Batman vs. Superman: Dawn of Justice

Ein Kinoreport. Wie der Filmtitel der neuesten Comicadaption bereits verrät, geht es um nichts geringeres als dem Erwachen der Gerechtigkeit. Zeit für eine kritische Auseinandersetzung.

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Berlin, 00.00 Uhr. Der Kinosaal ist leer. Ich sitze allein und zentral. Derart zentral, dass Mittelpunkt der Leinwand und meine Augen die kürzeste mögliche Gerade bilden, die orthogonal auf die Leinwand auftrifft. Das ist neu, denke ich mir, und esse zu viel Lakritze. Die Kinovorschau ist noch in vollem Gange, da wird mir bereits übel. Macht aber nichts, denn die 3D-Brille katapultiert mich geradewegs ins Universum der Übermenschen. Batman vs. Superman vs. Mich. Für wenige Stunden kann mir das niemand nehmen. Das Spektakel beginnt.

Die Menschheit, sie erbarmt sich vor der Macht Supermans, des Übermenschen. In seinem irdischen Dasein unterliegt er jedoch schnell dem Menschlichen, Allzumenschlichen. Weil er verliebt ist, wird er berechenbar, manipulierbar. Als Konsequenz daraus muss er sich dem demokratischen Diskurs stellen und den Regeln der Diplomatie beugen. Ob Übermensch oder nicht, auf der Erde gelten die gleichen Ordnungen für alle. Ein feiner Kameraschwenk zeigt deshalb, wie er das Holztürchen in den Zeugenstand menschlich durchquert, indem er es händisch öffnet. Wäre ich Superman, ich wäre darüber gesprungen wie ein Hürdenläufer, flink und athletisch. So kann es bei allem Demut gar nicht anders kommen, als das die Diplomatie versagt und Superman in die Unzeit auf Erden hinab gezogen wird, in die Nacht.

Dort wartet bereits ein selbstbestimmter Rächer, dessen träumerische Visionen ihn überhaupt erst erschaffen haben. Die Nacht, der Traum, wenn das tiefe Sein sich aus dem Gedächtnis, aus der subjektiven Erfahrung, heraus bestimmt und in visuelle Erfahrung mündet. Diese Visionen haben Batman zu dem gemacht, der er ist, einem selbstbestimmten Individuum. Dessen kognitive Instabilität dennoch imstande ist, sich den gesamten Weltschmerz aufzubürden. Er weiß wer er ist, er hat den Nihilismus erfolgreich bekämpft und sich aus sich selbst heraus geboren. Seine Werte stehen in Einklang mit seiner Existenz. So mutierte er zum irdischen Übermenschen, der religiöse Weltanschauungen unlängst hinter sich gelassen hat, während Superman von Anfang an fremdbestimmt handelte. Supermans heroische Aufgaben wurden stets von außen an ihn herangetragen. Kein Wunder also, dass erstmal Revierkämpfe anstehen. Doch wer siegt?

Der frühe Tod von Batmans Eltern, deren Wiederkehr in seinen Träumen, hatte er wirklich eine Wahl, ist er wirklich mehr Selfmade-Man als Superman? Oder ist Superman überlegen, er, der auf die Erde geschickt wurde, eigentlich bloß um seine außerirdische Heimat zu bewahren? Heidegger jedenfalls hätte beide als Archetypen des Tyrannen beschrieben. Doch andererseits, wann hatte sich Batman jemals dazu bereit erklärt, an einem demokratischen Diskurs teilzunehmen? Er, der Inbegriff der Eigenjustiz. Der Kampf kennt also keinen gerechten Sieger. Mir wird klar, dass der Titel des Films nicht ganz zutrifft.

Es bleibt also nichts anderes übrig, als den Schmerz der Übermenschen auf einen Nenner zu bringen. Nach einem Schlagabtausch der sich gewaschen hat, realisieren sie ihre Gemeinsamkeit: die Liebe zu ihren (Pflege)Eltern. Peter Sloterdijk würde dies Filiation nennen, die „förmliche Übergabe eines Bestandes an Vermögens- und Statuswerten an gezeugte und adoptierte Nachfolger". Doch was dann? Der Untertitel des Films, „Dawn of Justice“, also eine Synthese von Übermenschen damit die wahrhaftige Gerechtigkeit doch noch auf Erden etabliert werden kann?

Es beginnt der zweite Film im eigentlich einzigen Film. Und der hats in sich. Vor allem für mich. Ausgerüstet mit 3D-Brille und einer regen Fantasie fiebere ich mittlerweile über drei Sitze verteilt der Gerechtigkeitssynthese entgegen und erkenne das von Nietzsche geforderte kindliche Neubeginnen jenseits von Gut und Böse. Nicht auf der Leinwand versteht sich. Vielmehr in der Möglichkeit, mich rechts oben in den hintersten Winkel des Kinosaals setzen zu können. Von dort aus kann ich beobachten, wie der Übermensch Superman zum gefühlten tausendsten Male mit seiner Nemesis ringt: Kryptonit. Und dann, während Scheiben bersten, Explosionen flackern, K.O.-Schläge auf die Übermenschen niederprasseln, taucht plötzlich das Urböse auf.

Dieses Wesen, entstanden aus der blasphemischen Symbiose von Technik und Voodoo, trägt nicht den leisesten Hauch von Vernunft in sich. Im Gegenteil, Doomsday (so heißt das Wesen), absorbiert Atombomben! Ich komme mir derart mickrig vor, dass ich mich ganz links unten im Kinosaal auf einen ausgeleierten Sessel setze. Die Perspektive ist überwältigend. Ich habe das Gefühl, ein 3D-Kryptonit-Eisen-Speer trifft mich zwischen die Augen. Ehrwürdig wälze ich mich zu Füßen der Übermenschen, blicke auf zu ihnen, und erkenne im Olymp jene apokalyptischen Blitze, die auf mich herabzuregnen vorherbestimmt sind. Ich habe meinen Platz gefunden. Dort, im Kinosaal, als letzter Mensch, bin ich dazu verdammt meiner Ohnmacht gewahr zu werden. Todernst treten sich die Übermenschen in der Mutter aller Schlachten gegenüber. Götter des Gemetzels ringen um die „Sinnautarkie des Daseins“. Alsdann, während des Abspanns, mir klar wird, dass ich vergeblich auf eine eingebende Gerechtigkeitsbotschaft der Übermenschen gewartet habe. Stattdessen war ich während dieser 150 Überminuten doch der einzige, der zu lachen imstande gewesen ist. War das gerecht?

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Geschrieben von

Paul Felx

Interessen: Kino/TV, BigData, Gesellschaft.

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