielung gegen den Schauspieler Walter Sittler für Aufsehen. Später entschuldigte er sich.Nun betreibt der gut trainierte Marathonläufer die Modernisierung der CDU. „Künftig mehr Diskussion und weniger Akklamation auf Parteitagen“, wünschte er sich schon bei seiner Bewerbungsrede um den Landesvorsitz vor einem Jahr. In einer Zukunftswerkstatt soll sich die Parteibasis mit ihren rund 70.000 Mitgliedern über zehn „Leitfragen“ den Kopf zerbrechen. Sämtliche Fehler, die bei der Landtagswahl im März 2011 zum Absturz führten, sollen nach und nach analysiert werden. Vor allem die Frage, warum kaum Frauen zwischen 34 und 60 Jahren ihr Kreuzchen bei der CDU gemacht haben, beschäftigt Strobl. Lag es allein an der Person Stefan Mappus? Oder sind die konservativen Ansichten inzwischen jeder schwäbischen Hausfrau zu altbacken? Um die Wählerinnen im Land besser zu verstehen, wurde kurzerhand das „Jahr der Frau“ ausgerufen und die Kampagne „Frau im Fokus“ gestartet. Man wolle „ausschwärmen, auf die Straße gehen und die Frauen fragen: Was sind denn eigentlich eure Themen?“, formulierte Strobl.Ob die Mitgliederbeteiligung und die neu entdeckte Weiblichkeit die Union aus dem Jammertal führen, kann heute niemand sagen. Parteigrößen wie der einstige Ministerpräsident Günther Oettinger und Bundestagsfraktionschef Volker Kauder zeigen sich jedenfalls besorgt über die Schwäche der CDU im Ländle. Für Strobl gibt es letztlich ohnehin nur einen Erfolgsmaßstab: die Rückkehr auf die Regierungsbank.