Bauer Willi: „Klima, Tierwohl, Bio? Geht alles. Kostet aber richtig Geld“
Interview Willi Kremer-Schillings ist Landwirt, bloggt als „Bauer Willi“ und ärgert sich über den Veränderungsdruck auf die Landwirtschaft – ohne dass die Regierung in Berlin die Transformation bezahlen will
Bauer Willi im Gespräch: „Ihr sagt Pestizide – wir nennen es Pflanzen-Schutzmittel.“
Foto: Albrecht Fuchs für der Freitag
Die Landwirtschaft macht gerade eine große Transformation durch, sie soll klimaneutral und pestizidfrei werden und zugleich gesunde Lebensmittel für alle liefern. Willi Kremer-Schillings ist Landwirt, aber sich transformieren lassen, das will er nicht. Als „Bauer Willi“ bloggt er gegen die vorherrschende Agrarpolitik und manche Wunschvorstellung aus Berlin.
der Freitag: Herr Kremer-Schillings, oder sollte ich sagen: Lieber Bauer Willi, ich wohne in Berlin, esse fast kein Fleisch und unterschreibe jede Petition gegen Glyphosat, die man mir vor die Nase hält. Sie schreiben in Ihrem Buch: Leute wie ich und Sie, der Bauer in der Nähe von Köln, wir hätten uns auseinandergelebt. Was meinen Sie damit?
Willi Kremer-Schillings: Dass wir als Landwirte eigentli
i Kremer-Schillings: Dass wir als Landwirte eigentlich nicht mehr wissen, was wir machen sollen. Wenn ich die Zeitung aufschlage, dann lese ich, wir Landwirte müssen mehr Klimaschutz machen, wir müssen mehr Tierwohl machen, wir sollen auf gar keinen Fall Pestizide – wir sagen dazu Pflanzenschutzmittel – spritzen. Die Sache ist die: Ja, das können wir. Aber ihr da, damit meine ich Leute in Berlin wie Sie, ihr solltet euch mal Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen all das hat, was ihr von uns fordert. Denn es hat Konsequenzen, und die sehen oft anders aus, als ihr euch das vorstellt.Zum Beispiel?Nehmen wir Glyphosat. Ich spritze das selten, aber ab und zu spritze ich es doch. Warum? Weil wir bei uns im Betrieb seit 15 Jahren überhaupt nicht mehr pflügen. Bei keiner Kultur, nicht einmal bei Kartoffeln. Nicht zu pflügen ist wunderbar für das Bodenleben, weil es kaum noch gestört wird, es verhindert Erosion, es ist gut für den Klimaschutz, weil ich die Emissionen, die beim Pflügen durch den Dieselverbrauch entstehen, einspare. Wenn man aber nicht pflügt, braucht man ein Pestizid, Herbizid um nach der Rapsernte den wieder aufgelaufenen Raps mit einer Flächenspritzung zu entfernen; das ist notwendig, um danach Weizen säen zu können.Gibt es denn keine Alternativen zum Glyphosat?Doch, wenn ich auf das Glyphosat verzichten muss, dann bedeutet das automatisch, dass ich entweder ein noch toxischeres Pflanzenschutzmittel verwenden muss, oder aber ich muss eine andere Bodenbearbeitung machen, vor allem eine häufigere Bodenbearbeitung, die dazu führt, dass mehr CO2 freigesetzt wird. Davon handelt ja im Kern mein Buch: Wir Bauern können alles, wir können Klimaschutz, wir können Artenschutz, wir können Bio, auch 100 Prozent Bio, nur hat das alles seine Konsequenzen.Von welchen Konsequenzen sprechen wir da?Nehmen wir mal die Farm–to–Fork-Strategie der EU: Die wünscht sich eine 50-prozentige Reduktion der Pflanzenschutzmittel. Ja, das ist machbar. Aber es bedeutet zwangsläufig, dass die Erträge auf unseren Feldern zurückgehen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Dasselbe gilt für das Ziel, in Deutschland 30 Prozent Bio-Landwirtschaft zu haben. Können wir machen, aber auch das bedeutet, dass die Erträge zurückgehen. Dann die Stilllegung von 10 Prozent der Flächen für den Artenschutz und das Klima: Auch da gehen wieder Erträge verloren. Dabei sind wir schon heute in Deutschland keine Selbstversorger mehr, wir decken unsern Lebensmittelbedarf nur mehr zu 85 Prozent. Beim Obst ist es noch viel weniger, da liegen wir zwischen 30 und 50 Prozent. Wenn wir also unsere Anbauflächen verkleinern und die Erträge zurückfahren, weil wir ohne Dünger und ohne Pflanzenschutzmittel arbeiten sollen, dann bedeutet das zwangsläufig, dass wir mehr aus dem Ausland importieren müssen. Also nicht nur aus Europa, sondern aus Regionen, in denen die Erträge wesentlich geringer sind als bei uns. Dort müssen also neue Flächen in Bewirtschaftung genommen werden. Am Ende kann es dann passieren, dass irgendwo auf