Verwirrspiel um Fidel Castro

Cuba Weiß der Präsident Venezuelas mehr über die Rückkehr des Maximo Líder in seine Ämter als die Regierung in Havanna?

Die Maschine, die es zu reparieren gilt, hat 80 Jahre auf dem Buckel", so hatte Fidel Castro im August 2006 vom Hospital aus seinen kranken Körper beschrieben und damit auch die Aufgabe der Ärzte umrissen. Wie umfassend die Reparatur ausfiel, ist bis heute nicht öffentlich. Von drei Darmoperationen war die Rede. Vor drei Monaten räumte dann Venezuelas Präsident Hugo Chávez, großer Freund Castros und - so könnte man zumindest fast meinen - sein Pressesprecher, ein, dass es eine "Sache zwischen Leben und Tod war". Nun heißt es seit Wochen, dass Fidel auf gutem Wege sei und bald wieder in seine Ämter zurückkehren werde.

So weit nicht schlecht. Aber was es inzwischen an Ankündigungen und Manövern gab! Am 12. März belegte ein Foto von Fidel und Garcia Márquez die Rekonvaleszenz. Es folgte die Veröffentlichung von Bild und Text eines 30minütigen Telefonats zwischen Chávez und Castro. Wenig später nannte der bolivianische Präsident Evo Morales sogar einen Termin, "am 28. April nimmt Castro die Amtsgeschäfte wieder auf", hieß es, und dass er dann beim Gipfel der Bolivarischen Alternative für Amerika (ALBA) am 29. April in Venezuela dabei sein werde. Einen Tag vor diesem Treffen korrigierte Morales sich geringfügig: "Ich bin sicher, dass Fidel sich am 1. Mai wieder integriert". Und Chávez hat nun gar verkündet: "Fidel hat das Kommando".

Man ist perplex. Vielleicht ist er ja schon wieder im Amt, ohne dass die Welt es bemerkt hat? Was für ein Verwirrspiel! Und warum? Äußerungen wie die des cubanischen Erziehungsministers, der - auf die Erwartungen zum 1. Mai bezogen - nur sagte: "Wenn es möglich ist, wird er dabei sein, wenn es nicht möglich ist, wird er nicht dabei sein", sind da wenig hilfreich. Man wünschte sich schon eine offizielle Information der cubanischen Regierung. Oder eben - wenn es nichts mitzuteilen gibt - gar keine. Ohnehin kann sich jeder vorstellen, dass eine Teilnahme an einer Massenkundgebung wie der am 1. Mai für einen Menschen, der seit neun Monaten im Krankenhaus liegt, nicht gerade der - gesundheitlich - geeignete erste öffentliche Auftritt ist. Wie dem auch sei, die Ankündigungen seiner Freunde Chávez und Morales sind nicht nur irreführend, sondern auch kontraproduktiv. Dass damit politische Spannung erzeugt oder gar aufrechterhalten werden soll, kann man schlecht glauben.

Kolumnist der "Granma"

Was immer dahinter stecken mag, im Moment scheint es zumindest, dass es dem Patienten wirklich besser geht. Unter der Dachzeile Reflexiones del Presidente Fidel Castro hat er sich mehrfach mit längeren Artikeln in der Granma geäußert. Am 10. April war es die Auseinandersetzung mit der Entscheidung eines US-Gerichts, den Exilcubaner Luis Posada Carriles vorläufig frei zu lassen. Castro erinnerte seine Landsleute nur, dass Posada von Venezuela aus im Oktober 1976 auf der Route Caracas-Havanna für die Explosion einer cubanischen DC 8 gesorgt hatte, bei der 73 Cubaner starben. Dass er in den neunziger Jahren Anschläge auf Hotels in Cuba verübte und dies gegenüber der New York Times auch öffentlich zugab. Dass er den Krieg der Contras in Nicaragua organisierte sowie die berüchtigte Operation Condor, bei der politische Gegner Mitte der siebziger Jahre in Chile, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Bolivien ermordet wurden. Posada werde dagegen höchstens für illegale Einreise in die USA vor Gericht kommen, denn "die Verbrechen geschahen angeblich vor Jahren in fremden Ländern", habe die Richterin in El Paso/Texas erklärt. "Nur das Weiße Haus konnte die Anweisung für den Urteilsspruch geben", schlussfolgert Castro und schreibt weiter: "Es war Präsident Bush, der die ganze Zeit den kriminellen und terroristischen Charakter des Beschuldigten umging."

