Tahrir - der Backlash marschiert!

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Zehntausende Anhänger der islamistischen Bewegungen in Ägypten demonstrieren an diesem Freitag auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Zum ersten Mal bestimmen religiösen Parolen den Platz: „Islam, Islam“, „Es gibt keinen Gott außer Allah“, und „Islamischer Ägypten“. Es bleibt eines der magischen Rätsel der ägyptischen Revolution, wie in ein so stark von der Religion geprägtes Land die Bewegung am Tahrir bis zum heutigen Tage so säkular gewesen war. Am Freitag den 29. Juli ist dieser Zauber verflogen, im Downtown von Kairo dominiert Heute der religiöse konservative Backlash.

Dabei waren die progressiven Kräfte seit der erfolgreichen Mobilisierung am 27. Mai unter dem Motto der „2. Revolution“ wieder in der Offensive. Das Hinauszögern der Verfolgung der Verantwortlichen der Morde während der Aufstandstage hatte die Gemüter erzürnt. Familien der Gefallenen hatten den Tahrir wieder besetzt, es gab Ausschreitungen auf dem Platz, wo Aktivisten gegen die Sicherheitskräfte vorgingen. Der öffentliche Druck auf die von der Armee geführten Regierung nahm mehr und mehr zu. Am letzten Samstag demonstrierten 5000 Menschen zum Verteidigungsministerium, um ihre Unzufriedenheit mit der Armee auszudrücken. Diese Demonstration, zu dem die Organisationen der revolutionären Jugend aufgerufen hatten, wurde von einem Mob attackiert und hunderte dabei verletzt. Daraufhin verschärften die Generäle ihren Ton gegen die revolutionären Kräfte. Unter anderem wurde die Organisation „6. April“, die bekannteste der revolutionären Gruppen, als Verräter bezeichnet, die von Ausland finanziert werden, um das Volk gegen die Armee aufzuwiegeln.

In dieser angespannten Situation riefen nun die islamistischen Gruppen, allen voran die radikal-fundamentalistischen Salafisten zu einer Demonstration in Unterstützung der Armee auf. Seit Längerem paktieren trotz punktuellen Mobilisierungen die islamistischen Bewegungen mit der Armee und stellen zusammen den konservativen Block in Ägypten dar. Sie werden von einer Stimmung in der Bevölkerung getragen, die aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage, das Ausbleiben von Touristen und vakante Sicherheitslage sich nach Normalität sehnt. Der konservative Block beschwört die Einheit des Landes und die anstehende Aufgabe, „Das neue Ägypten aufzubauen“. Dabei stört aber die revolutionäre Dynamik, die sich als Chaos und Spaltung des Landes denunzieren.

Für diesen Freitag hatte es dann aber doch wieder viele Verhandlungen zwischen allen Parteien gegeben, um einen gemeinsamen Aufruf zu erzielen. Man einigte sich darauf, nur die Forderungen in den Vordergrund zu stellen, die alle teilen, das Motto sollte „Freitag für die Einheit und die Wille des Volkes“ sein. Faktisch übernahmen nun aber die fundamentalistischen Gruppen den Tahrir. Alle Eingänge zum Platz wurden von ihren Leuten kontrolliert, Gruppen die Sekuläre Parolen riefen, wurden von islamistischen Mobs gestört. Die Tageszeitung „Al Masry al Youm“ meldete, dass um 15 Uhr 28 säkularen Parteien und Gruppen gemeinsam den Platz verließen, um gegen die islamistischen Übernahme von Tahrir zu protestieren. Zum ersten Mal trennen sich auf der Straße die säkularen und die islamistischen Kräfte, wobei die letzteren an diesem Tag die Gewinner sind und die Kräfteverhältnisse zu Gunsten der Armee und des konservativen Blocks verschieben werden.

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Geschrieben von

Pedram Shahyar

Blog aus den Metropolen des globalen Aufstandes

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