der Welt Regenwald gerodet wird, weil wir hier unsere Landwirtschaft nach den Wunschvorstellungen aus Berlin umbauen.Als Bewohner meiner Berliner Blase würde ich jetzt sagen: Wir müssen doch sowieso unseren Fleischkonsum reduzieren, wir essen in Zukunft alle weniger Fleisch, also wird nicht mehr so viel Getreide und andere Pflanzen an Tiere verfüttert. Damit sparen wir Anbauflächen, wir vermeiden Emissionen, weil die Tiere ja auch Emissionen verursachen. Also belasten wir das Klima weniger, wir belasten die Artenvielfalt weniger und wir belasten das Grundwasser weniger, weil die vielen Kühe auch zur Nitratbelastung führen.So einfach ist das leider nicht. Wenn wir weniger Tiere haben, fehlt uns der Dünger im Pflanzenanbau, den wir auch in der Landwirtschaft brauchen; also brauchen wir mehr Kunstdünger. Zweitens: Wir haben in der Landwirtschaft eine Fruchtfolge, das ist bekannt, oder? Da kann ich Winterweizen anbauen, für die menschliche Ernährung. Dann baue ich Wintergerste an, die ist für die menschliche Ernährung nicht geeignet, sondern ein reines Futtergetreide. Ich brauche sie aber in der Fruchtfolge. Also wohin damit? Nächstes Problem: Ich würde ja gerne Backweizen herstellen, also einen Weizen, aus dem man Brot backen kann. Der muss aber einen bestimmten Proteingehalt erreichen; den erreiche ich aber nur, wenn ich dafür auch genügend Stickstoffdünger verwenden kann. Das verbietet mir aber die Düngeverordnung, wegen der angeblichen Nitratbelastung. Und so geht es einfach immer weiter. Aber noch mal zurück zum Fleischkonsum: Ja, wir wollen und sollen alle weniger Fleisch essen. Aber wir tun es nicht!Woran machen Sie das fest?Ich sah das neulich, im Fernsehen: Wir erzählen uns, wir würden 70 Prozent weniger Fleisch essen als wir es tatsächlich tun. Wir belügen uns also selbst! Das ist ja nicht das einzige Thema, bei dem das so ist: Es liest keiner die Bild-Zeitung, es kauft keiner bei Kik und trotzdem existieren die einfach immer weiter. Außerdem ist es ja so: 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit ist Grünland. Das kann man gar nicht anders nutzen, als über die Tiere. Wir können kein Gras verdauen, das kann nur die Kuh.Aber dass die Landwirtschaft sich in einer Transformation befindet und sich grundlegend verändern muss, werden Sie doch nicht leugnen?Ich transformiere unseren Betrieb ständig. Seit 40 Jahren. Was ich nicht gerne möchte: transformiert werden. Und vielen, die von Transformation reden, geht es am Ende einfach am Arsch vorbei, wie sich das auf die Landwirte auswirkt. Mit der neuen Bundesregierung ist das noch viel schlimmer geworden, weil da noch mehr Leute sind, die Dinge beschließen ohne eine Folgenabschätzung.Das Ziel, 30 Prozent der Landwirtschaft auf Bio umzustellen, finden Sie bestimmt auch nicht so gut, oder?Die Frage ist doch: Wie will man mich als Landwirt dazu bringen, auf Bio umzusteigen? Unser Sohn hat vor zwei Jahren seine Masterarbeit geschrieben über die Umstellung unseres Betriebes von konventionell auf Bio. Er würde den Betrieb nämlich gerne umstellen, wenn er ihn übernimmt. Da hat er sehr genau gerechnet und ist zum Ergebnis gekommen, dass das vom Einkommen her keinen Unterschied macht. Er würde genau so viel verdienen wie derzeit als konventioneller Betrieb. Der Riesenunterschied ist aber: Im Augenblick kommt der Gewinn des Betriebes zu 50 Prozent aus staatlichen Transferleistungen, also Subventionen. Wenn er auf Bio umstellen würde, würden 100 Prozent des Gewinns aus staatlichen Transferleistungen kommen. Ich würde sagen: Das ist ziemlich riskant. Davon abgesehen, dass der Absatz der Bio-Landwirtschaft gerade zurückgeht, von daher ist die Diskussion im Augenblick sowieso tot.Der Absatz von Biolebensmitteln ist zurückgegangen, weil die Leute sie sich wegen der hohen Inflation nicht mehr leisten können.Ja, wie war das noch mal mit dem Fressen und der Moral? Auch wenn die Preise von Bio gar nicht so stark gestiegen sind wie die in der konventionellen Landwirtschaft, die Preise von Bio und konventionell gleichen sich also immer mehr an. Trotzdem: Ich wollte von den Berlinern, sprich: dem Landwirtschaftsministerium, eine Antwort bekommen, wie die das hinkriegen wollen, den Markt für 30 