Die Europäische Vollunion

Gesellschaftsdebatten „Nationale Egotrips statt Flüchtlingshilfe: Zerbricht die EU?“ - Debattenkultur im Mehrebenensystem. Eine Glosse.

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Der Wille zum Wissen treibt die Zuschauer in die Fänge des Fernsehens. Ein stetiges „sich bestätigt“ wissen der Damen und Herren vor allem dann, wenn es um brisante Politik geht. Ein Glück, dass in der europäischen Volldemokratie sui generis das Argument derart hoch geschätzt wird, dass manch erfahrener Journalist sich mehr „Sensibilität in der Sprache“ wünscht. Also mit „bestem Wissen und Gewissen“ doch bitte abstrakt bleiben. Immerhin wollen im romantischen Dichter und Denker-Land rhetorischer Schöngeister „die meisten Deutschen“ nicht, dass „sich ihr Land verändert“. Da zwinkert die Moderatorin einem schon mal zu, wenn man angesichts der verwirrenden rechts-links-rechts-links Doppelhelix „zusammen zuckt“. Umso überraschender, das politische Schwergewichte nicht ganz so „behutsam“ mit der Sprachwahl sind. Das Menschen nach Europa strömten, „die nicht unmittelbar verwertbar“ seien, klingt jedenfalls nach genomischem Tunnelblick; oder nach fleischgewordenen Alpträumen neosklavenhaltender Großgrundbesitzer. Ach ja, die Sprache. Dabei schilderte die Vizepräsidentin des Bundestags lediglich potentielle Inklusionsabsichten einer europäischen (Ver)Werte-gemeinschaft. Darum gings ja schließlich den „Menschen bei Maischberger“: rhetorisches Wettrüsten aus altbekannten Zeiten zur Sicherung von Wachstum und Wohlstand. Und das eine Vollunion unterschiedliche Strategien wahrt, nützt im Mehrebenenspiel bekanntlich jenen, die der Sprache besonders mächtig sind. Erstaunlich was damit gemacht werden kann: ein osteuropäischer „Block“ mitsamt antieuropäischer (Ver)wertung. Erklärung naht; in Krisenzeiten wird aus zielorientierter schon mal zeitorientierte Politik. Woran liegts also? - Genau, am Urlaub! Der „Block“ fährt eben lieber nach „Bulgarien“ anstatt die volleuropäischen Vorteile einer zeitlosen Personenfreizügigkeit zu nutzen. Im Klartext: schickt die Osteuropäer in den griechischen Urlaub! „Nationale Egotrips“! Wären da nicht die Sprachbarrieren. Und was heißt das jetzt auf Deutsch? Das Schutz vor der Sprache wichtiger ist als Schutz vor dem Tod? Glücklich wer das (nicht) versteht.

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Geschrieben von

Paul Felx

Interessen: Kino/TV, BigData, Gesellschaft.

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