Antiimperiale Solidarität verbinden!

Soziale Bewegung In Ukraine und Griechenland erleben in unserer unmittelbaren Nähe die zwei hässlichen Gesichter des Imperiums in Europa.

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In Ukraine und Griechenland erleben in unserer unmittelbaren Nähe die zwei hässlichen Gesichter des Imperiums in Europa. In Ukraine werden wie im Nahen Osten angeblich „unsere Werte gegen die Despotie in Russland“ verteidigt, in Griechenland unsere „Spareinlagen gegen die unzuverlässigen Griechen“. Es sind aber die Interessen der westlichen Eliten, die mit brutalen Mitteln, mal mit Putsch und Eskalation eines Bürgerkriegs, und mal mit der Erpressung durch Verschuldung auf Kosten unzähligen Menschenleben durchgesetzt werden.


Ukraine: Durch Chaos an die Ressourcen.
In der Ukraine wurde ein extrem nationalistischer prowestlicher Block durch die massive Unterstützung der NATO-Staaten an die Macht gebracht, die das Land in einen desaströsen Bürgerkrieg gestürzt hat. Der Westen versucht eine Region aus der Einflusssphäre von Russland gewaltsam raus zu brechen, um einerseits an die Ressourcen dieser Region zu gelangen und andererseits Russland zu schwächen. Die „Kornkammer“ Ukraine soll unter dem Griff der westlichen Großkonzerne gebracht werden, um mehr Boden für die Zukunftsressource Nahrung zu sichern (http://linksfraktion.de/im-wo…/agrarkonzerne-kaufen-ukraine/). Es geht aber auch um die militärische Einkreisung und Destabilisierung der neuen erstarkenden Konkurrenten im Russland und China auf dem eurasischen Brett der Geopolitik.
In diesem imperialen Spiel werden Bündnisse mit offen faschistischen Kräften eingegangen, und tausende Menschenleben in Ukraine geopfert. Der Konflikt mit Russland stellt die neue Sicherheitsordnung nach dem kalten Krieg in Frage und birgt große Gefahren einer Eskalationsdynamik zwischen den Atommächten. Der neue Ostkonflikt ist ein Ende der weltpolitischen Architektur nach dem Kalten Krieg und das Ende der Illusion einer friedlichen Globalisierung. Wo Atommächte aufeinander prallen, haben wir es mit nichts geringerem als ein Risiko für die menschliche Zivilisation zu tun.
Angesicht der westlichen Unterstützung für die unglaublichen Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine blieb der politische Aufschrei hierzulande zunächst bescheiden. Das von der veröffentlichten Meinung produziertes Feindbild Russland verunsicherte die öffentliche Meinung. Doch das gesellschaftliche Unbehagen wurde immer stärker und auch innerhalb der Eliten gab einen deutlichen Riss, wo viele Teile der etablierten Politik, insbesondere die früheren Architekten der Sicherheitsstruktur aus der Zeit nach 1989 öffentlich kritische Positionen vertraten. Trotz und gerade wegen der einseitigen Berichterstattung in den etablierten Medien stieg die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Im Jahre 2014 erlebten wir einen „Aufstand des Publikums“ (Van Rossum) hinsichtlich der medialen Berichterstattung und ein tiefer nachhaltiger Vertrauensverlust von Teilen der Bevölkerung in der etablierten Öffentlichkeit.
Doch in der etablierten Politik fand sich diese neue Unzufriedenheit kaum wieder. Im Bundestag ist die einstige Friedenspartei Bündnis 90/Die Grünen zur Speerspitze des neuen Menschenrechtsimperialismus mutiert. Die Partei Die Linke blieb die einzige Kraft, die gegen die Russlandpolitik der Regierung Stellung bezog, und wurde wie immer systematisch von der etablierten Öffentlichkeit ignoriert, während starke Teile ihres bürokratischen Apparats wie schon bei den Grünen die friedenspolitische Linie der Partei immer wieder und systematisch schwächen.
Die in den 80er- und 90er-Jahren starke Friedensbewegung in Deutschland befand sie in einem Tiefenschlaf und konnte zunächst außer einigen kritischen Analysen nicht viel zur Veränderung der Kräfteverhältnisse beitragen.
In dieser Konstellation kam es zu nach genau 10 Jahren bei den Anti-Harzt4-Protesten wieder zu einer spontanen Bewegung, wo sich Montags bundesweit Menschen auf den Mahnwachen für den Frieden versammelt und organisierten.
Die spontane neue Friedensbewegung der Mahnwachen geriet von Beginn an aufgrund ihre partiellen Rechtsoffenheit und der extrem feindlichen Presse unter massiven Legitimitätsdruck. Sie schaffte es zwar bis zu 10.000 Menschen auf die Straße zu bringen und zehntausende im Netz zu politisieren und zu vernetzen, verlor aber vor allem durch die massive Verleumdung im Herbst ihre Dynamik. Mühsam entstand eine neue Koalition der Friedensbewegung aus den aktiven Reihen der Mahnwachen und der klassischen Friedensbewegung, die im Projekt „Friedenswinter“ mündete, die zum Jahresabschluss wieder einige Tausend Menschen mobilisieren konnte.
Angesicht der dramatischen Militarisierung der Außenpolitik und Aufrüstung in Europa ist eine starke Friedensbewegung von dringender Notwendigkeit.