Prozent Bio zu schaffen. Ich kriege aber von niemandem eine Antwort.Der springende Punkt bei der ganzen Diskussion ist doch der: In Bezug auf die Landwirtschaft – ähnlich wie beim Verkehr oder anderen Bereichen – werden langsam die externen Kosten, also die Kosten, die bis jetzt externalisiert werden, dem Bereich selber aufgebürdet: die Emissionen, die Nitratbelastung, das Tierwohl, der Insektenschwund. Die Frage ist dann nur: Wer trägt diese Kosten? Wenn man die umlegt, dann würde sich Bio doch wieder rechnen.Ja, macht doch!Das Problem ist nur: Wenn man sie auf den Verbraucher überwälzt, dann könnte sein, dass der sagt, Nee, das ist mir zu teuer. Oder: Das kann ich mir nicht leisten, da muss ich auf billigere Importe umsteigen.Macht doch! Nur kriegt ihr damit die Landwirtschaft hier am Ende weg. Ich halte übrigens auch nichts von dem Vorschlag von Cem Özdemir, die Mehrwertsteuer auf Gemüse und Obst abzuschaffen. Da lachen sich doch die Leute bei REWE tot, wenn das kommt: Die kassieren das einfach als Marge und gut ist. Diese steuerlichen Geschichten ändern an den Ernährungsgewohnheiten nichts, das hat keinerlei Steuerungsfunktion.Ja, so war das teilweise beim Tankrabatt, aber das lag doch daran, dass es im Treibstoffmarkt wenig Wettbewerb gibt. REWE ist aber doch kein Monopolist.Nein, es ist kein Monopol, es ist ein Oligopol aus Rewe, Edeka, Aldi und Lidl. Wie kommt das, dass wenn Aldi beim Zucker von 1, 29 auf 1,39 Euro geht, der dann am nächsten Tag bei allen 1,39 kostet? Das ist genauso wie bei den Tankstellen. Also bitte.Wenn das so wäre, dann wären die Lebensmittel in Deutschland nicht so billig im Vergleich zu anderen Ländern, oder?Die drücken den Preis bei den Erzeugern, bis das Blut spritzt, weil der Deutsche nur und ausschließlich nach Preis kauft. Womit wir wieder bei der Krux wären: Der Bürger will alles, aber der Konsument will es nicht bezahlen.Sie und andere haben 2019 protestiert und Ihrem Ärger Luft gemacht über das damalige Agrarpaket. Daraufhin gab es 2020 die Zukunftskommission Landwirtschaft und die Borchert-Kommission, die grundlegende Reformvorschläge für die Umgestaltung der Tier- und Landwirtschaft vorgelegt haben, die breite Unterstützung hatten. Was ist aus dem Aufbruch geworden? Warum werden die Ergebnisse das nicht umgesetzt? Ich bin kein Tierhalter, aber ich kenne Leute, die Tiere halten, die meisten sagen: Wenn das so läuft wie bei der Borchert-Kommission, können wir damit sehr gut leben. Das ist ein realistischer Ansatz für den Umbau der Tierhaltung in Deutschland. Nun wollte Cem Özdemir die Borchert-Kommission wieder einberufen, aber Herr Borchert meinte: Gerne, nur liegt alles, was man wissen muss, doch schon auf dem Tisch. Es fehlt allein an der Finanzierung. Man wolle sich also erst wieder mit ihm treffen, sobald die Finanzierung steht. Daraufhin war Funkstille. So ähnlich erging es der Zukunftskommission Landwirtschaft: Auch die fand Özdemir toll und auch die wollte Özdemir wiederbeleben: Also hat man sich getroffen, aber rausgekommen ist nichts. Denn die Kalkulation ist ja so: Setzt man um, was die Borchert-Kommission empfiehlt, dann kostet das pro Jahr rund 5 Milliarden Euro. Die Empfehlungen der Zukunftskommission kosten noch mal rund 6 Milliarden pro Jahr. Özdemir hat vielleicht 250 Millionen pro Jahr zu Verfügung, da klafft also eine kleine Lücke von mehr als 10 Milliarden. Der Herr Özdemir versteht es in Sprechblasen immer wieder zu betonen, wie toll er die Zukunftskommission findet und die Borchert Kommission. Aber das war's, es hat keine Konsequenzen, es wird politisch nicht umgesetzt. Und damit kann man all die Vorschläge, die da von allen zusammen geschrieben wurden, direkt in die Tonne kloppen.Dazu muss man allerdings sagen: Özdemir würde schon wollen, aber Christian Lindner will ihn nicht lassen. So war das ja auch bei der Einführung des Tierwohllabels.Wie auch immer, die Schimpferei gegen die Landwirte geht trotzdem weiter. Das ist doch das Dilemma: Wir müssen uns anhören, was wir alles zu tun haben, als öffentliche Leistung, man will uns aber keine öffentlichen Gelder dafür geben.Das Gespräch führte Pepe EggerPlaceholder authorbio-1
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