Der Heilige Elon von Giga

Tesla Elon Musk sagt, er werde eine Riesenfabrik in Brandenburg bauen. Alles jubelt, aber warum? Dass der Mann ein Windbeutel ist, hat er schon oft bewiesen
Ausgabe 47/2019

Eigentlich war es doch mal eine gute Nachricht: Tesla, Marktführer in der Produktion von Elektroautos, hat für seine allererste „Gigafabrik“ für E-Autos und Batterien auf europäischem Boden Deutschland als Standort gewählt: Grünheide in Brandenburg bei Berlin. Bis zu 10.000 Arbeitsplätze sollen hier entstehen, bis zu vier Milliarden Euro will Tesla investieren und bis zu 150.000 Elektroautos pro Jahr bauen, angefangen mit dem SUV-Modell Y.

CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier feierte die Ankündigung als „Beweis für die Attraktivität des Automobilstandortes Deutschland“ und „Meilenstein“. Ungleich schlauer begrüßte der IG-Metall-Bezirksleiter für Berlin und Brandenburg, Oliver Höbel, das Projekt: Die „technologische Innovationskraft von Tesla“ werde in Berlin „Hand in Hand gehen mit der sozialen Innovationskraft von Tarifverträgen und Mitbestimmung als Grundlage für erfolgreiche, nachhaltige Produkte“. Das ist doch mal eine wahrhaft schöne Aussicht: Tesla-Gründer Elon Musk möge in Berlin die disruptive Kraft eines Betriebsrates kennenlernen.

Bisher nämlich hält Musk von Gewerkschaften herzlich wenig: Er wendet nicht wenig seiner Innovationskraft dafür auf, sie und ihr Hinwirken auf Mitbestimmung und Arbeitsschutz in seinen „Gigafabriken“ zu sabotieren und zu verhindern. Apropos „Gigafabrik“: Der Financial Times verdanken wir den Hinweis, eine Gigafabrik sei in jeder Hinsicht dasselbe wie eine normale Fabrik, bis auf den Umstand, dass sie mit der Anwesenheit des Heiligen Elon gesegnet sei.

Bei aller Freude darüber, dass hier jemand ankündigt, mehrere Tausend Industriearbeitsplätze in Brandenburg schaffen zu wollen, sollte man zweierlei nicht außer Acht lassen. Erstens: Elon Musk ist einer der windigsten Windbeutel, welche die auch sonst an Luftnummern reiche Start-up-Szene kennt. Auf jeden seiner Erfolge kommt ein ebenso großer Reinfall. Ein Beispiel: Im August 2018 kündigte Musk an, er werde Teslas Aktien rückkaufen und das Unternehmen damit von der Börse nehmen, das Kapital dafür habe er schon klargemacht. Das Ergebnis: Teslas Aktienkurs schoss in die Höhe. Dann gab Musk zu, dass nichts an seiner Ankündigung der Wahrheit entsprach. Schließlich ermittelte die US-Börsenaufsicht wegen Finanzmarktmanipulation; Musk schloss einen Vergleich, der darin bestand, dass er und Tesla 40 Millionen US-Dollar Strafe zahlten.

Die Liste der Ankündigungen Musks, die sich hinterher als völliger Humbug erwiesen haben, lässt sich fortsetzen: Sie reicht von der Ansage im Jahr 2012, dass Tesla von nun kein Fremdkapital mehr brauche – seitdem hat Tesla mehr als acht Milliarden Dollar eingesammelt –, bis zur Prognose Anfang 2019, dass Tesla von nun an in jedem Quartal Profite abwerfen werde – Teslas Verlust im ersten Quartal betrug 700 Millionen, im zweiten 400 Millionen US-Dollar, nur im dritten gab es einen Profit von 143 Millionen.

Mutlose Industriepolitik

Der zweite und wichtigere Grund dafür, der Ankunft des Heiligen Elon skeptisch gegenüberzustehen, ist der, dass die Freude darüber bloß ein Symptom dafür ist, wie unzeitgemäß die deutsche Autoindustrie heute dasteht. Und wie kraft- und mutlos die deutsche Industriepolitik. Denn dass die Entwicklung der E-Mobilität ein Anliegen nicht nur der Autoindustrie, sondern auch jeder deutschen Regierungspolitik sein sollte, das liegt auf der Hand, wenn jeder siebte Arbeitsplatz hierzulande direkt oder indirekt mit Automobilität zusammenhängt.

Aber was folgt daraus? Sehr wenig. Man baut darauf, dass sich eine derart grundlegende Transformation der deutschen Wirtschaft irgendwie von selbst ergeben wird. Der Markt wird es schon lösen, oder? Sieht aber nicht danach aus, das hat inzwischen sogar Wirtschaftsminister Peter Altmaier eingesehen. Doch selbst sein mickriger Vorstoß, ein hiesiges Batteriekonsortium mit einer Milliarde Euro zu unterstützen – also ein Viertel des Geldes, das Musk verspricht –, trifft auf all die Pawlow’schen Reflexe, die schuld am industriepolitischen Stillstand sind: Zu national, zu viel Staat, heißt es da, in Deutschland sei dafür überhaupt der Strom zu teuer, schreibt die Zeit. Inzwischen liegen die Pläne bei der EU-Kommission, die erst mal überlegen muss, ob derartige Staatshilfen nicht gegen das Dogma der Marktgläubigkeit verstoßen.

Wer industriepolitisch derart auf den Hund gekommen ist, der muss auf Wunder hoffen. Und auf Heilige aus Kalifornien.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

Pepe Egger

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