Griechenland: Plünderung durch Verschuldung.
Ukraine steht für die militärische imperiale Ausdehnung und Ausbeutung, Griechenland für die wirtschaftliche Auspressung. Hier erleben wir, zugespitzt für ganz Südeuropa, wie durch die Kreditabhängigkeit das Soziale einer Gesellschaft bis zum Rande der Zerstörung gebracht wird, während das Land von den Kreditgebern durch Privatisierung und Kontrollentzug Stück für Stück enteignet wurde. Im Süden Europas verloren unzählige ihre Existenzen, einschließlich tausende Todesopfer in Griechenland wegen fehlender Gesundheitsversorgung.
Auch bei diesem Konflikt verschwand die Differenzierung in der etablierten Öffentlichkeit. Wieder stand im Bundestag ein großer Block (außer der ignorierten Linkspartei) und der großer Mainstream der Medien Hinter der Austeritätspolitik in Südeuropa. Es gelang sogar weite Teile der Bevölkerung für die Austeritätspolitik zu gewinnen, weil diese unter dem Schein der Solidarität und Hilfe dargestellt wurde, und die Kredithaftung auf die Einzelnen und seiner Steuerlast und Sparvorhaben projeziert wurde. Die unzuverlässigen Griechen, die über ihre Verhältnisse leben und von einer korrupten Regierung beherrscht werden, so hier die Feindbildkonstruktion. Auch hier blieb der Aufschrei angesichts der speziell brutalen Rolle der deutschen Regierung gegenüber Griechenland bescheiden. Die Hetze der Mainstream Presse gegen die Griechen und ihre neuen Regierung trägt Früchte in den Köpfen der Bevölkerung. Die kapitalismuskritischen Initiativen waren bisher nicht imstande, die Solidarität mit Griechenland in der Öffentlichkeit und breiteren Kreisen sichtbar zu machen.
Doch mit dem Erfolg des linken Blocks in Griechenland bei den Wahlen bröckelt hier das Bild. Es wird deutlich, dass es genau die korrupten Eliten Griechenlands waren, die als Statthalter einer von Troika und Bundesregierung agierten, und die ganzen Kredite nicht als Hilfe sondern als Mittel der weiteren Enteignung Griechenlands eingesetzt wurden.
Die Griechen werden alleine nicht die Macht der von Deutschland dominierten EU-Eliten brechen können. Sie brauchen eine politische Welle, die in Spanien und Irland weiter zu gehen hat. Aber auch hier im Herz des europäischen Krisenregimes gilt es Solidarität mit der Bevölkerung Südeuropas zu organisieren.