Auch die neue Treibstoff-Welle beschäftigt ihn. Zweimal, am 28. März und am 3. April, nimmt er sich die beginnende internationale Euphorie für Äthanol und Biokraftstoffe vor. "Wo", fragt er, "werden die mehr als 500 Millionen Tonnen Mais oder anderes Getreide produziert, die Europa, die USA und die reichen Länder benötigen, um jene Menge an Äthanol herzustellen, die von großen Unternehmen der USA und anderer Länder als Gegenleistung für ihre umfassenden Investitionen gefordert werden - und wer liefert sie? Wo und wer wird Soja herstellen, Sonnenblumenkerne und Raps, deren Öle dieselben reichen Länder in Treibstoff verwandeln wollen?" Die kolossale Verschwendung von Nahrungsstoffen diene nur dazu, den reichen Ländern etwa 15 Prozent des jährlichen Verbrauchs ihrer gefräßigen Autos zu sichern. Man brauche zum Beispiel sehr viel Mais, um daraus eine bestimmte Menge Äthanol zu produzieren. Würden die Flächen in der Dritten Welt dafür genutzt, hätten die Leute bald keinen Mais mehr zum Essen.

Hotelverweis für Ölmanager

Den Autor treibt die Frage um, warum die armen Länder den Wohlstand der reichen bezahlen und für deren Interessen die Zerstörung der Lebenswelt mitmachen sollen. Da ist er nun wirklich der alte Castro und ganz in seinem Element. Ein Weiser, der sich der großen Menschheitsfragen annimmt. Wozu da noch mit fast 81 Jahren in politische Ämter zurückkehren, möchte man fragen.

Die USA gehen offenbar davon aus, dass es ohnehin nicht passieren wird. Sie forcieren den Wirtschaftskrieg und wenden ihre Gesetze gegen Cuba international immer ungenierter an. Seit Jahren schon müssen Produzenten - ob in Europa oder in Asien - bei Waren, die sie in die USA exportieren wollen, nachweisen, dass diese keinen Rohstoff enthalten, der auch aus Cuba kommen könnte; zum Beispiel Nickel. Seit Jahren müssen Schiffe, die cubanische Häfen anlaufen, 180 Tage warten, bevor sie danach in den USA anlegen dürfen. Inzwischen werden die internationalen Auswirkungen immer absurder. 2006 hat ein Hilton-Hotel in Mexiko-Stadt cubanischen Ölmanagern, die sich mit US-Kollegen dort trafen, eine Unterbringung verweigert. Gerade schloss die Bank Barclays in England Auslandskonten zweier cubanischer Firmen. Im Januar wollten 14 Cubaner, die an einer Tourismusmesse in der Nähe von Oslo teilnahmen, im Hotel Scandic Edderkoppen Oslo übernachten. Die Buchung wurde zurückgewiesen - das Hotel gehört zur Hilton-Kette.

Castros Reflexionen darüber in der Granma sind zwar nur ein bescheidener Ersatz der über fast 47 Jahre gepflegten Reden an das Volk. Aber wie jene sollen sie den Landsleuten Stoff zum Nachdenken geben, über die Nachrichten und die Interessen der Nachrichtenmacher hinaus. Damit, nur damit, bereitet er den Wechsel vor. Vielleicht kann er ihn noch einmal verzögern, doch was jetzt nicht ohne die Figur Castro auskommt, hat auch künftig wenig Chancen. Der endgültige Ausstieg - auch wenn der Maximo Líder noch einmal an die Hebel der Macht zurückkehren sollte - ist nicht mehr fern.


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