Podemos-Syriza oder Pegida-Front National?
Wie immer in Zeiten der Krise erfährt Europa eine politische Polarisierung. Während im Norden ein neuer islamfeindlicher Rassismus breite Schichten der Bevölkerung erfasst und diese an ultra-nationalistischen oder rechtsradikalen Projekten bindet, formiert sich im Süden eine neue Protestwelle, die dabei ist Regierungen zu stürzen und das Diktat der EU-Eliten herauszufordern.
Der neue islamfeindliche Rassismus ist die Wendung des imperialen Projekts nach Innen. Es wird die Überlegenheit einer christlich-jüdischen Wertegemeinschaft konstruiert, wodurch die kriminelle Ausbeutung anderer Teile der Welt unter dem Vorwand der Abwehr vor den anderen „barbarischen“ Kulturen legitimiert wird. Gleichzeitig werden Teile der Bevölkerung an die Eliten gebunden, weil man angeblich zu derselben höheren Kulturgemeinschaft gehört. In Zeiten wo das kriminelle Regime der Eliten immer offensichtlicher wird und für die Bevölkerung immer weniger anzubieten hat, wird die Menge der Leute so gespalten, fragmentiert und beherrschbar gemacht.
Da wo es nicht gelingt Alternativen zu entwickeln, da wo die etablierte Opposition die Hoffnungen enttäuscht, verbreitet sich der neue imperiale politische Kultur auch innerhalb der unteren Schichten. Frankreich ist hierfür ein Schreckensbeispiel. Hier präsentiert sich der islamfeindliche und aggressiv nationalistische Front National als eine scheinbar soziale Opposition, die auch versucht die Friedensfrage von rechts zu okkupieren. Dabei werden diese rechten und nationalistischen politische Formationen an der Macht den aggressiven Militarismus erst recht entfachen und eine noch stärkere imperiale Ausdehnung Europas zu Folge haben.
Doch im Süden entsteht die Hoffnung: Der Aufstand der Würde hat aus Lateinamerika nun auch den Süden Europas erreicht. Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien wachsen zu einem neuen Block, der das Potential hat, die imperiale politische Ordnung in Europa heftig durcheinander zu bringen.
Um an diese Welle anzuschließen gilt es die antiimperiale Solidarität zu verbinden. Viele kapitalismuskritische Gruppen agieren noch nicht an dem neuen Ostkonflikt, Teile der friedenspolitisch motivierten Bevölkerung sind von der imperialen Hetze gegen Griechenland geblendet. Die aktivistische Kreise der neuen Friedensbewegung und die der kapitalismuskritischen Krisenpolitik sind noch voneinander getrennt. In der Zusammenführung dieser beiden Fragen gilt es ein antiimperiales, global humanistisches Projekt zu begründen, das anschließt an der neuen Welle aus dem Süden.
Zwei Ereignisse bieten die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens und der Vernetzung. Am 18.3. wird bei der Eröffnung der neuen Tower der EZB das Bündnis Blockupy auf die Straße gehen, um unser Nein gegen die EU-Krisenpolitik zum Ausdruck zu bringen. Die neue Friedensbewegung sollte sich an diesen Protesten beteiligen und diese verstärken. Dieselbe kapitalistisch-imperiale ausbeuterische Logik, mit der die westlichen Eliten Ukraine in Bürgerkrieg gestürzt haben, liegt hinter der Ausplünderung Griechenlands.
Am 10. Mai, anlässlich des 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus plant die Friedensbewegung große Kundgebungen. Hier sind die kapitalismuskritischen Bewegungen gefragt, sich zu beteiligen, um die Friedensbewegung zu stärken, und die Stimme für alternativen zur bestehenden kapitalistischen Ordnung stark zu machen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Pedram Shahyar

Blog aus den Metropolen des globalen Aufstandes

Pedram Shahyar

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